Tintarolo das klingt so geheimnisvoll und ist doch nichts als der Spitzname, den eine Freundin der Künstlerin Käthe Kollwitz gegeben hat. Vor mehr als 60 Jahren sollte Tintarolo ein Plakat entwerfen. Mit ihm wollte man zum Bau von Kinderspielplätzen in Berlin aufrufen. Trude, das Arbeitermädchen aus dem Hinterhaus, half ihr bei dieser Arbeit. Mit ihrem Schwesterchen Annie stand sie der Kollwitz Modell.
Buchanfang
Tintarolo. So wird die Frau genannt, die eben in die Weißenburger Straße einbiegt und auf das Haus mit der Nummer 25 zusteuert. Eine Freundin nennt sie so. Eine Freundin aus der Zeit, als beide noch junge Mädchen waren und gemeinsam hier in Berlin an einer Schule für Malerinnen studierten. Inzwischen haben sie längst geheiratet und sind Mütter geworden. Geblieben ist ihre Freundschaft, die Liebe zu ihrer Arbeit und dieser merkwürdige Spitzname. Er ist italienisch und bedeutet „Sparbüchschen“.
Tintarolo wechselt ihren Koffer von rechts nach links. Die Kälte beißt durch die gestrickten Fingerhandschuhe. Die Frau seufzt und schiebt ihre Rechte in die schützende Manteltasche. Doch sie seufzt nicht über ihre erklammten Finger und nicht, weil der Koffer zu schwer wäre. Er ist leicht. Nur ein paar Tage war sie verreist, hat sich mit der Freundin getroffen, die Tintarolo zu ihr sagt. Die Frau ist nicht etwa betrübt, weil sie niemand vom Bahnhof abholte. Sie weiß, daß Peter, ihr Jüngster, jetzt in der Schule sitzt und Hans, der Älteste, gleich nach den Weihnachtsferien an seine Universität zurückgefahren ist. Sie weiß auch, daß ihr Mann um diese Stunde viel zu tun hat, und wenn Lina nicht aufpaßt, vergißt er wieder zu frühstücken. Aber sicher hat Lina aufgepaßt.
Tintarolo öffnet die Haustür und, obwohl nur klein und schmächtig, steigt sie mit kräftigen Schritten über die ausgetretenen Stufen nach oben. An der ersten Etage geht sie vorbei, wendet sich zur zweiten. Man sieht es den Dielen an, daß viele Menschen in den letzten Jahren ihre Sorgen diese Treppen hinaufgeschleppt haben.
Zeichnungen von Käthe Kollwitz
Einbandgestaltung: Jens Prockat unter Verwendung der Abbildung „Selbstbildnis mit Sohn Hans am Tisch“ von Käthe Kollwitz
Für Leser von 8 Jahren an
Der Kinderbuchverlag, Berlin
Buchfink-Bücher
1. Auflage 1975
2. Auflage 1976
3. Auflage 1977
4. Auflage 1982
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