Am 26. August 1819 reist Goethe von Jena zur Badekur nach Karlsbad. Seinen 70. Geburtstag begeht er im Reisewagen. In Weimar hat er das Wort zurückgelassen: "Ich bin zu alt zum Geburtstagfeiern." Der Stickmusterverleger Khnopf und der schweigsame Herr von Schmidt mißtrauen diesem Grund. Sie sind von weit her gekommen, ihren Dichter zu treffen. Ungesäumt verlassen sie den Weimarer "Elephanten", zu dessen Personal noch immer der Kellner Mager gehört, und eilen in einer bunten Reisegesellschaft nach Karlsbad. "Personen von Staatsrang geben ihren Zwecken aus höherer Notwendigkeit nicht selten den Charakter von Grillen", sagt der Herr von Schmidt.
Zwei unbekannte Männer machen unbekannte Erfahrungen mit bekannten Männern. Herr Goethe ist durchaus nicht der berühmteste Gast der Sprudelstadt. Mit einem illustren Kreis deutscher Minister bereitet der österreichische Staatskanzler Metternich das Regime der Restauration vor. Die ein halbes Jahr zurückliegende Tötung des Dichters Kotzebue durch den Jenaer Studenten Sand gibt den Vorwand. Dem dunklen Weg des Veränderers Sand folgt der Roman auf einer zweiten Ebene.
Voller Sensibilität für die historische Einsamkeit Sands, spielt der Roman ironisch ein Stück Vergangenheit durch, zu der auch die Leiden eines Geheimpolizisten, der kulinarische Genuß, die Glaubwürdigkeit des Herrn Goethe, das Verhältnis von Anarchie und Idyll gehören. Unaufdringlich entsteht aus diesen Bildern ein Bildnis von Verhältnissen und Verhaltensweisen, die über den historischen Erzählraum hinausreichen. Das Faktische verwandelt sich in eine erfundene Wirklichkeit voller ästhetischer Vergnügungen.
Verlag Neues Leben, Berlin 1989
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