Wo Schornsteine neue Kraftwerke ankünden, ist Ottos Held zu Hause. "Rohrschlosser von Natur, Kommunist mit stark anarchistischem Einschlag, Trunkenbold und Schürzenjäger, immer zwischen Held der Arbeit und Parteiverfahren..." Gassen lebt gern und er liebt das Leben, so wie er die Mathematik liebt. Er haßt Heuchelei, die Selbstsüchtigen und die Bürokraten. Die kann er reizen bis zum Infarkt und Magengeschwür. Baustellen, bei denen etwas im argen liegt - und Frauen, das sind seine Hobbys. Unter den Kraftwerkserbauern, mit Problemen, die man nicht vom Schreibtisch aus lösen kann, fühlt er sich wohl. Direktor für Produktion will er nicht werden, denn zu seinem Weltbild gehört die Vorstellung, jeder sollte genau den Platz in unserer Gesellschaft einnehmen, den er auszufüllen imstande ist. Fast alle Mittel sind ihm recht, wenn er einen Kessel baut, Termine hält oder ein Weib will. Auch bei der "Bunten", wie er sie nennt, die den schärfsten Gang hat, den er überhaupt kennt, versucht er auf diese Weise sein Glück. Aber Maria Magdalena Krüger, nicht ohne Erfahrung im Umgang mit Männern, bevor sie Robert trifft, ist die Frau, die sich ihm gewachsen zeigt. Und so folgt den Sachen mit Lisa und Margot und Sylvia und Hanna auf keinen Fall eine Sache mit Maria.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1979
bb-Reihe Nr. 423
„Ein Reh tauchte plötzlich von links auf, ganz dicht. Der Fahrer hatte noch sachte gebremst, es fehlten nur Zentimeter. Mit hundertzwanzig voll auf ein Tier dieser Größe. Amen. Alles wäre weitergegangen ohne sie. Und Willi wäre dran gewesen mit der Rede. Ungeschminkt, das war die Bedingung.
Trauergäste. Macht eure längsten Gesichter. Wo, zur Hölle, stand das nur wieder. Also, Leute. Dieser hier, Robert Gassen, Rohrschlosser von Natur, Kommunist mit stark anarchistischem Einschlag, Trunkenbold und Schürzenjäger, immer zwischen Held der Arbeit und Parteiverfahren – dieser, Trauergäste, starb unverdient früh. Er hat gern gelebt, aus vollem Halse. Es kotzte ihn an, und er liebte es. Die Mathematik liebte er, einen Großbau beherrschte er. Fast alle Mittel waren ihm recht, wenn er einen Kessel baute und Termine hielt. Oder wenn er ein Weib wollte. Er hinterläßt einundzwanzig Dampferzeuger, den letzten unvollendet – Er haßte die Heuchelei, die Selbstsüchtigen und die Bürokraten, die er reizen konnte bis zu Infarkt und Magengeschwür. Er empfing noch die Würde eines Oberingenieurs. Direktor für Produktion zu werden, lehnte er strikt und bis zum letzten Augenaufschlag ab; denn zu seinem Weltbild gehörte die Vorstellung, jeder solle genau den Platz in dieser Gesellschaft einnehmen, den auszufüllen er imstande sei. Er hinterläßt Mariechen, die noch nichts weiß und die wir nicht finden konnten. Vielleicht ahnt sie etwas. Denn sie war anders. Und auch er zu ihr. Und war schon geändert worden durch sie. Das fing eben an: das Hinausdenken über sich selbst und auf sie.
Sterben wollte er in Gummistiefeln. Gestorben ist er in den beigefarbenen Schuhen, den einzigen, die er besaß, und in dem billigen grauen Flanell, den er widerwillig anzog und nur selten oder wenn es Orden gab. Dieselben sehen Sie dort links, Trauergäste. Bis auf einen, der verlorenging. Und bis auf die, die ihm nicht verliehn wurden, obwohl er sie verdient hatte. Denn ein Held, Trauergäste, war er nie. Ein Held hat rund zu sein, wie wir wissen…“
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1976
6. Auflage 1989
1. Auflage 1976
6. Auflage 1989
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