22 Juni 2023

Leonhard Frank: Die Jünger Jesu

Leonhard Frank greift in seinem 1949 erschienenen Buch "Die Jünger Jesu" das Thema seines wohl bekanntesten Romans "Die Räuberbande", auf und variiert es. Wieder hat er die Heimatstadt Würzburg zum Schauplatz des Geschehens gewählt.
"Wir, die Jünger Jesu, Vollstrecker der Gerechtigkeit, nehmen von den Reichen, die alles haben, und geben es den Armen, die nichts haben." So lautet die Losung, die gleich einem Schwur im modrigen Keller der alten Klosterkirche die regelmäßigen Sitzungen dieser geheimnisvollen Gesellschaft eröffnet. Die nach dem Vorbild der Urchristen solche abenteuerlich-romantischen Versammlungen abhalten, sind elf Jungen im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren. In den Nachkriegswirren haben sie sich zusammengefunden, um uneigennützig, aber auf nicht ganz legale Weise der gerechten Verteilung materieller Güter nachzuhelfen. Zu ihren "Neuanschaffungen" gehören eine schwarz und gelb getigerte Wolldecke vom Metzgermeister Stumpf und eine blaue Mechanikerhose vom Optiker Scheibenkäs, die am nächsten Tag an das elternlose Mädchen Johanna und den Fischer Kreuzhügel verteilt werden sollen. Ehemalige und neue Besitzer solcher Kostbarkeiten finden stets eine Quittung mit dem Vermerk "Die Jünger Jesu" vor. Oft gelingt es den Jungen, die schlimmste Not zu lindern, aber ihre unliebsamen Erfahrungen mit dem Schwarzmarktkönig und früheren Nazi Zwischenzahl sowie mit der neu entstandenen Vereinigung ehemaliger Hitlerjungen stimmen sie nachdenklich. Das Geschehen um die Jüdin Ruth Freudenheim bringt die Jünger schließlich zu der Einsicht, daß sie mit ihren anarchistischen Aktionen das erträumte Ziel nicht erreichen können. Sie lösen ihre Geheime Gesellschaft auf und schließen sich einer sozialistischen Jugendbewegung an. Offen bleibt die mahnende Frage, ob es den progressiven Kräften gelingen wird, eine unheilvolle Vergangenheit endgültig zu bewältigen.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1977
bb-Reihe Nr. 384

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