Kosmander Rendel Borg starrt unberührt auf die gläserne Halbkugel des Astrogoniums, die Finger seiner rechten Hand dirigieren den Hebel des Multitensors in verwirrenden Figuren, und für Sekunden ergreift Asper wieder jene Bewunderung, die er immer empfindet, wenn er sich vergegenwärtigt, welch gewaltige Kräfte dieses filigrane Spiel unter den menschlichen Willen zwingt. Aber Borg ist damit nicht zufrieden, das hat Asper recht bald erkannt. Dem blaßgesichtigen, immer etwas steifen Kosmander genügt es nicht, Herr über einen der bewährten Fernerkunder vom Typ Manta 4 zu sein. Die Omikron 278-A ist für ihn nur eine Stufe der Treppe, die in solch schwindelerregenden Höhen endet, daß ein kleiner Proximer besser gar nicht erst den Blick hebt, um den Glanz zu bestaunen, der von dort oben herabrieselt. Nein, Borg wird exakt nach der Vorschrift handeln; keine Macht der Welt könnte ihn dazu bewegen, den Planeten zweckmäßigerweise für unbelebt zu erklären, die tektonischen Bomben zu werfen und die Meßwerte zu speichern, ohne zu landen. Er wird sie wieder wochenlang bohren lassen, bohren und immer wieder bohren – schön nach Vorschrift.
Stellaster Fratt hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, hat gejammert und gemault, sein fettes Gesicht in dicke Falten gelegt, die unruhigen kleinen Augen böse funkeln lassen – aber ein Blick des Kosmanders, der mehr Erstaunen als Mißbilligung ahnen ließ, glättete die Unmutswogen im Gemüt des Stellasters, und dessen Widerstand erlosch endgültig in einem wehmütigen Seufzer, als Borg befahl: „Mach die Fähre klar, Dicker. Wir müssen runter, wie's scheint.“
Jetzt hockt Fratt apathisch in seinem Sessel und kämpft gegen die Schläfrigkeit, die seine Augen zu wässrigen Schlitzen schrumpfen läßt. Unerwartet kommt Leben in diese Skulptur erzwungenen Gleichmuts. Ein winziges Pünktchen zwischen den floureszierenden Linien des Fadenkreuzes auf dem Alphascreen, das Asper erst nicht weiter beachtet, zieht Fratts rechten Zeigefinger mit magischer Gewalt an. „Flugobjekt aus Quadrat acht, Distanz zweiundzwanzigtausend“, stößt der Stellaster verblüfft aus, dabei aber um eine korrekte Meldung bemüht.
Borgs Kopf ruckt eine Winzigkeit zu hastig herum. „Das muß eine Scoutsonde sein. Die holen wir uns. Ein einmaliger Fang, erspart uns unter Umständen eine Menge Arbeit, wenn sie das System Tul aufgeklärt hat.“
„Die letzten Scouts wurden vor über zweihundert Jahren gestartet...“, gibt Asper zu bedenken.
„Ganz recht, Proximer.“ Borg lächelt herablassend, wobei sich die Höcker über seinen Augenbrauen leicht verfärben. „Und nun stellen Sie sich einmal vor“, fährt er triumphierend fort, „wie viele Systeme dieses liebe Maschinchen in den vergangenen zwei Jahrhunderten erkundet hat und was dieses Material uns dreien einbringen kann.“
Mit Illustrationen von Reiner Schwalme
Verlag Neues Leben, Berlin
Das Neue Abenteuer Nr. 441
1. Auflage 1983
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wichtiger Hinweis
Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.
Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.