Dieser Buchtitel ist mehr als eine schlichte geographische Raumbestimmung. Das Atlasgebirge - mit seinen Gipfeln über 4000 m Höhe - ist eines der höchsten Gebirge Afrikas und zugleich eine Landschaftsgrenze, die den mediterranen Teil Marokkos von jenem trennt, der durch die Nähe der Sahara fremdartig und erregend wirkt. "Jenseits" beginnt das Ungewöhnliche, Unglaubhafte, beginnt das Märchen, das Abenteuer. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man die Farbbilder Dr. Wrages betrachtet. Wo gibt es solche bizarren roten Felsen, solche seltsamen Steppenwüsten in der uns vertrauten Umwelt? Scheinen die ornamentverzierten bunten Bauten von Tafraout nicht aus einem Sagenbuch zu stammen, ebenso wie die frühgeschichtlichen Gemeinschaftsspeicher oder die prägnanten Gesichter der großen Nomaden?
Und doch ist dies alles kein Märchen, nicht einmal ein Bericht aus längst vergangenen Tagen. Dr. Wrage, der oft in diesem Gebiet weilte, hat in seinem Buch die neuesten Studien verwertet und niedergelegt.
Von Marrakech, der "Hauptstadt des Südens" von Marokko, führt uns der Autor in ein Tal des Hohen Atlas. Dann überqueren wir mit ihm den mächtigen Gebirgswall, um in der Präsaharazone dem Oberlauf des Oued Dra zu folgen und die mächtigen "Tighremt" genannten Kasbahs zu betrachten. Über den Dschebel Siroua gelangen wir in das Sous-Tal und damit in den Südwesten Marokkos, in das Reich der Eisenholzbäume und der kakteenähnlichen Euphorbien. Ein Heiligengrab, Reiterspiele an der mittelalterlichen Stadtmauer von Taroudant sind Stationen auf der Reise zu den blau verhüllten großen Nomaden des Südens, in deren Zeltlager wir zu Gast sind.
In der abenteuerlichen Felswildnis des südlichen Anti-Atlas erreichen wir unter Schwierigkeiten die uralte Stammesspeicherburg Id Aissa, weilen als Gäste in den ornamentverzierten Häusern von Tafraout und gelangen endlich in den Agadir Tasguent, der eine wichtige Rolle im Gemeinschaftsleben der dortigen Berber spielt. Ein großes Fest mit Reiterspielen und Tänzen gibt uns Gelegenheit, die Atlantikküste westlich des Hohen Atlas kennenzulernen. Bei der Rückkehr über den Hohen Atlas besuchen wir verfallene Feudalschlösser und nehmen an Tanzfesten der dortigen Stämme teil.
So entsteht vor unseren Augen eine wissenschaftlich fundierte Schilderung von Landschaft und Menschen des südwestlichen Marokko, eine Schilderung, die sich bei aller Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt der Darstellung spannend liest, weil hier in einer ungewöhnlichen Landschaft einfache freie Menschen sich eine Lebensform gegeben haben, die sowohl ihrer harten Umwelt als auch ihren frühen Sozialbedürfnissen gerecht wurde. Die menschlich erregendsten Kapitel sind wohl die Begegnung mit den Kamelnomaden des Südens und der Besuch uralter und geheiligter, noch heute bestehender und in Gebrauch befindlicher Gemeinschaftsspeicherburgen. Wie stets in den Büchern Dr. Wrages bereichert eine Fülle von geologischen, botanischen und zoologischen Beobachtungen die völkerkundlichen Schilderungen und Betrachtungen dieser bunten und seltsamen Welt.
Neumann Verlag Radebeul, 1. Auflage 1969
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