18 September 2020

Eva Strittmatter: Mondschnee liegt auf den Wiesen – Gedichte

 

Das Wirkliche, was bleibt, ist Sprache. 

Verfestigt wird, was flüchtig ist. 

Noch aus der trübsten Lebenslache 

Erglänzt das Wort. Wenn man vergisst, 

Was ging und kam - selbst die Berührung 

Der Liebe wird man einst vergessen - 

Das Wort lebt weiter als Verführung 

Und macht nach unsrer Zeit besessen 

Von unsrer Sehnsucht, die es lesen. 

Mit unserm Maß werden sie messen 

Und lieben, als wärn sie gewesen 

In unsern Leibern eine Zeit. 

An unserm Wort solln sie genesen. 

Den Wortpreis zahlen wir. Seis Leid, 

Seis, was wir dafür halten: Glück. 

Bleibt nur von unsrer Wirklichkeit 

Das Wirkliche als Wort zurück.


Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 7. Auflage, 1988 (1. Auflage 1975)

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