Francis Scott Fitzgerald ist als Chronist der hektischen zwanziger Jahre in den USA bekannt geworden. Er gehört zur Generation von Schriftstellern wie William Faulkner, John Dos Passos, Thomas Wolfe und war mit Ernest Hemingway befreundet. Mit seinem ersten Roman, „Kehrseite des Paradieses“, brachte er 1926 als erster die enttäuschten Gefühle der sogenannten „verlorenen Generation“ zum Ausdruck, jenen Protest einer kleinen Gruppe von amerikanischen Intellektuellen gegen die Sinnlosigkeit des Krieges, gegen Saturiertheit und die Schablone einer bürgerlichen Moral, die ihrem Leben keinen Inhalt zu geben vermochte.
Fitzgerald war fasziniert von der „goldenen“ Seite seines Zeitalters: von den Gewohnheiten der oberen Mittelklasse, vom Überfluß der Steinreichen. Er teilte deren Streben nach Luxus und Lebensgenuß, entdeckte aber auch gleichzeitig hinter der kühlen Maske ihrer Überheblichkeit und versnobten Subtilität zügellosen Rausch, Unrast und Leere. „Der große Gatsby“ (1925), zweifellos Fitzgeralds bedeutendster Roman, enthüllt in einer sparsam verzweigten Handlung, fast wider Willen von dem jungen Nick Carraway erzählt, die Geschichte des James Gatz alias Hay Gatsby. In West Egg, am Sund von Long Island, New York, besitzt der aus dem Nichts emporgestiegene Mittdreißiger ein Palais im Stile eines mittelalterlichen Rathauses der Normandie. Abend für Abend trifft sich dort im blauen Dämmer des Gartens eine mondäne Gesellschaft geladener und zufälliger Gäste: Hollywoodschönheiten, Finanziers, Anwälte, Sportstars, Künstler, Müßiggänger. Bei Jazz und Sekt gehen ungeheuerliche Vermutungen von Mund zu Mund, aus welchen Quellen die Gatsbyschen Millionen, die er mit vollen Händen ausgibt, wohl fließen. Doch alle Prachtentfaltung gilt nur einer Illusion: Der romantische Gatsby will die verwöhnte Daisy Buchanan, seine einstige Verlobte, zurückgewinnen, die er vor seinem Aufstieg an einen Geldaristokraten verlor. Hoffnungsvolle Verheißung teilt sich Gatsby mit, als ihn Daisys grünes Bootslicht von der gegenüberliegenden Uferseite grüßt, doch seine Sehnsüchte und Träume werden an einem gewissen Tag im „Tal der Asche“, jenem scheußlichen Sinnbild sittlicher Verödung und versagender Menschlichkeit, zunichte.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1978
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Walter Schürenberg
bb Nr. 389
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