31 Dezember 2023

Boleslaw Prus: Angelika


Mit dem harmonischen Bild einer ländlichen Idylle beginnt Bolesław Prus (1847-1912) seinen kleinen Roman aus dem Jahre 1880, und er beschließt ihn mit einer ebenso heiteridyllischen Szene, als wäre nichts Dramatisches geschehen. Was aber der dreizehnjährigen Angelika zu Ohren kommt und was sie am Ende mit eigenen Augen ansehen muß, scheint ihr schon Grund genug zu höchster Beunruhigung. Dem Leser jedoch eröffnen sich erschütternde Einsichten in eine Welt des sozialen Umbruchs, denn er durchschaut, was der ahnungslosen Angelika bis zum Schluß verborgen bleibt.

Über den Autor:
Bolesław Prus, der große polnische Realist des 19. Jahrhunderts, der einige Jahre nach dem Erscheinen der «Angelika» mit seinen Romanen «Die Puppe» (1887/89) und «Pharao» (1895) Weltruhm erlangte, zeigt sich bereits in diesem frühen Werk als ein Meister des Details, des scheinbar Alltäglichen, fast Banalen, und als ein unbestechlicher Chronist seiner Zeit. «Nach dieser Erzählung möchte man gar nichts mehr lesen», vermerkt Stefan Zeromski in seinem Tagebuch, «nur die Augen bedecken, niemanden mehr sehen ...»

Buchanfang:
1. Kapitel

Der Verfasser gibt einen Überblick über die Personen seines Buches

Angelika ist ein hübsches Mädelchen und dabei weder arm noch eine Waise. Sie besitzt alle Voraussetzungen, glücklich zu sein: sie hat Eltern, eine gelehrte Erzieherin, einen eigenen Hund, und – sie wohnt auf dem Lande. Ein Dorf ist, vor allem während des Sommers, der passendste Aufenthaltsort für Kinder. Dort sind sie gesund, können auch frei und besser spielen als in der Stadt.
Auf einer Fläche von einigen hundert Morgen bieten sich ihnen die mannigfaltigsten Ausblicke, die ihre jungen Seelen mit schlichten und ruhigen Eindrücken erfüllen. Hier ist der Himmel kein leerer Raum zwischen Häusern, sondern ein Gewölbe für sich, das der liebe Gott über die Welt gespannt hat und unter dem die wogenden Felder ruhen. Hier sind duftende Wiesen, klare und kühle Bäche, in denen in Hülle und Fülle kleine Fische schwimmen. Wie eine Kinderfrau, die leise eiapopeia vor sich hin singt ... schaukelt der Wind unermüdlich die hellgrünen Ähren auf den Feldern und spielt mit dem blutigroten Mohn und den blauen Kornblumen.
Durch die Felder schlängelt sich ein Pfad, auf dem langsam ein kleines, in graues Leinen gekleidetes Kind geht, das in einem Henkeltöpfchen dem Vater das Essen bringt. Weiter ab liegt eine Landstraße, auf der der Sand, gelangweilt vom langen Liegen, zuweilen plötzlich aufwirbelt und sich auf die Reise macht, um die Leute auf dem Felde zu foppen. Dahinter liegen Kartoffeläcker, in denen ein furchtsamer Hase schlummert, die grauen Flecken der Brachfelder, auf denen ......

Schutzumschlag: Hans-Eberhard Ernst

Polnischer Originaltitel: Anielka
Übertragen von Albert Klöckner
Mit einem Nachwort von Dietrich Scholze

Verlag der Nation, Berlin

1. Auflage 1986
2. Auflage 1989

Im gleichen Verlag auch erschienen als:
Roman für alle ; Bd. 97
1. Auflage 1960

Siegfried Grienig: Die Indianer von den Wolfsteichen

Buchanfang:
In stürmischen Nächten soll es an den Wildenauer Wolfsteichen nicht mit rechten Dingen zugehen. Da geistert der lahme Krischan mit seinem Feuerhengst durch die Lüfte und ruft mit heiserer Stimme: „Hü – schneller – hü!“
Das hat mir der alte Schäferheinrich erzählt, der bei der Brennereiruine wohnt. Vielleicht hat er mir auch einen Bären aufgebunden – der gutmütige Mann mit den schelmischen Augen. Denn das Flunkern versteht er.
Aber daß hier vor langer Zeit der letzte Wolf geschossen wurde, das stimmt.
Ich habe es nämlich in der verstaubten Dorfchronik gelesen. Überhaupt: Es geschehen in Wildenau recht wunderliche Dinge ...



Illustrationen und Einbandzeichnung von Hans Mau

Für Kinder von 10 Jahren an

Altberliner Verlag Lucie Groszer, Berlin

1. Auflage 1960
2. Auflage 1961

30 Dezember 2023

Hans-Dieter Kitzing: Die Geister von Phu Tin

Buchanfang:
EIN WIEDERSEHEN
Das Dorf war voller Geheimnisse. Seit Tagen schon steckten die Pioniere flüsternd die Köpfe zusammen, wo immer sie einander trafen, und in ihren Unterhaltungen schienen Zahlen eine große Rolle zu spielen.
„Fünf habe ich fertig, jeden Tag werde ich noch einen schaffen, bis es soweit ist.“
„Wir haben uns zusammengetan, an einem Nachmittag machen wir vier Stück.“
„Mehr nicht? Unsere Gruppe schafft sechs, und wir sind auch nicht mehr als ihr.“
„Schaffen wir auch noch. Du wirst sehen, wenn wir sie zu Onkel Hoang bringen, haben wir die meisten. Wetten?“ „Abgemacht! Wir treten in Wettbewerb!“
Spielende Pioniere waren in diesen Tagen eine Seltenheit. Wenn man sie schon einmal zu Gesicht bekam, dann mit einem großen Haumesser am Gürtel und mit Bambusstangen über der Schulter. Aber auch dann trabten sie nur schnell über die Wege des Dorfes und waren gleich wieder hinter den Hütten verschwunden.

Illustrationen: Ruprecht Haller
Einband: Hans Mau

Für Leser von 10 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1961
[keine weiteren Auflagen]

29 Dezember 2023

Maxim Gorki: Die Kinder aus Parma – Märchen und Erzählungen

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Kunde: Ein ganzer Zug mit Kindern wird erwartet. „Es lebe das junge Parma!“ – Die Späße eines Clowns und die schimmernde Zirkusarena versetzen Mischka in eine Traumwelt. Vergessen ist die Arbeit in der Ikonenwerkstatt, vergessen sind Schläge und grobe Worte. – Trotz aller Bitternis und Härte bewahren sich Maxim Gorkis Helden die Freude am Leben und die Liebe zu den Menschen. Die neun Märchen und Erzählungen dieser Auswahl künden von der unermüdlichen Suche nach einem besseren Morgen.

Buchanfang:
Der Morgen
Das Herrlichste in der Welt ist, einen neuen Tag werden zu sehen!
Am Himmel ist der erste Strahl der Sonne aufgeflammt, die nächtliche Dunkelheit zieht sich leise in die Klüfte der Berge und die Gesteinsfalten zurück, versteckt sich im dichten Laub der Bäume und unter dem Spitzenschleier des taubenetzten Grases. Und die Gipfel lächeln freundlich, als sagten sie zu den weichen Schatten der Nacht: „Habt keine Furcht – es ist ja die Sonne!“
Die Meereswogen heben die weiten Köpfe und verneigen sich vor ihr, wie Hofdamen einen tiefen Knicks vor der Königin machen: „Wir grüßen dich, Herrscherin der Welt!“ ist ihr Gesang.
Die gute Sonne muß lachen: Die ganze Nacht haben diese Wellen gespielt, sind auf und nieder gegangen, umhergewirbelt, und jetzt sind sie so zerzaust, ihre grünen Gewänder zerdrückt, die Samtbänder durcheinandergeraten.
„Guten Morgen!“ ruft ihnen die Sonne zu, wenn sie sich über dem Meere erhebt. „Guten Morgen, ihr Schönen! Aber nun ist es genug, jetzt seid einmal ruhig! Wie sollen die Kinder denn baden, wenn ihr nicht aufhört, so hoch zu spritzen! Alle auf der Erde sollen es doch gut haben, nicht wahr?“
Aus den Ritzen der Felsen kommen die grünen Eidechsen hervorgehuscht, blinzeln aus verschlafnen Äuglein und sprechen zueinander: „Heut wird es aber warm!“
An einem heißen Tage sind die Fliegen schwerfällig, so daß die Eidechsen sie leicht fangen und aufessen können, und eine fette Fliege zu verspeisen ist herrlich! Die Eidechsen sind nämlich ganz große Leckermäuler ........

Inhalt:
  5 ..... Der Morgen - übersetzt von Felix Lorsch
  9 ..... Die Mutter und Tamerlan - übersetzt von Alexander Stein und Erich Boehme
19 ..... Ein Roman - übersetzt von Katharina Gilde
31 ..... Der Denkzettel - übersetzt von Irene Müller
41 ..... Von einem Knaben und einem Mädchen, die nicht erfroren sind - übersetzt von Amalie Schwarz
52 ..... Pepe - übersetzt von Alexander Stein und Erich Boehme
60 ..... Die Hochzeit - übersetzt von Alexander Stein und Erich Boehme
66 ..... Die Erzählung der alten Isergil - übersetzt vom Stefania Goldenring
83 ..... Die Kinder aus Parma - übersetzt von Alexander Stein und Erich Boehme
88 ..... Nachwort - Ilse Idzikowska
93 ..... Worterklärungen

Illustrationen von Frank Ruddigkeit

Für Leser von 11 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1976
2. Auflage 1978

Zyden-Shap Shimbijew: Das Jahr der feurigen Schlange

Was ist das schon für ein Mann, der nie im Leben ein Pferd zu- geritten hat? So denkt Batoshab, der halbwüchsige Burjate, der sich bald als Mann, als Pferdehirt bewähren muß. Ihm vertraut man, als der Krieg alle Wehrfähigen aus dem Steppendorf holt, die Herde an. Jede Nacht bringt er mit ihr auf der Steppe zu. Ein Pferdedieb macht ihm zu schaffen. Seltsame Dinge beobachtet und ahnt er. Eine „Hellseherin“ trägt Verwirrung unter die Dorfleute. Gibt es Zusammenhänge zwischen ihren Prophezeiungen und jenen Soldatenbriefen, die den Empfänger nicht erreichen? Die entlegene Siedlung ist keine Idylle. Die Abwesenheit gereifter Männer läßt insgeheim religiösen Kult auferstehen, dessen betrügerische Initiatoren vom jungen Hirten und seinen Freunden aufgespürt werden. Batoshab muß entscheiden, was Aberglaube, was Realität ist.
Die Begegnung mit einem Deserteur fordert seinen Mut heraus.
Shimbijews schlichte, naturnahe Erzählweise, die Schilderung des Entstehens einer zarten Liebe und nicht zuletzt die sich zuspitzenden Konflikte halten den Leser gefangen. Besonderen poetischen Reiz gewinnt der Band durch seine Bilder vom Leben der zwischen Baikalsee und Mongolei lebenden Burjaten.
Der Roman, die erste größere Veröffentlichung des 1928 in Transbaikalien geborenen Schriftstellers, fußt auf eigenen Erlebnissen.

Buchanfang:
Am Tage...
Schlechte Nachrichten haben Flügel.
„Krieg!“
„Es ist Krieg!“
Über Flüsse und Berge, durch Steppen und Taiga ist die Nachricht von Westen her zu uns ins Baikalgebiet gelangt.
„Krieg!“
„Es ist Krieg!“
Das ganze Gangata-Tal ist in Bewegung geraten. Ich habe als erster diese Nachricht unserer Familie überbracht.
Als ich berichtet habe, drückt Großmutter die flache, altmodische Kappe auf den kurzgeschorenen, wie mit Reif überzogenen weißhaarigen Kopf, nimmt den Rosenkranz mit den beinernen Perlen, die von den Fingern der Urgroßmütter ganz blank geworden sind, und setzt sich auf die Haustreppe. Aber sie betet nicht, sondern brummt wütend: „Das habt ihr von eurem Rumtoben! Ihr müßt ja auch von morgens bis abends mit euern Gewehren rumlaufen! Krieg spielen! Als ob's keine anderen Spiele gäbe! Ich hab gewußt, daß das zu nichts Gutem führt. Jetzt haben wir Krieg, wir werden so viel davon bekommen, daß er uns allen zum Hals raushängen wird ... Jawohl! Jetzt hat's uns erwischt! Ihr seid selber schuld. dran!“
Vor Eifer richtet sie sich sogar ein wenig hoch, wobei sie ihren braunen Sommerkittel, den Terlik, aufrafft.
Ich sage nichts dazu, denn Großmutter ist die Älteste in der Familie und ich der Jüngere, obzwar nicht der Allerjüngste. Ich sage nichts, aber ich weiß, daß die deutschen Flugzeuge ........

Titel der burjatischen Originalausgabe: GAL MOGOI SHEL
Deutsch von Ingeborg Kolinko. nach der russischen Ausgabe

Einbandentwurf: G. Ruth Mossner

Verlag Volk und Welt, Berlin

1. Auflage 1977
[keine weiteren Auflagen]

Klàra Fehèr: Ich bekomme eine Insel

Buchanfang:
Jani möchte mit jemandem sprechen
Es war nachmittags um fünf Uhr.
Vati war noch nicht aus der Fabrik heimgekehrt. Mutti bereitete in der Küche das Abendbrot. Kati, Jutka und Jani saßen im großen Zimmer am Tisch und machten Schularbeiten. Genauer gesagt: nur Kati und Jutka waren in die Schulaufgaben vertieft, Jani dagegen rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
„Jutka, hör mal her...“
Jutka blickte ärgerlich von ihrem Heft auf.
„So sei doch endlich still. Siehst du denn nicht, daß ich rechne? Jetzt habe ich die Aufgabe verpatzt.“
„Kati...“
„Jetzt hast du meine Hand angestoßen, sieh nur, wie meine Zeichnung nun aussieht! Du kriegst gleich Dresche!“ „Ich wollte nur sagen...“, begann Jani von neuem, doch da fuhren ihn die beiden Mädchen wütend an:
„Bleib still und lerne deine Aufgaben!“
„Aber ich wollte doch nur sagen... “
„Ich werf dich sofort raus! “
„Ich sage gleich Mutti Bescheid! “
„Muttiiiii, Jani läßt uns nicht lernen! “
„Muttiiiii, er stört uns schon wieder! “
„Ich störe ja gar nicht, ich wollte bloß sagen, daß... daß... “
Die drei Kinder fingen so laut zu zanken und zu schreien an, daß die Mutter ins Zimmer gelaufen kam.
„Du liebe Güte! Drei Geschwister und können sich nicht vertragen! Was wollt ihr denn von dem Kleinen? Und du, Jani, warum läßt du deine Schwestern nicht lernen? Sieh mal, wie viele Aufgaben sie haben!“
„Ich wollte doch nur mit ihnen sprechen!“
„Wir haben ihm gesagt, er soll seine Schularbeiten machen und nicht quatschen.“
„Ihr quatscht aber immerzu miteinander, nur mit mir wollt ihr nicht reden!“
„Schon gut, Jani, komm mit mir in die Küche! .......“

Titel des Originals: Lesz nekem egy szigetem
Aus dem Ungarischen übertragen von Liane Dira
Mit Zeichnungen von Zsuzsa Demjén

Corvina Verlag, Budapest
Vertrieb nur in der Deutschen Demokratischen Republik

1. Auflage 1975
[keine weiteren Auflagen]

Jan Wornar: Die Lärchengeige

Einband der 1. Auflage (1978)
Buchanfang:
Mitten im Wald, auf einer ruhigen und sonnigen Lichtung, wohnten ein Holzfäller und seine Frau. Als ihnen eines Tages ein Sohn geboren wurde, füllte sich der Hof mit vielen Vögeln aus Wald und Feld. Alle riefen sie: »Schierick, Schierick!« Daher erhielt der Junge den Namen Schierick. Von Kindheit an war Schierick fröhlich und klug. Die Mutter versorgte den Haushalt, und der Vater fuhr in den Wald, um Bäume zu fällen, zu roden und zu pflanzen. Doch auch Schierick war fleißig, half der Mutter im Haus, trug Holz in die Küche und hütete auf der kleinen Wiese vor dem Haus das Schaf und die drei weißen Gänse. Dann legte er sich ins warme, weiche Gras und schaute in den hohen Himmel. Vor seinen Augen türmten sich die Wolken zu schaukelnden Riesen, zu jagenden Pferden und zu dickbäuchigen Geldsäcken.
So verrichtete Schierick tagaus, tagein seine Arbeit, und Vater und Mutter hatten Freude an ihm.
»Die Schimmel, die so lustig dahinbrausen, sind schon wieder da«, sagte der Junge zum Schaf und zu den drei weißen Gänsen. »Seht, dort die Riesen, und dort die prallen Geldsäcke!« rief er und zeigte mit seiner Nase in die Wolken. Das Schaf hörte auf, das Gras zu zupfen, und schaute auch in den Himmel; die Gänse schnatterten, senkten den Kopf zur Seite und schlugen mit den Flügeln. Wirklich! Da galoppierten die fröhlichen schneeweißen Schimmel, tanzten die Riesen und schaukelten die Geldsäcke.
Schierick hatte nicht nur träumende Augen, sondern auch eine Flöte. Die hatte er sich selbst aus einem Lindenast geschnitzt. Er spielte so fröhlich auf der Flöte, daß seine Musik geschwind wie der Wind in alle Richtungen flog. Doch ringsumher war Wald. Auch der sah Schiericks Träume und sang zu der Flöte. So geschah es jeden Tag, und immer wieder .......

Illustrationen und Einband: Gertrud Zucker

Sorbischer Originaltitel: Serikowe huslički
Erscheint auch in sobersorbischer Sprache.


VEB Domowina Verlag, Bautzen

1. Auflage 1978
2. Auflage 1981
3. Auflage 1984

Einband der 2. und 3. Auflage

 

Juhan Saar: Abendmärchen

Dieses kleine Buch verdankt sein Entstehen einem Jungen, der abends durchaus nicht einschlafen wollte. Weder die Liebkosungen der Mutter noch die Ermahnungen des Vaters hatten Erfolg. Schließlich hatte sein Vater einen guten Einfall: er erzählte dem Jungen jeden Abend ein Märchen. Er ersann die Märchen selbst, dachte sie zusammen mit dem Knaben aus und erzählte auch solche, die andere Väter in verschiedenen Ländern von jeher ihren Kindern erzählt haben.
Einige davon haben wir zu den „Abendmärchen“ zusammengestellt.
Falls es euch ebenso geht wie jenem Jungen, so nehmt das Buch zur Hand und lest ein Märchen daraus, oder versucht, euch selbst eins auszudenken. Wir sind sicher, daß ihr dann bald einschlafen und gute Träume haben werdet.


Buchanfang:
DER TAG UND DIE NACHT
Vor vielen, vielen Jahren ging einmal ein Häschen durch einen dichten, dunklen Wald nach Hause. Dieses Häschen hatte weißes Fell, blendend weiß wie der Tag, und daher hatte es auch seinen Namen Lampe.
Das Häschen ging durch den dichten Wald nach Hause, und dabei verirrte es sich. Ringsumher wuchsen hohe Bäume, und alle Pfade endeten unter ihnen in der Finsternis. Müde erreichte das Häschen eine kleine Lichtung am Flußufer. Hier setzte es sich hin und bebte vor Angst am ganzen Leibe. Die Walddämmerung schützte es nur wenig, denn es war ja über und über weiß.
Als es so traurig am Fluß saß, schallte plötzlich ein dumpfer Schrei durch den Wald: „U-hu! U-hu!“
Das Häschen blickte sich um. Aus einem dicken hohlen Baumstamm flog eine Eule hervor. Sie war pechrabenschwarz und gerade aufgewacht, um sich auf die Jagd zu begeben.
„Uhu! Uhu!“ rief die Eule, als sie das blendend weiße Häschen erblickte. Uhu – so hieß die Eule, denn Uhu nannte man damals alles, was schwarz und finster war.
„Sag mal, Uhu, fürchtest du denn nicht die Nacht? Es ist so gruselig in der Finsternis“, sagte das Häschen zur Eule und zitterte dabei, denn – ihr werdet es wohl erraten haben – es handelt sich nicht gerade um das verwegenste Häschen.
„Uhu! Mund zu!“ erwiderte die Eule. Man kann nicht behaupten, daß es die höflichste Eule gewesen wäre, nicht wahr?
„Mir ist nicht wohl in der Dunkelheit!“ schluchzte das Häschen.
„Aber mir ist nicht wohl im Licht!“ rief die Eule. „Mir scheint, du bist ein dummer Hase!“ .....

Inhalt:
Der Tag und die Nacht. Ein Märchen aus Afrika ..... 5
Die weisen Sterne. Erzählt vom Mondonkel ..... 10
Warum die Hähne des Morgens krähen. Ein Märchen aus Madagaskar ..... 13
Der Feuerriese. Ein Indianermärchen ..... 15
Herbstwanderung. Ein Märchen, vom schlummernden Herbstwind erzählt ..... 20
Der traurige Mond. Ein Märchen, von den Sternen aufgeschrieben ..... 25
Der singende Esel und das tanzende Kamel. Ein kaukasisches Märchen ..... 28
Ein verdrießlicher Sonntag. Ein Märchen für tschechische Kinder ..... 30
Das faule Sandmännchen. Ein zweites Märchen für tschechische Kinder ..... 34
Der Taschenlöwe. Ein deutsches Märchen ..... 39
Das Märchen von der Maus, von ihrem Schwanz, von der Katze und anderen. Ein englisches Märchen ..... 47
Auf der Suche nach Träumen. Erzählt von Märt selbst ..... 50
Wie der Tausendfüßler schlafen geht. Ein weitverbreitetes Märchen ..... 54
Das Wiegenlied. Von der Gitarre gesungen ..... 57

Illustrationen Jutta Maisaar
Übersetzung aus dem Estnischen von Helga Vüra

Verlag Perioodika Tallinn

1. Auflage 1971 [Verlag Eesti Raamat, Tallinn]
2. Auflage 1974
3. Auflage 1978
4. Auflage 1981
5. neubearb. Auflage 1988
6. Auflage 1988 

Einband der 5. und 6. Auflage
Illustrationen von Kaisa Puustak

 

28 Dezember 2023

Gebrüder Grimm: Die goldene Gans

ES WAR EIN MANN, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt.
Es geschah, daß der älteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit, damit er nicht Hunger und Durst litte. Als er in den Wald kam, begegnete ihm ein altes graues Männlein, das bot ihm einen guten Tag und sprach: „Gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche, und laß mich einen Schluck von deinem Wein trinken, ich bin so hungrig und durstig.“ Der kluge Sohn aber antwortete: „Geb ich dir meinen Kuchen und meinen Wein, so hab ich selber nichts, pack dich deiner Wege“, ließ das Männlein stehen und ging fort. Als er nun anfing, einen Baum zu behauen, dauerte es nicht lange, so hieb er fehl, und die Axt fuhr ihm in den Arm, daß er mußte heimgehen und sich verbinden lassen. Das war aber von dem grauen Männchen gekommen.
Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, und die Mutter gab ihm, wie dem ältesten, einen Eierkuchen und eine Flasche Wein. Dem begegnete gleichfalls das alte graue Männchen und hielt um ein Stück Kuchen und einen Trunk Wein an. Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig: „Was ich dir gebe, das geht mir selber ab, pack dich deiner Wege“, ließ das Männlein stehen und ging fort. Die Strafe blieb nicht aus, als er ein paar Hiebe am Baum getan, hieb er sich ins Bein, daß er mußte nach Hause getragen werden. Da sagte der Dumming: „Vater, laß mich einmal hinausgehen und Holz hauen.“ Antwortete der Vater: „Deine Brüder haben sich Schaden dabei getan, laß du davon, du verstehst nichts davon.“ Der Dummling aber bat so lange, bis der Vater endlich sagte: „Geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden.“ Die Mutter gab ihm einen Kuchen, der war mit Wasser in der Asche gebacken, und dazu eine Flasche saures Bier.
Als er in den Wald kam, begegnete ihm gleichfalls das alte graue Männchen, grüßte ihn und sprach: „Gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig.“
Antwortete der Dummling: „Ich habe aber nur Aschenkuchen und saures Bier, wenn dir dast recht ist, so wollen wir uns setzen und essen.“ Da setzten sie sich, und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, so war's ein feiner Eierkuchen, und das saure Bier war ein guter Wein. Nun aßen und tranken sie, und danach sprach das Männlein: „Weil du ein gutes Herz hast und von dem Deinigen gerne mitteilst, so will ich dir Glück bescheren. Dort steht ein alter Baum, den hau ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden.“ .
Darauf nahm das Männlein Abschied
Der Dummling ging hin und hieb den Baum um, und wie er fiel, saß in den Wurzeln eine Gans, die hatte Federn von reinem Gold. Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirtshaus, da wollte er übernachten. Der Wirt hatte aber drei Töchter, die sahen die Gans, waren neugierig, was das für ein wunderlicher Vogel wäre, und hätten gar gerne eine von seinen goldenen Federn gehabt. Die älteste dachte, es wird sich schon eine Gelegenheit finden, wo ich mir eine Feder ausziehen kann – und als der Dummling einmal hinausgegangen war, faßte sie die Gans beim Flügel, aber Finger und Hand blieben ihr daran fest hängen.

Illustrationen von Rainer Sacher

Für Kinder von 4 Jahren an

Verlag Karl Nitzsche, Niederwiesa

1. Auflage 1980
2. Auflage 1983
3. Auflage 1985

Frederick Marryat: Peter Simpel

Peter Simpel, Familiengimpel und schwarzes Schaf, wird zur Marine abgeschoben, wie es zur damaligen Zeit üblich war. Er beginnt als Midshipman (Seekadett) auf der Fregatte DIOMED und besteht aufregende Abenteuer, wozu der englisch-französische Kaperkrieg im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert ausreichend Gelegenheit gibt. Aus dem behüteten Jüngling wird ein aufrechter Mann, der französisches Kanonenfeuer ebenso wenig scheut wie einen mutigen Preßgang an Land. Seine Vorgesetzten mögen und schätzen seine offene Art und vertrauen ihm auch heikle und gefährliche Aufgaben an.
Eines Tages gerät er mit seinem Freund O'Brien in französische Gefangenschaft, die er aber gut übersteht, weil er die Bekanntschaft von Celeste macht, der Tochter des Obersten O'Brien, der, wie sein Freund gleichen Namens, ebenfalls aus Irland ist, jedoch auf Seiten der Franzosen kämpft. Peter verliebt sich in das hübsche Mädchen. Jahre später sieht er sie wieder: auf einem Schiff, das er für seine Flagge entert. Die alte Liebe entzündet sich aufs neue, und Peter weiß, er wird nie mehr von Celeste lassen.
Doch bis dahin muß er noch einige Abenteuer bestehen. Zudem wird auch ein Kriegsgericht gegen ihn einberufen, das ihn vom aktiven Dienst entläßt. Das ist ein schwerer Schlag für den jungen und ehrgeizigen Offizier. Aber das Glück ist Peter geneigt, er wird Postkapitän, nimmt Celeste zur Frau und erbt von seinem Großvater den Titel eines Lord Privilege.

Illustrationen von Gerhard Goßmann

Übersetzung aus dem Englischen von Ruth Gerull
Originaltitel: Peter Simple

Für Leser von 12 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1981
2. Auflage 1982
3. Auflage 1983
4. Auflage 1985
5. Auflage 1986
6. Auflage 1987

Gebrüder Grimm: Dornröschen


Vorzeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!“ und kriegten immer keins. Da trug sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, daß ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch und zu ihr sprach: „Dein Wunsch wird erfüllt werden; ehe ein Jahr vergeht, wirst du eine Tochter zur Welt bringen.“
Was der Frosch gesagt hatte, das geschah, und die Königin gebar ein Mädchen, das war so schön, daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kind hold und gewogen wären.

Illustrationen Regine Grube-Heinecke

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1965
2. Auflage 1966
3. Auflage 1967
4. Auflage 1968
5. Auflage 1974
6. Auflage 1976
7. Auflage 1977
8. Auflage 1978

27 Dezember 2023

Siegfried Hamsch: Im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter

Buchanfang:
Die ersten Blumen
Jeder kennt die bunte Blumenpracht des Sommers. Da blüht es überall in unseren Gärten, und auch auf den Wiesen wechseln sich ständig blühende Pflanzen ab.
Interessant ist, daß manche Blumen bereits im Winter ihre Blüten entfalten. Sicher denkt jeder dabei an das Schneeglöckchen, das Ende Februar, bestimmt aber im März seine weißen Blütenglocken zeigt.
Wie ist es möglich, daß das Schneeglöckchen bereits in dieser kalten Jahreszeit seine Blüten öffnen kann? In einer Zwiebel sind Nährstoffe gespeichert, und sobald die ersten Sonnenstrahlen den Boden etwas erwärmen, stoßen die grünen Spitzen, von einem Hüllblatt geschützt, durch die meist noch gefrorene Erde.
Die Blüte, mit ihren drei langen und drei kurzen Kronblättern, ist nur bei schönem, sonnigem Wetter geöffnet; regnet oder schneit es, schließt sie sich wieder. So wird das Blüteninnere mit dem feinen Blütenstaub vor Nässe geschützt.

Illustrationen Albrecht von Bodecker

Für Leser von 8 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1974
2. Auflage 1977
3. Auflage 1978

Hartmut Brücher: Das Tangeltingel


Der Morgenwind schleifte graue Wolken über die Wiese, und die Wolken versprühten Wassertröpfchen. Litka stelzte durch das nasse Gras. Mürrisch schaute sie auf ihre Füße. Die Sandalen scheuerten, und Wasser quietschte zwischen den Zehen. Sie lief zum Schuppen, hockte sich unter das Teerdach und starrte in den Nieselregen.

Illustrationen Manfred Bofinger

Für Kinder ab 5 Jahren

Kinderbuchverlag Berlin 1976

1. Auflage 1976
2. Auflage 1977
3. Auflage 1978
 

Gottfried Herold: Männer mit großen Ohren


Uwe kann sehr gut singen.
„Wie ein Opernsänger!“ behauptet Peggy. „Kein Wunder!“ spottet Dirk. „Wenn man so große Ohren hat, hört man jeden Ton genauer und singt nie falsch.“ Da lachen die anderen Jungen der Klasse 2a und lassen Uwe einfach stehen.

Illustrationen Bernhard Nast

Der Kinderbuchverlag, Berlin
ABC Ich kann lesen
Für Leser von 6 Jahren an

1. Auflage 1974
2. Auflage 1976
3. Auflage 1977
4. Auflage 1980
5. Auflage 1983
6. Auflage 1986

fremdsprachige Ausgaben:
(poln.) 1977 bei: : Nasza Ksiegarnia, Warszawa


26 Dezember 2023

Werner Heiduczek: Jana und der kleine Stern


Es war einmal ein kleines Mädchen, das hieß Jana. Und es war einmal ein kleiner Stern, der hatte keinen Namen. Jeden Abend, wenn das Mädchen schlafen ging, blickte er durch ihr Fenster. Und sie sagte: „Gute Nacht, kleiner Stern.“ Und er zwinkerte ihr mit den Augen zu.

Illustrationen Karl-Heinz Appelmann

Für Leser von 6 Jahren an


Der Kinderbuchverlag, Berlin
ABC Ich kann lesen

1. Auflage 1968
2. Auflage 1969
3. Auflage 1971
4. Auflage 1972
5. Auflage 1973
6. Auflage 1974
7. Auflage 1975
8. Auflage 1976
9. Auflage 1977
10. Auflage 1979
11. Auflage 1982
12. Auflage 1986
13. Auflage 1988


 

auch erschienen bei:
Leiv, Leipzig
1. Auflage 1994

DZB, Leipzig
[Blindenduck., Kurzschrift.] / [Blindendruck, Vollschrift]
1. Auflage 1996

fremdsprachige Ausgaben
(dän.) 1970 bei: Høst, København
(finn.) 1970 bei: Weilin + Göös, Helsinki
(poln.) 1976 bei: Nasza Ksiegarnia, Warszawa
(span.) 1976 u. 1977 bei: Instituto Cubano del Libro und Editorial Gente Nueva,  [La Habana]


24 Dezember 2023

Klaus Nitzsche: Gift im Blut

363 000 junge Frauen sind dem Kindbettfieber in einem Zeitraum von 60 Jahren zum Opfer gefallen, das sind mehr, als die Cholera- und Pockenepidemien des gleicher Zeitraums forderten Ignaz Semmelweis kennt diese Zahlen, er hat entdeckt, daß Wundinfektion die Ursache des Kindbettfiebers ist. Aber seine Lehre wird nicht anerkannt das Sterben geht weiter. Der Autor schildert den Kampf um die Durchsetzung der Lehre von der Aseptik, in dessen Mittelpunkt der Arzt Semmelweis und der Chirurg Lister stehen. Unabhängig von Semmelweis und ohne dessen Forschungsarbeit zu kennen, sucht er nach den Ursachen des Wund-Gebers und kommt zu ähnlichen Erkenntnissen.

Illustrationen Renate Jessel

Der Kinderbuchverlag, Berlin
Robinsons billige Bücher / Nr. 161

Robinsons billige Bücher
1. Auflage 1970
2. Auflage 1973

weitere Ausgaben im Kinderbuchverlag
Auflage 1985
Auflage 1986
Auflage 1987

Cover der Ausgabe 1985 und 1986

Cover der Taschenbuchausgabe 1987

23 Dezember 2023

Ilse Bongardt (Hrsg.): Da kam an der Menschen Licht – Ein Buch zur Weihnacht


„Da kam an der Menschen Licht ...“: Die beispiellose Botschaft von der Geburt Jesu Christi, wie sie um 830 in dieser Verszeile des „Heliand“ Wort und Klang gewann, hat zu allen Zeiten seit der Verkündigung an die Hirten auf dem Felde bei Bethlehem stets aufs neue auch Dichter und bildende Künstler bewegt. In Jubel und Lobpreis, in Mahnung und Ermutigung, in ringendem Zweifel oder in glaubensstarker Zuversicht haben sie die Weihnachtsbotschaft weitergetragen und auf ihre Welt und Zeit bezogen, was der Engel kundtat: „Fürchtet Euch nicht!" ... „Und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Unser Buch zur Weihnacht vereint Textbeiträge aus mehr als einem Jahrtausend, vom „Heliand“ und dem „Arnsteiner Mariengebet“ bis zu Gedichten, Erzählungen und essayistischen Skizzen unserer Tage. Unter den Autoren, gebürtig aus vielen europäischen Ländern, finden sich namhafte Dichter vergangener Jahrhunderte wie Luther, Simon Dach, Novalis, Brentano, Rilke, Dostojewski und Jessenin, und unter den Bildkünstlern begegnen dem Betrachter mit faszinierenden Werkausschnitten zum Beispiel Tilman Riemenschneider, Lucas Cranach d. A., Antonio Rosselino und ein Meister der Umbrischen Schule.
So breit gefächert indes auch erfaßt sein mag. was Repräsentanten des Erbes der Weihnachtsbotschaft und ihrer Leuchtkraft in Wort, Farbe und Kontur abgewannen – dominierend in der vorliegenden Sammlung sind Texte und Grafiken von Künstlern unseres Jahrhunderts. Fern jeder Unverbindlichkeit, nahe den verpflichtenden Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen in jüngster Vergangenheit und Gegenwart, suchen sie zu erhellen, was Weihnacht heute bedeutet oder bedeuten sollte und zu welchem Ziel und Handeln es jeden herausfordert und begabt, dem die Verkündigung über zwei Jahrtausende hin lebendige Botschaft ist und bleibt. Allein 35 DDR-Autoren kommen zu Wort, unter ihnen Johannes Bobrowski, Bertolt Brecht, Hanns Cibulka, Louis Fürnberg, Uwe Grüning, Christa Johannsen, Hanna-Heide Kraze, Renate Krüger, Dietrich Mendt, Anneliese Probst, Tine Schulze Gerlach und Gottfried Unterdörfer. Schätzenswert sind die zumeist kritisch geprägten Beiträge solcher Schriftsteller aus der BRD wie Albrecht Goes, Manfred Hausmann oder Siegfried Lenz. Und reichhaltiger als bisherige Anthologien gleicher Thematik bietet unsere Sammlung Proben aus dem Erbe und aus der zeitgenössischen Literatur der sozialistischen Freundesländer: so aus der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, der CSSR, der Ungarischen Volksrepublik, der Volksrepublik Bulgarien, der Sozialistischen Republik Rumänien und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.
Bereichert wird das Buch zur Weihnacht durch 24 Bildtafeln – acht von ihnen in farbiger Wiedergabe – und durch 20 Grafiken, die Künstler der DDR geschaffen haben.

Buchanfang:
Albrecht Goes
Weihnachten in der Dichtung

Wer die Bezirke der Malerei und der Musik nach weihnachtlichem Gut durchforscht, sieht sich in jeder Epoche der abendländischen Geschichte einer Fülle gegenüber: vom frühmittelalterlichen Altarbild bis zu Martin Schongauer und von da bis zur Gegenwart, von „Es ist ein Ros entsprungen“ bis zu Hugo Wolfs „Schlafendem Jesuskind“, und weiter bis zu Hugo Distler geht es treppauf und treppab. Im Bereich der Dichtung aber will uns ein so verschwenderisches Glück nicht zuteil werden. Woher kommt das? Die Sprache ist ein gestrenger Herr, unter den Herren der Kunst der strengste. Zu keiner Zeit kann es die dichterische Aussage mit der Flunkerei halten, auch nicht mit dem schönen Ungefähr; noch im träumerischsten Gebilde ist es ihre Würde und ihr Anspruch, genau zu sein: in dem Maß, in dem sie auf diese Genauigkeit verzichtet, verliert sie an Substanz und Glaubwürdigkeit. Weihnachten nun ist, bei Licht betrachtet, nicht vielerlei, sondern eines: nämlich die Verkündigung der Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem. Es ist das Mysterium, welches die Christenheit aller Sprachen und Konfessionen gemeinsam kniend verehrt: „O Bündnis des Lebens mit unserem Tod!“ Dies ist die Mitte. Weihnachten in der Dichtung umkreist diese Mitte in mancherlei Nähe und mehr noch in mancherlei Ferne.
Im innersten Kreis steht das Weihnachtsevangelium selbst, der heilige Text aus Lukas, Kapitel 2, auf uns gekommen in Martin Luthers Verdeutschung: ein höchstes Stück Dichtung als Verkündigung. Unvergeßlich und unverwechselbar in der Einfalt des Anbeginns: „Es begab sich aber ...“, ein Gebilde voll inniger Musik und voll Lautmalerei: „... denn euch ist heute der Heiland geboren.“
Weniges nur darf in die unmittelbare Nähe dieses Grundtextes der Weihnacht treten. Vielleicht das Gespräch des Kirchenvaters Hieronymus aus dem fünften Jahrhundert, vielleicht aus der ältesten deutschen Dichtung die Strophe, die anhebt:
     Er ist gewaltig und stark,
     Der zur Weihnacht geboren ward.
     Das ist der heilige Christ,
     Ja, lobt ihn, alles, was da ist!
Gewiß dann das Lied Luthers, am Christtag zu singen: „Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein'n neuen Schein.“ ......

Inhalt:
   5   Albrecht Goes: Weihnachten in der Dichtung
   7   Aus dem „Heliand": Da kam an der Menschen Licht
   9   Uwe Seidel: Der große Lobpreis
 11   Karl Bongardt: Verkündigung
 12   Gertrud von Le Fort: Advent
 12   Novalis: Wo bleibst du Trost...
 14   Renate Krüger: Geformtes und Erfaßtes
 19   Simon Dach: Ein großes Licht
 21   Dagmar Nick: Christi Geburt
 22   Jan Dobraczyński: Das Brot der Heiligen Nacht
 26   Jobann Heermann: Am Tage der Heimsuchung Mariae
 27   Klaus-Peter Hertzsch: Die verborgene Geschichte der Alltäglichkeiten
 30   Joachim Dachsel: Persona Dei
 31   Nikolai Tichonow: Ein neuer Mensch
 34   Manfred Hausmann: Heilige Nacht
 35   Antwort Mariae auf den Gruß der Engel
 36   Rainer Maria Rilke: Brief an seine Mutter Phia Rilke
 37   Manfred Haustein: Kind von Bethlehem
 40   Stanislav Labodný: Bethlehemer Apokryph
 43   Bertolt Brecht: Maria
 45   Georg von Gynz-Rekowski: Es kommt ein Schiff... 46 Es kommt ein Schiff ...
 47   Siegfried Berger: Der Helfer der Hirten
 51   Martin Luther: Christlied
 52   Louis Fürnberg: Die laute Nacht zu Bethlehem
 58   Elin Pelin: Der Esel von Bethlehem
 61   Friedrich von Bodelschwingh: Das Wort der Weihnacht
 63   Lucian Blaga: Weihnachtslied für Dorli
 63   Wolfgang Fietkau: Geburt in Bethlehem
 68   Arnsteiner Mariengebet
 70   Clemens Brentano: Wiegenlied
 71   Artbur Konrad Haumann: Den die Hirten lobeten sehre..."
 74   Auf, auf nun, ihr Hirten
 75   Gábor Tburzó: Der verspätete Hirt
 81   Christoph Eisenbuth: Bethlehem
 81   Martin Zeim: Weihnachten was soll's?
 85   Sergei Jessenin: O Mutter Gottes
 86   Jeban le Poure Moyne: Zwischen Ochs und Esel
 89   Friedrich Spee: Ein kurz poetisch Christgedicht vom Ochs und Eselein bei der Krippen
 90   Marianne von Willemer: Weihnachtlicher Briefwechsel
 93   Frau Rat Goethe: Brief an Luise von Göchhausen
 94   Tine Schulze Gerlach: Als Großmutter aus allen Himmeln kam
 99   Eduard Mörike: Der Liebsten zum Heiligen Christ 1829
100  Christa Jobannsen: Unterwegs bis zum Ende dieser Nacht 108 Götz Doye: Hirten auf dem Feld
108  József Vámos: Ich liebe den weißen Christus nicht
110  Jürgen Henkys: Ich bin ein Gast gewesen
111  Siegfried Leng: Risiko für Weihnachtsmänner
115  Wolfgang Sachse: Gestern und in Ewigkeit
117  Eduard Petiška: O du fröhliche...
123  Zdeněk Svoboda: Poesie der Weihnacht
125  Josef Reding: Mister Larrybees Leuchtturm
131  Colinda (Weihnachtslied)
132  Fjodor Michailowitsch Dostojewski: Der Junge beim Herrn Jesus zur Weihnacht
138  Gottfried Unterdorfer: Die Hirten
139  Gottfried Hänisch: Offener Brief an einen unbekannten Hirten
142  Martha Weber: Rettendes Licht
143  Margareta Meley-Fiebig: Der Hirt
154  Jochen Klepper: Kriegs-Weihnachtsurlaub / Abendmahlslied zu Weihnachten
157  Hanns Cibulka: Christfest in K
160  Kazimiera Illakowiczówna: Eiapopeia
161  Fred Reinke: Der Engel Jadwinia
164  Angelus Silesius: Spruch
164  Borisav Stanković: Unser Weihnachtsfest
171  Rub Schaumann: Die drei Weisen
173  Johannes Bobrowski: Unordnung bei Klapat
176  Wladyslaw Orkan: Heiligabend
182  Werner Bergengruen: Kaschubisches Weihnachtslied
183  Gudrun Skulski: Von Pfefferkuchen, Marzipan und Modeln
187  Ria Zenker: Im ovalen Rahmen
190  Joachim Lehmann: Lange Reise
192  Barbara Faensen: Als es um Mitternacht klingelte...
196  Maria im Kloster
197  Barbara Augustin: Antonella und ihr Weihnachtsmann
202  Hanna-Heide Kraze: La petite madame
204  Paul Gerhardt: Ich steh an deiner Krippen hier
207  Anneliese Probst: Die Puppe Alice
212  Lieb Nachtigall wach auf!
213  Dietrich Mendt: Das fehlende Ohrläppchen
217  Hubert Gerlach: Die bunte Frau
220  Adelheid Christoph: Die Botschaft
222  Norbert Buske: Sterndeuter
227  Uwe Grüning:... denn wir haben seinen Stern gesehen
228  Peter Rietschel: Die drei Könige
231  Kurt Marti: Flucht der Heiligen Familie
231  Felix Timmermans: Das Triptychon von den Heiligen Drei Königen
237  Reinhold Schneider: Fest der Erscheinung des Herrn
238  Die Autoren
241  Die Grafiken
242  Die einfarbigen Bildtafeln
243  Die Farbtafeln
244  Quellenverzeichnis

Union Verlag, Berlin

1. Auflage 1979
2. Auflage 1983

22 Dezember 2023

Harald Korall: Die Tote an der Waisenhausmauer – Sieben Kriminalfälle

 »Tatsächliche Verbrechensvorgänge machen betroffener als erfundene, wirkliche Täter bestürzen mehr als erdachte. Und die Beschreibungen ihrer Handlungen und Motive sind alles andere als ausgeklügelte Denkspiele«, schreibt Harald Korall in den Vorbemerkungen zu diesem Band.
Sieben authentischen Kriminalfällen aus vier Jahrzehnten ist der Autor nachgegangen, hat aus Täterbefragungen und Zeugenaussagen, aus Gerichtsgutachten und Protokollen, aber auch mit erzählerischer Phantasie die Fälle rekonstruiert – wie es war oder doch hätte gewesen sein können, wie es hatte dahin kommen können, daß ein junger Mann seine Freundin tötete, daß eine Studentin Opfer eines Sexualverbrechens wurde, eine geschätzte Buchhalterin als Rentnerin raffinierte Betrugsmanöver gestehen mußte, ein Kind eines gewaltsamen Todes starb ...
Tatsächliche Verbrechensvorgänge machen betroffen die Betroffenheit des Autors teilt sich dem Leser mit.
» ... Einfühlung ist im Spiel, Lebens- und vor allem Sachkenntnis, die durch Fakten aus den Polizeiakten und Recherchen an den Schauplätzen erhärtet wird; auch mit den Emotionen, Fragen und Urteilen dessen, der da erzählt, wird nicht hinterm Berge gehalten.
Keinen Moment lang hatte ich den Eindruck, einen der üblichen Kriminalberichte zu lesen, in denen sich der Verfasser sozusagen zum publizierenden Staatsanwalt aufwirft und noch einmal alle Momente kommentiert, die zur Verurteilung des Schuldigen führten. In Koralls Texten waltet eine andere Darstellungsstrategie. Er weiß und gibt das an einer Stelle auch zu erkennen, daß die Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Gerichtsprozeß nur einen Ausschnitt aus den komplexen Zusammenhängen erfassen können, die bei einem Verbrechen gewirkt haben.«
(Reinhard Hillich in »ndl« über »Die Tote an der Waisenhausmauer« von Harald Korall)

Einige Sätze zuvor
Tatsächliche Verbrechensvorgänge machen betroffener als erfundene, wirkliche Täter bestürzen mehr als er- dachte, und die Beschreibungen ihrer Handlungen und Motive sind wohl alles andere als kunstvoll erklügelte Denkspiele. Kriminalfälle, so gesehen, so dargestellt, sind gewiß nicht Teil der Unterhaltungsbranche, sondern haben ihre Chance auf Realismus. Indem sie Grenzfälle unserer Wirklichkeit ins Bild bringen, können sie präzise von sozialen Gegebenheiten und Prozessen erzählen, von Erreichtem und Zurückgebliebenem. (Daß Kriminalfälle aus vier Jahrzehnten zugleich einen Wandel in manchen Verbrechensarten und Tatmotiven wie in den Rechtsauffassungen und -praktiken zu dokumentieren vermögen, können die vorgeführten Geschichten vielleicht wenigstens andeuten.)
Jedenfalls sind die folgenden Texte im Zusammenhang mit solchen Überlegungen entstanden. Die Namen der Personen sind nie, die Örtlichkeiten selten exakt genannt. Die Gründe dafür werden sich beim Lesen finden lassen! Wo das authentische Material nicht ausreichte, ist die Phantasie bemüht worden (insbesondere beim »Feinen Herrn«). Im Grunde ist sie, im Rahmen der durch die wirklichen Vorgänge abgesteckten Grenzen, wohl immer im Spiel.
Ich danke besonders dem früh verstorbenen damaligen Bezirksstaatsanwalt Dr. Trautmann, Halle, mit dessen Unterstützung mir die Mehrzahl der Fälle auch aus den Akten zugänglich wurde.
H. K.

Inhalt:
Einige Sätze zuvor ..... 3
Zwei Pferde ..... 4
Die Apostelbrücke ..... 13
Reisendes Volk ..... 31
Ein feiner Herr ..... 79
Die Tote an der Waisenhausmauer ..... 143
Großmutter, warum machst du so große Augen ..... 213
Das Kind im Koffer ..... 243

Einband: Erhard Grüttner

Mitteldeutscher Verlag, Halle-Leipzig

1. Auflage 1984
2. Auflage 1986
3. Auflage 1988
4. Auflage 1990

21 Dezember 2023

Erich Weinert: Die juckt es wieder – Ein Vortragsbuch mit hundert Gedichten und drei Aufsätzen

DIE JUCKT ES WIEDER...!

Paradegetrommel! Faschistengekrüchz'!
Heil unsrer Panzerkreuzermarine!
Nur Krieg kann uns retten! Augen rechts!
Im Krieg gibt es keine Arbeitslosen!

Wir haben alle nur einen Haß:
Den Bolschewiken! Volk, dreh Granaten!
Flieger, ahoi! Setzt den Feind unter Gas!
Kauft Gasmasken! Billigste Monatsraten!

Schon brüllt wieder jeder Etappenhengst:
Die rote Lawine kommt ins Rollen!
Die Kultur ist bedroht! Wir hätten schon längst
Den Bolschewiken eins auswischen sollen! – – –

Die juckt es wieder! Die schäumen wie Sekt!
Denn Krieg bringt Arbeit und Geld auf die Banken!
Und wenn das Volk im Kommißrock steckt,
Dann kommt es mal wieder auf andre Gedanken!

Das könnt ihr Kadetten ja mal probieren!
Ihr werdet ein blaues Wunder sehn!
Gebt ihm nur Waffen, das Volk wird marschieren!
Begeistert! Es fragt sich nur, gegen wen?

1931

Einbandentwurf: John Heartfield, unter Verwendung von Karikaturskizzen Erich Weinerts

Verlag Volk und Welt, Berlin

1. Auflage 1963
2. Auflage 1964

Jorge Amado: Das Land der goldenen Früchte

Vor ihm liegt das Meer, unaufhörlich branden die Wellen gegen den Strand. Carlos Zude vernimmt in seinen von Berechnungen und Spekulationen erfüllten Nächten dieses ewige Rauschen. Manchmal schweifen seine Gedanken ab, zu den riesigen Kakaoplantagen, die einsam und still hinter dem Fluß und den Hügeln liegen. Carlos Zude kennt sie kaum. Er besucht sie nur, wenn deren Besitzer ihn als Freund und Kunden zu einer Hochzeit oder Kindtaufe einladen. Und jedesmal bestaunt er mit den Augen des Städters die ungeheure Weite der Pflanzungen, wo Baum an Baum goldene Früchte trägt, die den Reichtum des Landes bedeuten. An solchen Tagen kommt er sich klein und vergänglich vor, ohne tiefere Bindung an diesen Boden. Er, der Geschäftsmann und Exporteur, ist in der Welt des Kakaos lediglich ein Vermittler, angewiesen auf die Gunst der Plantagenbesitzer. Er hat hier erst spät Fuß gefaßt, doch will er selber Wurzeln schlagen in dieser schwarzen, fruchtbaren Erde, will er selber Plantagen besitzen. Und er faßt einen Plan.
Fast über Nacht erzielt der Kakao – recht unerklärlich für viele – märchenhafte Preise. Ilhéus, die Metropole der Region, verwandelt sich in einen Ort bedenkenloser Verschwendung. Mit vollen Händen geben die Pflanzer ihr Geld aus. Carlos Zude aber rechnet, spinnt seine Netze, um reiche Ernte zu halten, wenn für seine Kontrahenten der Tag des bösen Erwachens gekommen ist. Mit der Sachlichkeit und verhaltenen Leidenschaft des Chronisten schildert Jorge Amado in diesem Roman den gesellschaftlichen Umbruch in einer der fruchtbarsten Regionen Brasiliens. Das bereits in „Kakao“ gestaltete Epos der heroischen Landnahme verkehrt sich hier zur tragikomischen Farce.

Schutzumschlag: Werner Klemke

Ausgewählte Werke in Einzelausgaben

Titel der brasilianischen Originalausgabe: São Jorge dos Ilhéos
Aus dem Portugiesischen von Roland Erb

Verlag Volk und Welt, Berlin

in der Neuübersetzung aus dem Portugiesischen von Roland Erb
1. Auflage 1978

in der Übersetzung von Herbert Bräuning
nach der französischen Ausgabe „La Terre aux Fruits d´Or“

1. Auflage 1953
2. Auflage 1953
3. Auflage 1955
4. Auflage 1957
5. Auflage 1962

auch erschienen als:
Roman-Zeitung ; 1952, Nr 11 = 41
1. Auflage 1952  

Elke Willkomm: Das Mirakel von Bernsdorf

Sie erkennen ihn nicht auf den ersten Blick, die von Bernsdorf, als Michel Marten, Offizier der Armee Bonapartes, am Weihnachtsabend 1807 ihren Salon betritt. Vor Jahren war er der Gefährte der Bernsdorf-Kinder, er, der Enkel des Dorfpfarrers und illegitime Sohn des Barons. Er entfloh jedoch der Perspektive, Dorfschulmeister zu werden, und schlug sich auf den Spuren seines „eigentlichen“ Vaters Heinrich Marten an die Seite der französischen Jakobiner durch. Er erlebte alle Höhen und Tiefen der Revolution, folgte Heinrich Marten aber nicht unter die Anhänger Babeufs, weil er ahnte, dass sich die Hoffnung auf das Bonheur Commune – das Glück des Volkes – nicht erfüllen würde. Er leidet unter seiner Inkonsequenz, vor allem, als er in seiner Heimat alte Freunde wiedertrifft, darunter Henriette von Bülow, die er liebte und die sich wie er von der Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit begeistern ließ. Sie, jetzt die Frau eines geachteten preußischen Beamten, sieht durch Michels Erscheinen ihre Hoffnung auf Veränderungen neu belebt. Michel gewinnt das Vertrauen seiner Landsleute, als er bereit ist, für ihre Interessen gegenüber dem Baron einzustehen. Doch an der Spitze der Bauernerhebung macht er sich eines Vergehens gegen Befehle seines Generals schuldig, und alle wissen, dass nur ein Wunder ihn vor dem Tod retten kann.

Eintragung im Kirchenbuch zu Bernsdorf (Königreich Preußen) vom 27. 12. 1807:
Ein Wunder ließ Gott geschehen in einer wunderarmen Zeit. Am heutigen 27. Dezember des Jahres 1807 geschah an uns allen und besonders an dem hierselbst anno 1773 geborenen Michael Jakob Mathias Marten ein Wunder Gottes.
Besagter Marten, der auf Befehl der französischen Militärbehörde am heutigen Abend acht Uhr durch Erschießen vom Leben zum Tode gebracht werden sollte, wurde am heutigen Vormittag, während die Gemeinde vollzählig in der Kirche versammelt war und von Gott ein Wunder erflehte, von einem Engel gen Himmel getragen, derart, daß in der fest verschlossenen Kammer nichts von ihm zurückblieb als seine Kleider und Stiefel, die in der gleichen Anordnung, wie er sie getragen, auf dem Strohsack liegend vorgefunden wurden. Der Herr hat uns ein Zeichen gegeben, ein sichtbares Zeichen. Wir werden uns seiner Gnade würdig erweisen. Amen.
Pfarrer zu Bernsdorf, Emanuel Kienast

Einband und Schutzumschlag von Hans-Georg Gerasch
 
Verlag Neues Leben, Berlin

1. Auflage 1977
2. Auflage 1978
3. Auflage 1979
4. Auflage 1982

Volker Braun: Hinze-Kunze-Roman

Klappentext:
– Hinze und Kunze – sie sind also ein Paar. Aber ein ungleiches.
– Ja, darauf legen sie Wert.
– Nach dem Sprichwort und dem Sozialismus sollten sie aber gleiche sein.
– Ja, nach – und nach.
– Sie machen uns nichts vor ...
– Das ist kein belletristischer Roman.
– Was hält sie aber zusammen?
– Ich beschreibe es: ich begreife es nicht –
– Sind sie Herr und Knecht?
– O nein, das wollen sie nicht sein. Das darf nicht sein ...
– Das ist das Neue, wie. Sie drängen sich in ihre Rollen, liebend gern.
– Das ist das Erotische an ihrem Verhält- nis.
– Willst du dich über sie lustig machen?
– Ich doch nicht... Die reiten durch die preußische Prärie. Sie halten sich am Stricke. Ich faß mit zu ... ich bin auch Herr und Knecht. – Ich wollte es lustig machen.
– In der leichtesten Weise unserer Existenz, der Kunst.
– Die leichteste? sie hat auch ihre Schwierigkeit, sie reitet eigne Wege. Sie folgt dem Leben nicht direkt; man muß um die Ecke lesen.
– Um die Ecken und Kanten, Hinze redet -
– Er redet was Redliches, ja ...
– Wer nimmt dir das ab?
– Bei dem Bemühen um exportfreundliche Produkte ... Aber ich bin nicht auf der Linie. Den Spaß kaufen nur Kommunisten ab.
– Apropos: was ist mit Kunze los? Sucht er seinen Spaß? Ist er ein Schwein? Oder ist er krank?
– Ja, was sucht er bei den Frauen? Es ist eine Sucht, eine Sehnsucht, eine Gier ... die der Dienst nicht stillt. Und doch ist es das beste Gefühl – oder für mich, als ich schrieb. Oder habe ich dieselbe Krankheit ... Was suche ich denn? Was ist los mit mir?
– Hier müssen wir...
– Ja was?
– Hier müssen wir abbrechen.
– Nein, müssen, was. Sprich weiter, ich bin im Text.

...  schöngeistige Lesehilfe von Dieter Schlenstedt:
An den Leiter des Kritiker-Aktivs im Schriftstellerverband der DDR

Es sollte uns im Aktiv, geschätzter Vorsitzender, der Roman von Volker Braun beschäftigen. Ich habe ihn schon lesen können und kann deshalb wissen, daß das Buch die Kritik vor ein paar Probleme stellen wird. Etwa vor die Überraschung seiner Traditionswahl. Gerade haben wir uns damit abgefunden, mit Bezügen zur Romantik konfrontiert zu werden, da kommt Braun mit seiner Wiederaufnahme der Aufklärung. Ist nun die Vergangenheit wirklich schon komplett zitierbar geworden – oder deuten sich hier etwa innerliterarische Auseinandersetzungen an? Die Feldschlacht, besser – weil es so offensichtlich kriegerisch nicht mehr zugeht in unserer Literatur : das Getümmel, von dem Braun auf dem 7. Schriftstellerkongreß berichtete, scheint anzuhalten. Nur findet es auf neuen Terrains statt. (Nebenbei: Wer kann erklären, weshalb bei anderen Autoren das 18. Jahrhundert plötzlich auch stofflich wichtig geworden ist, ich meine nicht das der Revolution? Das war doch früher niemals ein Bezugspunkt! Was sollen denn die Leute mit all diesen Gundlings und Bessers und Mendelssohns und den anderen Figuren aus den verschollenen absolutistischen Zeiten?). Aber das nur nebenbei. Ich (stelle gerade einen kleinen Anhang für das Buch zusammen und) ahne, daß dialogische Verständigung uns hier gut täte. Ärger könnte es zum Beispiel geben, weil Literaturkritiker wieder einmal (nicht so raumfüllend wie bei de Bruyn, aber doch so polemisch-direkt wie punktuell bei Strittmatter) zum Gegenstand einer Personalsatire gemacht werden, die weit entfernt davon ist, nur lustig zu sein. Das ist für die Gilde bestimmt kein Zuckerlecken, doch wird sie es schlucken müssen. Selbstverständlich ist das Bild verzerrt (wie viele Bilder des Romans). Wir Kritiker haben aber wohl den anderen Berufsgruppen, die sich vom Roman angerempelt fühlen könnten, mit gutem Beispiel voranzugehen in der Annahme des Satzes: Verzerrungen bei Satiren nicht dulden zu wollen, heißt, Satiren überhaupt nicht dulden zu wollen. Freilich wird dies nur akzeptabel sein, wenn die Kritik zu fortgesetzter Selbstkritik bereit ist – obwohl sie vielleicht rufen möchte: Haben denn die Schriftsteller immer noch nicht (ich lasse »immer noch« sagen, weil der Tadel seit dem 3. Schriftstellerkongreß von 1952 einfach nicht aufhören will), haben sie nicht bemerkt, welch große Anstrengungen gemacht worden sind, die Literaturkritik zu verbessern? Wir könnten vielleicht verstehen, weshalb uns Bissigkeit begegnet, wenn wir uns – das Gedächtnis ist lang! – aus der jüngeren Vergangenheit den Umgang der Kritik mit den Satiren oder überhaupt den Komödien in die Erinnerung riefen. Sie gerade waren es, die oft den Gegenstand der berühmten Literaturdiskussionen von ehedem bildeten (die manchem. Vergeßlichen heute schon wie ein Idealzustand literarischer Öffentlichkeit vorkommen). Und was löste meist die Debatten überhaupt erst aus? War es nicht allzuoft Ablehnendes, in dem ein Wissen über die Besonderheit der literarischen Verfahren und Wirkungsweisen des Komischen nicht mitsprach? Äußerte sich so nicht allzulange (um ein Wort von Hanns Eisler abzuwandeln) die Dummheit in der Kritik? (War es die der Kritik?) Und heute? Heute stehen wir vor dieser Art von Literatur zwar mit besserer Meinung, aber immer noch mit ziemlich leeren Händen. Ich vermute, niemals hat das Kunstdenken bei uns den großen Aufsatz von Lukács über die Satire zur Kenntnis genommen (wie der selbst im übrigen die schon 1930 angestellten Überlegungen vergessen mußte – sie hätten das danach eingesetzte ästhetische System gesprengt) und vor allem, was dort über die Möglichkeit der Satire gesagt worden war, nicht nur zur Kritik von Klassen gegen Klassen, sondern auch zur Selbstkritik von Klassen und Gesellschaften beizutragen. Und damit bin ich schon bei einem weiteren, was Brauns Buch zu erörtern einlädt: um Anregung zu Selbstkritik und nicht irgendwie um Kritik handelt es sich bei ihm. Wir alle kennen, was Marx in der Einleitung der »Grundrisse« über die Selbstkritik von Gesellschaften sagte – sie wird als eine besondere, nicht gleich zu habende Leistung bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungsstufen begriffen, die dann auch erst geschichtliche Erkenntnis erlaubt. Aber wenn wir diese Einsicht in der Literatur zu diskutieren haben, geraten wir, glaube ich, in Schwierigkeiten. Spätestens bei Strittmatters »Wundertäter III« oder bei Kants »Drittem Nagel« hätten wir uns neu über die Fähigkeit der Literatur verständigen sollen, auf eine Selbstkritik fördernde Weise im größeren Prozeß zu wirken, und natürlich auch über die dabei auftretenden wie nannte sie Anna Seghers einmal? – offenen Fragen. Daß die lautstarken Debatten von früher aufgehört haben, will mir nicht wie ein Verlust vorkommen – aber nur, wenn wir ein intensives gemeinsames Gespräch beginnen und nicht gegenüber den offenen Fragen in ein lautstarkes Schweigen verfallen. Der Zusammenhang zwischen dem neuen selbstkritischen Appell in unserer Literatur und der Neigung zu einer komödischen oder satirischen Prosa dürfte der Unterhaltung ein aktuelles Thema bieten – haben wir hier doch ein interessantes Zeugnis von jener literarischen Dynamik, die viele in der Gegenwart vermissen. Oder kann es uns gleichgültig sein, was die Genannten da tun – oder auch, in einigen ihrer Arbeiten (ich nenne keine Titel, die leicht hinzuzudenken sind, und füge ohne großes Besinnen und ohne zu werten nur einige Namen aneinander), die Wolf und Fühmann, Morgner und Köhler, Stade, Walther, Wolter, Klotsch und Königsdorf? Aber weshalb erzähle ich das einem, lieber Vorsitzender, der wie andere auch, das Verständnis für diese so frag-würdige literarische Anlage bereits zu wecken versucht hat? Wir sollten darin fortfahren! Mit diesem Vorschlag,
Dieter Schlenstedt

Schutzumschlag: Günter Jacobi

Mitteldeutscher Verlag, Halle-Leipzig

1. Auflage 1985
2. Auflage 1988

20 Dezember 2023

Werner Lindemann: Rattermann und Pustemehl

Wenn noch die kleinen Vögel schlafen,
hat Bäcker Pustemehl schon Licht.
Er bäckt die braunen Knusperbrötchen.
Auch die mit Mohn vergißt er nicht.

Der Dumperfahrer Rattermann,
der rumpelt an den Bagger ran.
Der Bagger hat das Maul voll Dreck,
der Dumperfahrer fährt ihn weg.

12-seitiges Pappkinderbuch
Illustrationen von Erika Klein

Der Kinderbuchverlag, Berlin

1. Auflage 1967
[keine weiteren Auflagen]

16 Dezember 2023

Wolf D. Brennecke: Ein Fremder kam nach Aripuanã

Begehrliche Blicke folgen der schlanken, schwarzhaarigen Teresa, wenn sie durch die Straßen Aripuanãs geht oder, selten genug. in der Bar Senhor Filintos Gäste bedient.
Es ist etwas Geheimnisvolles um dieses Mädchen, das, niemand weiß recht, woher, mit ihrem kranken Onkel in das armselige Urwaldstädtchen verschlagen wurde ...
Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen an jenem Sommertag, als es den Freunden gelungen war, Pedro Horatio aus dem berüchtigten Lager „Conservao III“ zu befreien. Doch die Häscher waren schneller, und der so gut durchdachte Fluchtplan erwies sich als undurchführbar.
Teresa, das Mädchen aus Rio, sicht sich einer schweren Aufgabe gegenüber. Sie muß Pedro Horatio in Sicherheit bringen und alle Spuren hinter sich verwischen. Niemand darf auch nur ahnen, daß sich hinter dem gelähmten Lehrer Tavarez der bekannte brasilianische Gewerkschaftsfunktionär Horatio verbirgt. Fast scheint es ihr und Horatio gelungen zu sein, sich in Aripuană einzugewöhnen, da taucht plötzlich jener geheimnisvolle Fremde auf und bringt erneut Unruhe in ihr bewegtes Leben.

Wolf D. Brennecke, der bereits mehrere Abenteuerbücher geschrieben hat, die auf dem südamerikanischen Kontinent spielen, wendet sich in seinem neuen Roman gegen die verbrecherischen Morde an den Ureinwohnern, den heute noch dort lebenden Indianern. Er zeigt, daß diese Verbrechen aus den in Brasilien herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgehen, daß aber auch fortschrittliche Kräfte den Praktiken der multinationalen Konzerne und deren korrumpierten Werkzeugen entgegentreten.

Schutzumschlag und Einband: Erhard Schreier

Militärverlag der DDR, Berlin

1. Auflage 1976 / 1. - 20. Tsd.
2. Auflage 1978 / 21. - 30. Tsd.
3. Auflage 1979 / 31. - 40. Tsd.
4. Auflage 1982

auch erschienen als:
Das Taschenbuch Nr. 166 - Auflage 1975


 

Nikolai Dementjew: Ingas Weg

Buchanfang:
Die Familie, in der ich aufwuchs

Erst etwas über mich...
Ich bin einsvierundsechzig groß und wiege zweiundsechzig Kilo. Blond. Heißen tu' ich Inga – sehr klangvoll und ungewöhnlich. Meine Eltern hatten nämlich eine riesige Vorliebe für alles Originelle. Ich mußte was ganz Besonderes sein, und sie kümmerten sich schon rechtzeitig drum, gleich bei meiner Geburt.
Ich wuchs leicht und sorglos auf. So wie man Taxi fährt auf spiegelglattem Asphalt! Bloß daß ich nicht zu zahlen brauchte, das besorgte immer ein anderer.
Den Eltern hab' ich's zu verdanken, daß ich mich stets an die Regel hielt: Ich tu', was mir grad Spaß macht!
Und anfangs unterstützten sie mich mit allen Kräften darin. Manchmal schien mir sogar, ich sei das klügste Mädel von der Welt. Und das allerschönste dazu. Und ich könnte alles fertigbringen. Es sei nur ein dummes Mißverständnis, daß ich mit dem übrigen Gemüse vor der Kinokasse nach Karten anstehen mußte ...
Im Innern war ich aber doch wohl kein schlechter Mensch, bloß weich wie Wachs, ich ließ mich biegen, wohin man wollte. Und heißblütig – ganz wie Vater. Wenn's drauf ankommt – das hab' ich auch von ihm –, bin ich schonungslos offen. Wenn ich erst mal hochgehe, dann nehm' ich kein Blatt vor den Mund und ballere dazwischen. Wenn's auch mich selber trifft, Hauptsache es kracht!
Merkwürdig, am besten stand ich mich mit unserer Hausstütze, Babuschka Agafja.
Das weiß ich noch, als ob's gestern gewesen wär' ... Ich wache nachts auf, das Zimmer ist dunkel, nur die Laterne auf der Straße schaukelt, und über die Wände kriechen langsame Schatten, immer hin und her. Richtig unheimlich konnte einem dabei werden, ich bekam immer so ein Frostgefühl im Nacken. Dann rief ich unter der Decke hervor nach Babuschka Agafja, nicht nach Mama. Sie kam auf Zehenspitzen an mein Bett, setzte sich zu mir und schob ganz behutsam die Hand durchs Gitter des Kinderbettes. Ich faßte sie ganz fest und drückte die Backe dagegen - eine liebe Hand hatte sie, rauh und schwielig. Gleich ging mein Atem wieder leicht, und es gab nichts Unheimliches mehr auf der Welt. Babuschka Agafja erzählte derweil schon mit ihrer sanften Flüsterstimme – ganz warm wurde mir dabei – vom schlauen Fuchs oder Meister Petz, dem komischen Tolpatsch. Und ich weiß, obwohl ich's im Augenblick nicht sehen kann, daß Babuschka Agafja kleine, immerfort tränende, herzensgute Augen hat, weich und zärtlich. Und ein weißes Tüchlein, säuberlich unterm Kinn verknotet. Ihr runzliges Gesicht, rosig, als sei sie gar keine alte Frau, war irgendwie besonders klar und hell ... Überhaupt war sie still, unauffällig und immerfort mit etwas beschäftigt. Ständig tat und arbeitete sie etwas. Unermüdlich. Und gerecht war sie und für mich absolut notwendig.
Die Hauptperson in unserer Familie war Mama. Vater hatte Angst vor ihr. In der Kindheit, also vor langer Zeit, fürchtete ich mich auch vor ihr ... Ich will es gleich vorwegnehmen: Mama kenn' ich durch und durch. Bis zum letzten Schräubchen. Wie meine Puppen. Wenn man als Kind die Puppe kaputt macht und hineinguckt, weiß man gleich, was für ein Mechanismus ihr die Augen auf- und zuklappt und wieso sie quietscht. Der Mechanismus in den Puppen ist immer primitiv. Selbst in den teuersten und schönsten. Nach Mama drehten sich die Männer um.
Keine Sorge, sie wußte das.
Groß ist sie und stattlich. Eine blühende Frau. Den Zopf trägt sie um den Kopf geflochten; er ist dick und schwer und von einer Farbe wie altes Gold. Dazu hat sie strahlende blaue Augen. Sie läßt die Wimpern über die Augen sinken, daß ein sachter Schatten über ihr Gesicht fällt, und dann lächelt sie langsam, zärtlich und rätselhaft ... Warum und für wen wohl? Und in ihren rosigen Wangen bilden sich Grübchen. Sie hat Lippen wie ein Mädchen, rot und schwellend. Mit einem Wort – Maria, die Zarentochter aus dem Märchen!
Sie geht nicht wie irgend jemand, ihr Gang ist sorgfältig eingeübt – maßvoll und selbstsicher. Sie geht nicht, sondern schreitet dahin. Ihre vollen, wohlgeformten Beine zeigen bei jedem Schritt unnachahmliche Grazie. Mit ihren dreiundvierzig Jahren spaziert sie bei zwanzig Grad Frost in hauchdünnen Kapronstrümpfen herum ...
Sie wissen ja, es gibt solche Frauen: ein bißchen mehr als vollschlank und sehr schick angezogen. .........

Titel der Originalausgabe: Иду в жизнь
Einbandentwurf: Erhard Schreier

Verlag Neues Leben, Berlin
Buchgemeinschaft der FDJ

1. Auflage 1960

15 Dezember 2023

Václav Cibula: Gyges und sein Ring - und ander Sagen und Legenden

In diesem Buch sind die schönsten Sagen und Legenden der Griechen und Römer als auch der Germanen und Kelten erfaßt, die zum unvergänglichen Bestand abendländischer Kultur gehören. Sie fesseln nicht nur die jugendlichen Leser, sondern ziehen auch die Erwachsenen immer wieder in ihren Bann.

Die Illustrationen in diesem Band stammen von Ervin Urban, der schon zahlreiche Bücher schmückte und bereits internationalen Ruf erlangte.

Die Helden der Sagen und Legenden, die ihr euch anschickt zu lesen, erinnern durch ihre Schicksale und Eigenschaften an Märchengestalten. Ebenso wie die Märchenhelden kämpfen sie auf ihren abenteuerlichen Wegen für Gerechtigkeit und gegen das Böse, erleben ungewöhnliche Begegnungen, trotzen vielerlei Nachstellungen und entgehen manchmal nur um Haaresbreite den Anschlägen ihrer tückischen und raffinierten Gegner. Ähnlich wie im Märchen siegt auch hier das Gute über das Böse, Klugheit über Dummheit, und wenn dann noch der Zauber zu Hilfe kommt, erreicht der Held schließlich das ersehnte Ziel.
Die Länder und Städte, in denen unsere Sagen und Legenden handeln, existieren jedoch wirklich, wir finden sie auf jeder Landkarte. Im Unterschied zu den Märchen treffen wir in den Sagen auf die tatsächliche Welt und begegnen darin Menschen, die wirklich gelebt haben Menschen, die so außergewöhnliche Taten vollbracht haben, daß sie nie in Vergessenheit gerieten.

Inhalt:
Gyges und sein Ring (griechisch) ..... 7
König Midas (griechisch) ..... 16
Perseus und Andromeda (griechisch) ..... 22
Perdikkas und die Sonnenstrahlen (mazedonisch) ..... 31
Die schöne Gärtnerin (römisch) ..... 36
Vom Fischjungen aus Neapel (italienisch) ..... 39
Der goldene Felsen (italienisch) ..... 45
Der Zauberer Maugis und die vier Brüder (französisch) ..... 49
Oberon (französisch) ..... 58
Iwein, der Ritter mit dem Löwen (französisch) ..... 67
Aucassin und Nicolette (französisch) ..... 73
Der Knabe von der Insel Mallorca (spanisch) ..... 79
Die Zauberlaute (spanisch) ..... 84
Lohengrin (deutsch) ..... 90
Tannhäuser (deutsch) ..... 96
Parzival (deutsch) ..... 99
Melusine (deutsch) ..... 107
Merlins Jugend (englisch) ..... 112
König Llud (englisch) ..... 119
Conn und Connla (irisch) ..... 124
Der Sohn des Sonnengottes (irisch) ..... 130
Fion (walisisch) ..... 135
Der schwarze Stier von Norroway (schwedisch) ..... 143
Die Glücksmühle (irländisch) ..... 149
Sadko (russisch) ..... 153
Wie der Recke Swjatogor in die Welt zog (russisch) ..... 159
Der Wunderhirsch (ungarisch) ..... 165
Wie Orm mit dem Riesen Berm kämpfte (dänisch) ..... 169
Vom Schuster mit den Träumen (holländisch) ..... 173
Vran und die Prinzessin (schwedisch) ..... 178
Wie zwei Brüder das Licht suchen gingen (finnisch) ..... 184
Jankos Brautfahrt (serbisch) ..... 190
Wie ein Starker schwach wurde (polnisch) ..... 195
Der fliegende Kräutermann (slowakisch) ..... 199
Die Wiege der Fürstin Libussa (tschechisch) ..... 205

Ins Deutsche übertragen von Ursula Sedmidubská
Illustrationen von Ervin Urban

Artia Verlag, Praha

1. Auflage 1989