Das Schicksal des gebrandmarkten Gemeindekindes scheint vorbestimmt. Haß und Verzweiflung bringen Pavel in die Gefahr, auch ein Verbrecher zu werden. Einzig die Liebe zur Schwester, die in einem Kloster lebt, und die Fürsorge des Lehrers bewahren ihn davor. Unbeirrt geht er seinen Weg und erringt am Ende die Achtung der Mitmenschen.
Leseprobe
Drei Tage dauerten die Beratungen der Gemeindevorstände über Pavels Schicksal. Endlich kam ihnen ein guter Gedanke, den sie sich beeilten auszuführen. Eine Deputation begab sich ins Schloß und stellte an die Frau Baronin das untertänigste Ansuchen: Weil sie schon so dobrotiva (allergütigst) gewesen, sich der Tochter des unglücklichen Holub anzunehmen, möge sie sich nun auch seines Sohnes annehmen.
Der Bescheid, den die Väter des Dorfes erhielten, lautete hoffnungslos verneinend, und die Beratungen wurden wieder aufgenommen.
Was tun?
"Das in solchen Fällen Gewöhnliche", meinte der Bürgermeister; "der Bub geht von Haus zu Haus und findet jeden Tag bei einem andern Bauern Verköstigung und Unterstand."
Alle Bauern lehnten ab. Keiner wünschte den Sprößling des Raubmörders zum Hausgenossen der eigenen Sprößlinge zu machen, wenn auch nur einen Tag lang in vier oder fünf Wochen.
Zuletzt wurde man darüber einig: Der Junge bleibt, wo er ist - wo ja sein eigener Vater ihn hingegeben hat: bei dem Gemeindehirten.
Freilich, wenn die Gemeinde sich den Luxus eines Gewissens gestatten dürfte, würde es gegen diese Auskunftsmittel protestieren. Der Hirt (er führte den klassischen Namen Virgil) und sein Weib gehörten samt den Häuslern, bei denen sie wohnten, zu den Verrufensten des Ortes. Er war ein Trunkenbold, sie, katzenfalsch und bösartig, hatte wiederholt wegen Kurpfuscherei vor Gericht gestanden, ohne sich dadurch in der Ausübung ihres dunklen Gewerbes beirren zu lassen.
So biß man denn in den sauren Apfel und bewilligte jährlich vier Metzen Korn zur Erhaltung Pavels. Der Hirt erhielt das Recht, ihn zum Austreiben und Hüten des Viehs zu verwenden, und versprach, darauf zu sehen, daß der Junge am Sonntag in die Kirche und im Winter so oft als möglich in die Schule komme.
Verlag Volk und Welt Berlin, 1968
Roman-Zeitung 432
bb
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