05 Juli 2023

Heinz Meynhardt: Schwarzwild-Report - Mein Leben unter Wildschweinen


Nur wenigen Zoologen gelang es, in die Rudel, Horden oder Familienverbände von sozial lebenden Wildtieren aufgenommen zu werden. So wurde es seinerzeit wie eine Sensation empfunden, als die Goodalls vom Leben unter wilden Schimpansen berichteten. Niemals hätte man aber geglaubt, daß sich im Rahmen der Möglichkeiten, die in Europa noch gegeben sind, ein ähnlicher Kontakt und vergleichbare Ergebnisse mit heimischen Wildtieren gewinnen lassen. Dennoch ist das, was niemand für möglich gehalten hatte, in einem unserer Jagdreviere eingetreten: ein Amateurbiologe hat über eine Ablenkfütterung Kontakt zu einer Rotte Sauen gewonnen und solange an der Vertiefung dieses Kontaktes gearbeitet, bis er als gleichberechtigtes Mitglied in diese Rotte Sauen aufgenommen wurde. Heinz Meynhardt hat diese einmalige Chance genutzt und in wissenschaftlich ernsthafter Arbeit Beobachtungen und Experimente in «seiner» Wildschweinrotte nach verhaltenskundlichen Gesichtspunkten durchgeführt und ausgewertet. Er selbst ist Elektromeister, beschäftigte sich jedoch seit frühester Jugend mit Enten-, Gänse-, Sittich- und Hundezucht. Er gilt als anerkannter Vogel- und Hundezüchter.
Dem Fernsehpublikum ist er bereits als Tierfilmautor bekannt und seine Schwarzwildfilme fanden natürlicherweise eine große Resonanz. Aufgrund der Bedeutung seiner Arbeit mit den Wildschweinen wurde Heinz Meynhardt vom Institut für Forstwissenschaften in Eberswalde das weitere Studium des Sozialverhaltens «seiner» Rotte im Rahmen eines Forschungsauftrages angetragen. In der vorliegenden Darstellung berichtet er in spannender, humorvoller und dennoch sachlicher Art von den Erlebnissen mit «seinen» Schweinen. Dem Laufe der Entwicklung – von der Aufnahme in die Rotte bis zur Rauschzeit und der Aufzucht der Frischlinge – folgend, kommen dabei all die vielen Ereignisse zur Sprache, die sein Leben unter den Wildschweinen so interessant machten.

Geleitwort
Die Verhaltensforschung hat ihre Grundlage in der Vielfalt der Wechselbeziehungen zwischen Organismus und Umwelt, die zu jener Mannigfaltigkeit geführt hat, die uns immer wieder beglückt. Ohne die Notwendigkeit der experimentellen Forschung in Frage zu stellen, bleibt die Forderung nach der Erweiterung und Vertiefung unseres Wissens über den natürlichen Zusammenhang zwischen Verhalten und Lebensraum ein Auftrag, der hohen persönlichen Einsatz, Einfühlungsvermögen, Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzt. Nimmt man hinzu, daß in unserem Lebensraum, unserer eigenen, von uns mitgestalteten Umwelt, jede Tierart eine bestimmte Bedeutung hat, so müssen wir es um so mehr begrüßen, wenn, wie in diesem Buch, ein umfassendes Beobachtungsmaterial für eine dieser Arten vorgelegt wird, das unser gegenwärtiges Wissen in nicht geringem Umfang erweitern hilft.
Es überrascht immer wieder, wie lückenhaft unsere Kenntnisse gerade über die Säugetiere unserer Heimat, ja selbst über unsere großen Nutztiere, noch sind. Für das Wildschwein gewinnt eine solche Untersuchung zusätzlich an Gewicht, da diese Tierart als jagdbares Wild eine nicht geringe ökonomische Bedeutung hat und zudem die Kenntnisse über das Verhalten der Stammart unseres Hausschweines auch das Verständnis für die Besonderheiten der Haustierform fördern können.
Wir beglückwünschen den Autor zu seinen unter hohen persönlichen Opfern gelungenen Beobachtungen und Erfahrungen, die sich durchaus vergleichen lassen mit den gediegenen Studien, wie sie etwa die Goodalls in Afrika an Schimpansen, an Hyänenhunden und Fleckenhyänen durchgeführt haben.
Die hier gewonnenen Kenntnisse lassen sich in vielfältiger Weise verwenden, auch die Grundlagenforschung, die sich mit dem tierischen Verhalten befaßt, nimmt derartige Befunde gern entgegen, sie enthalten manches, das Schlüsse vom Besonderen zum Allgemeinen zuläßt. Hier liegt ein »Tierbuch« vor, das Text und Bilder der Begeisterung, Zielstrebigkeit und einem Verantwortungsgefühl für die lebendige Natur um uns verdankt. Man gibt ihm gern alle guten Wünsche mit auf den Weg.
G. Tembrock

Einführung
Mit Begeisterung habe ich seinerzeit die Berichte der Goodalls verfolgt, die von ihrem Leben unter einer wilden Horde von Schimpansen berichteten. Gleichermaßen faszinierten mich die Schilderungen Schallers von seinem Leben unter Gorillas wie auch die Verhaltensbeobachtungen Kruuks unter »seinen« Fleckenhyänen. Damals wußte ich noch nicht, daß ich selbst einmal mit freilebenden Wildschweinen »auf du und du« stehen würde. Diese Art der Verhaltensforschung, Mitglied eines Sozialverbandes, einer Gemeinschaft von in Sozialverbänden lebenden Tierart zu werden, führt naturgemäß am schnellsten und sichersten zur Erweiterung unseres Wissens über die freilebenden Tiere.
Mittlerweile konnte ich selbst in Wort und Bild vom Leben in »meiner« Wildschweinrotte berichten. Vielen Lesern bin ich sicher bereits durch meine Fernsehsendungen bekannt geworden. Sie wissen also schon, worum es geht. Keine Gelegenheit hatte ich jedoch bisher, denen zu danken, die mir notwendige Wege geebnet, die diese Sache großzügig unterstützt haben und ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, die Lebensweise des Schwarzwildes in freier Wildbahn so gründlich kennenzulernen.
An erster Stelle möchte ich meinen Freund und Mitarbeiter, den Jagdleiter Rudolf Merseberg, Grabow, mit seiner Gattin nennen, die es in einmaliger Weise verstanden haben, die Voraussetzungen für diese Forschungsarbeit zu schaffen. Jederzeit ein offenes Ohr für meine Probleme fand ich bei dem Landforstmeister und Sekretär des Jagdbeirates im Bezirk Magdeburg, Herrn J. Slawinski. Bedanken möchte ich mich weiter bei meinem Freund, dem
Weidgenossen Dr. med. vet. U. Weber, Burg, der die Sektionen und Untersuchungen von verendeten Stücken vorgenommen hat. Großen Anteil an dem Entstehen dieses Berichtes hat das Institut für Forstwissenschaften, Abteilung Jagdwirtschaft, Eberswalde-Finow, mit den Herren Dr. Briedermann und Forstmeister Dr. Möller. Ihre Forschungsergebnisse, z. B. die der Magenuntersuchungen von erlegten Stücken und der Markierung, sind wichtige Erkenntnisse für die Schwarzwildbewirtschaftung, die ich in den entsprechenden Kapiteln verarbeiten durfte.
Nicht zuletzt möchte ich den Forstwirtschaftsbetrieb Nedlitz und dessen Direktor für Produktion, den Weidgenossen H. J. Lietze, nennen, die durch ihre aktive Unterstützung erheblich dazu beigetragen haben, daß im Revier Grabow eine Ablenkfütterung eingerichtet werden konnte.
Viel Verständnis wurde mir von der Jagdgruppe Grabow entgegengebracht, die zeitweise auf einen Teil ihres Jagdgebietes zu meinen Gunsten verzichtete. Ihnen allen sei nochmals herzlich gedankt.
Heinz Meynhardt
Burg, im Herbst 1977

Inzwischen sind weitere Jahre ins Land gegangen. Ich habe nun acht Generationen meiner Wildschweine vom Frischlingsalter an aufwachsen sehen, ihr Verhalten genau beobachtet und dabei vor allem über ihre Verständigung untereinander, ihre Kommunikation, viel Neues kennengelernt. Der Schwarzwildreport erscheint deshalb in der vierten Auflage in erweiterter und aktualisierter Fassung. Dem Neumann Verlag danke ich für die wiederum schnelle Drucklegung und das großzügige Entgegenkommen, das er meiner Sache angedeihen läßt.
Burg, im Winter 1980/81

Inhalt
Geleitwort ...... 5
Einführung ...... 7
Allgemeine Lebensweise ...... 9
An der Ablenkfütterung ...... 13
In die Rotte »aufgenommen« ...... 22
Revier und Rotte ...... 32
Nahrung ...... 53
Sinnesleistungen ...... 64
Kommunikation ...... 72
Rangordnung ...... 90
Soziales Verhalten ...... 96
Die Rauschzeit ...... 100
Der Wurfkessel ...... 124
Die Aufzucht der Frischlinge ...... 144
Markierung ...... 163
Bejagung · Hege · Wildschadensverhütung
Ablenkfütterung ...... 170
Altersansprache · Wahlabschuß ...... 189
Nachkommen · Verluste
Zuwachs ...... 194

Ein letztes Wort ...... 212
Literaturverzeichnis ...... 217

Das Foto zum Schutzumschlag stellte Hans Reinhard zur Verfügung.
Alle Fotos des Innenteils, die größtenteils unter extremen Lichtverhältnissen entstanden, lieferte der Verfasser

Neumann Verlag, Leipzig - Radebeul
und
Verlag J. Neumann-Neudamm, Melsungen·Berlin·Basel·Wien

1. Auflage 1978
2. Auflage 1980
3. Auflage 1981
4. erw. Auflage 1982
5. Auflage 1984
6. Auflage 1986
7. Auflage 1988
8. Auflage 1990

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