03 Oktober 2020

Georg Menchén: Nimuendajú - Bruder der Indianer


 Curt Unckel, dem die Urwaldindianer vom Stamm der Apapocuva-Guarani in Ostbrasilien den Namen "Nimuendajú" gaben - "Der sich eine Wohnung bei uns machte" -, den sie tauften und in ihren Stamm aufnahmen, war ein gebürtiger Jenenser und zu Beginn unseres Jahrhunderts nach Südamerika ausgewandert. Er war noch nicht 22 Jahre alt, unerfahren in der ethnologischen Erkundung und überhaupt nicht wissenschaftlich vorgebildet, als er 1905 - mehr zufällig - auf die Apapocúva stieß und bei ihnen blieb. Noch sah Unckel die Welt mit den Augen eines Europäers, noch mußte er unentwegt bei jedem der neuen Erlebnisse umschalten. Doch in diesem ganz und gar nicht mehr romantischen Indianerdorf suchte und fand Curt Unckel für die nächsten Jahre eine neue Heimat. Hier wurde jener Mann im wahrsten Sinne des Wortes "geboren", dessen neuer Name bis heute einen Ehrenplatz in der Liste der brasilianischen Indianerforscher und Ethnographen hat. Und Curt Nimuendajú, wie er sich nun fortan selbst nannte und unter welchem Namen er auch seine Forschungsberichte herausgab, lebte nicht nur die größte Zeit seines Lebens genügsam unter Indianern - vielen Gé- und einigen Aruak- und Tupistämmen -, beobachtete und studierte ihre Verhaltensweisen, er fühlte sich bald auch selbst als ein Indianer. Mehr als 40 Jahre befaßte er sich mit dem Studium von Wirtschaft, Sprache und Kultur der brasilianischen Indianer. Mit wahrhafter Besessenheit suchte er in den Dörfern das soziale Leben zu erforschen und den tieferen Sinn der religiösen Vorstellungen zu ergründen. Seine Monografien über viele brasilianische Stämme und die erthnographischen Sammlungen, die er im Auftrag der Museen von Göteborg, Leipzig, Dresden und Hamburg zusammentrug, bereicherten die völkerkundlichen Erkenntnisse ungemein. Sehr zu Unrecht hat das Lebenswerk dieses humanistischen Forschers, der in einem kleinen Indianerdorf unter mysteriösen Umständen verstarb, bislang nicht die gebührende Würdigung gefunden. Dieses Buch, das anhand von Briefen, Gesprächen mit Jugendfreunden Unckels und Wissenschaftlern, die mit ihm zusammenarbeiteten, ein interessantes Lebensbild rekonstruiert, versucht aufzuzeigen, wie er gewesen sein könnte.

F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, 2. Auflage 1982

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