11 September 2022

Margarete Neumann: Der grüne Salon

Im grünen Salon, ehemals Festzimmer des Gutsbesitzers, stimmt Else Karsten über die Verteilung des Gutslandes ab, erlebt ihre Tochter Magda mit dem Adomeit-Sohn ihren ersten Ball, hier feiern die beiden Hochzeit, hier aber muß Adam Bürger, der Lehrer des Dorfes, begreifen lernen, daß Magda, die Frau, die er liebt, für ihn verloren ist. In farbigen Episoden erzählt Margarete Neumann die Geschichte zweier Siedlerfamilien von 1945 bis zur Gegenwart.

Buchbeginn

Dieser Mann, der über die Siebzig hinaus ist, wohnt schon fast ein Jahrzehnt in unserem Wald, auf der Lichtung. Der Bürgermeister hatte ihm seinerzeit die Wiese dort zugestanden, einen halben Morgen etwa, ein Stück wie ein Auge.
Hatte sich da einen Bungalow aufstellen lassen, legte sich ein Gartenstück an und pflanzte eine Hecke, dicht und hoch.
Wir nennen ihn, wenn wir von ihm sprechen: den Waldmann. Obwohl er natürlich einen Namen hat. Rossow, so steht es jedenfalls in der Gemeindeliste. Man sagt, das sei nicht sein richtiger, den kenne der Abschnittsbevollmächtigte, aber Rossow habe ihn um Diskretion gebeten. Er soll ein berühmter Mann gewesen sein.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1975
bb Band 312

 

Kerstin Ekman: Bannkreise

Mit der Errichtung der Bahnstation in einer abgelegenen schwedischen Ortschaft beginnt gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch dort die Gründerzeit. Eine an Zahl und Vornehmheit stetig zunehmende Honoratiorenschaft, bestehend aus Bahnbeamten, Fabrikaten und Verwaltern, verdrängt die Misthaufen und Schlammlöcher aus dem Sichtbereich und verbreitet "Zivilisation" um sich. Vor diesem Hintergrund wächst Tora Lans auf. Ihr Leben als Dienstmädchen scheint genauso vorherbestimmt und festgelegt wie das ihrer Mutter und Großmutter. Doch Tora Lans lehnt sich gegen dieses Schicksal auf, will es nicht als selbstverständlich hinnehmen. Praktischer Verstand, erwachtes Selbstvertrauen und trotziger Lebenswille sind ihre einzigen Mittel, um das ersehnte Ziel zu erreichen, verleihen ihr die Kraft, den Kampf um ein bißchen privates Glück aufzunehmen. 

Historische Frauenromane sind neuerdings in allen Ländern Europas begehrt. Häufig folgen sie der Nostalgiewelle und verklären die Vergangenheit. Ebenso häufig setzen Frauen sich mit dem Schicksal von Frauen in früherer Zeit auseinander. Dies hat auch Kerstin Ekman (geboren 1933) im vorliegenden Buch unternommen. Sie ist in Schweden vor allem durch Kriminalromane bekannt geworden. In diesem Buch fügt sie viele markante Episoden und Geschichten zu einem detailreichen und atmosphärisch dichten Gesellschaftsporträt zusammen, das chronikartig eine ganze Epoche zu erfassen versucht. 

Buchbeginn
An einem Tag zu Beginn der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts machte sich die Soldatenfrau Sara Sabina Lans auf den Weg nach Isaksson Kramladen und Gasthof, um Kümmel zu verkaufen. Es war ein Septembernachmittag in Sörmland. Die Sonne stand schon so tief, daß die Spiegelscherben, die im Stallfenster lagen, Reflexe auf die widerliche Alte warfen. Der Liebstöckel an der Hausecke war verblüht und roch nicht mehr so abstoßend. Die Bäume wollten die Farbe wechseln, alle bis auf die große Birke, unter der sich die Hütte an den Erdboden duckte. Selten ließ sie ein Blatt vor Allerheiligen fallen - das lag daran, daß eine weiße Schlange unter ihrer Wurzel wohnte.
In dem großen Moor zwischen Äppelrik und Jettersberg sprang die Soldatenfrau von Stein zu Stein, einen Kissenbezug voll frisch ausgedroschenem Kümmel in den Armen. Hinter ihr ging Frans, der es dann mit dem Hals bekam und im Winter starb, dem Winter nach dem ungewöhnlich langen und milden Herbst. Edla kam hinterhergesprungen.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1978

09 September 2022

Walter Schell: Die Verurteilung des Hauptmanns Mack


 Dirlewanger nickte vor sich hin. Das hatte er gewußt. Mack war ihm als ein tüchtiger Zugführer geschildert worden, aber er hatte gleich gesehen, daß der Mann zu weich war.

"Wissen Sie, Untersturmführer", sagte Dirlewanger, "lassen Sie die beiden mal vorführen." Anna und Stefan wurden hereingeführt. Dirlewanger musterte die Frau aufmerksam. Er ging auf Stefan zu und schlug ihm links und rechts ins Gesicht. Anna zuckte bei jedem Schlag zusammen. Stefan rührte sich nicht.
"Wo steckt deine Partisanengruppe?"
Stefan schwieg.
"Wer ist der Verbindungsmann hier im Dorf?"
Stefan schwieg.
Dirlewanger wandte sich zu Mack. "Untersturmführer, sagen Sie der Frau Professor, sie soll sich zur Wand drehen. Dann nehmen Sie Ihre Pistole und zählen langsam bis zehn. Wenn Ihr Professor bis dahin seinen Mund nicht aufkriegt, ist er Witwer."
Mack war auf einmal sehr allein. Ich kann doch Anna nicht erschießen, dachte er und sagte:
"Jawohl, Gruppenführer."
Ich kann doch Anna nicht erschießen, dachte er. Indem er es dachte, erschrak er. Er hatte einen Befehl bekommen, und etwas in ihm lehnte sich dagegen auf. Er öffnete seine Pistolentasche. Wegen Befehlsverweigerung war er zu Dirlewanger gekommen. Widersetzte er sich noch einmal, ging es ihm an den Kragen. Ein Lächeln verzerrte sein Gesicht. Da hatte er eine Regung von Menschlichkeit verspürt, und gleich stand er in einer Reihe mit dem Volksverräter und Todeskandidaten Professor Slavik.
"Wenn Sie nicht antworten, stirbt Ihre Frau, Herr Professor", sagte er. Das Sprechen machte ihm Mühe, denn sein Mund war ganz trocken. Dann begann er zu zählen...
Nichts ist mehr übrig von Menschlichkeit und Menschenwürde in dem blonden deutschen Heldenjüngling Franz Mack: Recht ist, was Deutschland nützt, und Unrecht geschieht, damit Deutschland endlich Recht bekommt. Das ist seine Parole.

Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1959

Günter Teske: Die verschwundene Mumie

Geht das noch mit rechten Dingen zu?

Kai Thomas, Handballtorwart von Turbine, hält plötzlich jeden Ball. Und wie gelingt es den Blaufalken, hoffnungslosen Absteigern am Ende der Staffel B, die berühmteste Fußballmannschaft der Saison zu werden?

Was erlebt Superartist Kotta im geheimnisvollen Trainingscamp des Gibson Dorsh?

In sieben unterhaltsamen utopischen Geschichten erzählt Günter Teske von gewagten Experimenten, von Zeitreisen und von Sensationen aus der Welt des Sports.

Verlag Neues Leben Berlin 1978, 2. Auflage 1986
Kompaß-Bücherei Band 245

 

Anatoli K. Winogradow: Die Verurteilung Paganinis

Niccolo Paganini galt seinen Zeitgenossen als das Urbild des dämonisch-romantischen Musikers. Das Dunkle und Geheimnisvolle, das sich hinter seiner exzentrischen Lebensführung verbarg, hat Anlass zu unzähligen Legenden gegeben. Das Abenteuerliche dieser Legenden wird aber übertroffen von der wirklichen Geschichte des Lebens dieses vielbewunderten, vielgeliebten und vielverleumdeten Künstlers. Es ist das Leben eines von Jesuiten mit tückischer Hartnäckigkeit gehetzten und verfolgten Mannes, der sich weigerte, seine große Kunst und das Vermögen, das er durch sie erwarb, in den Dienst der Bedrücker seines Vaterlandes zu stellen, und der als ein treuer Verbündeter der Karbonari mit ihnen am Kampf für ein neues und freies Italien teilnahm. In Winogradows Darstellung erweitert sich das Lebensbild der faszinierenden Künstlerpersönlichkeit Paganinis zu einem Zeitbild einer der bewegtesten Epochen der europäischen Geschichte.

Rütten und Loening, Berlin, 3. Auflage 1955
Deutsch von Walter Löwen
Mit 63 Illustrationen von Robert Diedrichs

 

Alessandro Manzoni: Die Verlobten - Teil 1

Ich habe Ihnen zu verkünden, daß Manzonis Roman alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen. Ich brauche Ihnen nichts weiter zu sagen, als daß das Innere, alles was aus der Seele des Dichters kommt, durchaus vollkommen ist, und daß das Äußere, alle Zeichnung von Lokalitäten und dergleichen, gegen die großen inneren Eigenschaften um kein Haar zurücksteht ... Der Eindruck beim Lesen ist der Art, daß man immer von der Rührung in die Bewunderung fällt, und von der Bewunderung wieder in die Rührung, so daß man aus einer von diesen beiden großen Wirkungen gar nicht herauskommt. Ich dächte, höher könnt man es nicht treiben. In diesem Roman sieht man erst recht, was Manzoni ist. Hier kommt sein vollendetes Innere zum Vorschein, welches er bei seinen dramatischen Sachen zu entwickeln keine Gelegenheit hatte ... Manzonis innere Bildung erscheint hier auf einer solchen Höhe, daß ihm schwerlich etwas gleichkommen kann; sie beglückt uns als eine durchaus reife Frucht. Und eine Klarheit in der Behandlung und Darstellung des Einzelnen wie der italienische Himmel selbst.

Goethe zu Eckermann, 18. Juli 1827

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1985
TdW Taschenbuch der Weltliteratur
Abbildung: "Bildnis einer jungen Frau", Meister H. F. (?) signiert (Detail)
Mit einem Nachwort von Horst Heintze

Primo Levi: Die Verdopplung einer schönen Dame

Primo Levi (geb. 1919), italienischer Wissenschaftler und Schriftsteller, hat durch Zufälle das Konzentrationslager überlebt. Aber die Bedrohung des Menschen und des Menschlichen in seiner Gesellschaft sieht er fortwirken. In seinen phantasiereichen science-fictions weist er auf die Gefahren einer Macht, Wissenschaft und Technik hin, die einige bereichert und viele ausbeutet, entfremdet und manipuliert. Levi weiß keine Rettung zu zeigen, aber er alarmiert. Er ersinnt aus Satirischem, Parodistischem, Groteskem und Poetischem mit viel Spaß und auch Ernst wunderliche Begebenheiten, um durch das ausgefallene Modell gewohnte Realität kenntlich zu machen. Die in Geier verwandelten Häftlinge, die zu "Herrenmenschen" entwickelt werden sollten, die lamentierenden Bandwürmer, die verdoppelte Emma, die ihre eigene Rivalin wird, das verhängnisvolle Fremdgedächtnis und anderes - Ersponnenes, das uns tiefere Wahrheit enthüllt. Von Levis zunehmend bitterer Gesellschaftskritik zeugen die beiden aus seinem jüngeren Schaffen ausgewählten Erzählungen "Knall" und "Rote Lämpchen" am Schluß unseres Bandes.

Reclams Universal-Bibliothek Nr.432

Gerhard Neumann: Die Vermummten. 33 Stenogramme um einen Mord

Eingemummelt in weiße Umhänge, durchschreiten Kurpatienten den dichten Solenebel des Inhalatoriums. Nach der Behandlungszeit lehnt einer von ihnen erstochen auf einer Seitenbank. Der Autor, selbst Kurgast im Volkssolbad Salzenau, schrieb anschließend - so behauptet er wenigstens - einfach auf, was ihm Mitpatienten, Ortseinwohner, Zeugen und schließlich auch der verantwortliche Hauptmann der K über den Mord erzählen. Das ergibt für den Leser nicht nur die spannende Aufklärung eines ungewöhnlichen Verbrechens, es eröffnet zugleich einen kritischen, oft aber auch sehr heiteren Blick auf Zeitgenossen.

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig
 

08 September 2022

Giovanni Francesco Straparola: Die ungetreue Polissena

Ergötzliche und tolldreiste Novellen aus dem alten Italien

G.F. Straparola, hundert Jahre nach Boccaccios Tod 1475 in Caravaggio nahe Mailand geboren, steht ganz in der Tradition des Florentiner Dichters und Novellenschreibers. Die italienische "novella" hatte sich als amüsante und nachdenkenswerte Unterhaltung etabliert und kam den verschiedensten Bedürfnissen nach Neuigkeiten entgegen. Auch in Straparolas Novellen spiegelt sich das Alltagsleben in den italienischen Stadtstaaten, die sich von den Fesseln des Mittelalters befreit hatten. Ihr Themenkreis dreht sich um Liebe, Leidenschaft, Eifersucht, Rache, Geld- und Machtgier, immer verquickt mit ergötzlichen und tolldreisten Abenteuern. Wir lesen von der pikanten Rache des Studenten Filenio aus Bologna an drei schöne Damen der Stadt, die ihn in seiner Liebe zu ihnen schwer getäuscht und geprellt haben, von dem gewitzten Dieb Cassandrino, der den Stadtrichter von Perugia dreimal zum besten hielt und schließlich ein ehrsamer Kaufmann wurde.

Eulenspiegel Verlag Berlin 1. Auflage 1989

 

Eberhard Panitz: Die unheilige Sophia

Sophia Gwinner, genannt "die unheilige Sophia", taucht auf im Dorf Sandberg in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945, zwei Koffer bei sich, vom Himmel gefallen in Uniform. Wehrmachtsbraut des Fliegerleutnants Harry Scalander - oder? Nach dem Einzug der Sowjetarmee ist sie Dolmetscherin, linke Hand des Kommandanten, schließlich gefürchtete, bewunderte erste Bürgermeisterin. Ein Jahr darauf ist sie verschwunden - wohin? Wunderliche Legenden ranken sich um ihr bewegtes, abenteuerliches Leben. Wer war sie wirklich? Wie war sie wirklich?

Ein Vierteljahrhundert später ist der Erzähler, Geschichtslehrer und Sommergast in Sandberg, aus persönlichem Grund aufgefordert, den Spuren dieses beeindruckenden Frauenschicksals nachzugehen.

Nach dem Erfolg seiner "Sieben Affären der Dona Juanita" bekennt sich der Autor auf andere Weise erneut zu seinem wesentlichsten Thema: Möglichkeiten und Rolle der Frau in unserer Gesellschaft, zwingt er uns, über unsere Entwicklung neu nachzudenken.

Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale)

L. Pantelejew: Die Uhr

Spannend und humorvoll ist die Geschichte vom Strolch Petka, der seine Eltern verloren hat und alles stiehlt, was ihm unter die Finger kommt, um seinen Hunger zu stillen. Eine gestohlene goldene Uhr bringt Petka in große Schwierigkeiten, die er aber mit Hilfe seiner Kameraden und der Erzieher im Kinderheim überwindet.

Kinderbuchverlag Berlin
Illustrationen Paul Rosie
RBB 30

Autor

 

07 September 2022

Winfried Bruckner: Die toten Engel

"Dann fuhren die Lastwagen los. Noch lange hörte man die hellen Stimmen der Kinder. Frisch gewaschen und gekämmt, mit glücklichen Gesichtern fuhren sie aus dem Getto. Keines der Kinder kam zurück. In der Nähe von Warschau wurden sie zusammengetrieben und erschossen."

Der österreichische Schriftsteller Winfried Bruckner erzählt vom Leben der Kinder und Erwachsenen, die, im Getto von Warschau physischem und psychischem Terror ausgesetzt, um die Bewahrung ihrer menschlichen Würde, für Freundschaft und Liebe in ihrem schweren Alltag kämpfen.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1. Auflage 1984
ATB Nr. 98
 

Johannes Albrecht: Die todbringende Madonna

Doppelmord in dem bekannten Wintersportstädtchen! Ein Eifersuchtsdrama - ein unentschlossenes Mädchen zwischen zwei Männern, der eine ein polnischer Ingenieur?

Nach sechs Wochen intensiver Ermittlungen haben die Thüringer Kriminalisten noch immer keine Anhaltspunkte, noch nicht einmal eine Bestätigung für das Tatmotiv, geschweige denn einen Hinweis auf den Täter. Oberleutnant Haussmann wird aus Berlin entsandt, um die Leitung der Ermittlungen zu übernehmen.

Wieviel hat die Madonnenfigur, die sich im Zimmer des erschossenen Ingenieurs an solch merkwürdig verborgener Stelle findet, mit dem Fall zu tun? Beginnt hier eine Spur?

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig, 3. Auflage 1979

Hiltrud Lind: Die Trompetentante und andere Limericks von A bis Z

Aufgefädelt in alphabetischer Reihe sind hier zweimal sechsundzwanzig Limericks - kleine scherzhafte Geschichten in Reimen. Ihre Form ist schon sehr alt, berühmte Dichter haben ihr Aufmerksamkeit geschenkt. Mit dem Spaß an überraschenden Wendungen geht das Wundern über Wortspiele einher, kleine Seitenhiebe bereiten Vergnügen. Im Kinderbuch sind Limericks zwar neu, aber auf bewährte Weise komisch und kess. Dass Witz mit Wissen zusammenhängt, ist sicherlich nicht zum Schaden für die Leser. 

Karl Schrader, bekannt durch seine Karikaturen in der satirischen Zeitschrift "Eulenspiegel", illustrierte schon viele Kinderbücher. Auf seine Weise gab er den Vorstellungen der Autorin Gestalt und Farbigkeit.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1977, 3. Auflage 1979
Illustationen von Karl Schrader
Buchfink-Reihe 

 

06 September 2022

Hans Schneider: Tote schweigen nicht

Der Ermittlungsapparat der Kriminalpolizei tritt in Tätigkeit, als ein junges Paar tot aufgefunden wird. Hauptmann Kurt Flemming erhält den Auftrag, den mysteriösen Mordfall aufzuklären - und es gelingt ihm. Aber er zerbricht beinah an einem ganz persönlichen Konflikt: der Hauptmann liebt die Tochter eines schwerbelasteten Kriegsverbrechers. Das ergibt eine Menge problematischer Begegnungen, denen der Autor nicht ausweicht. Er wirft im Zusammenhang mit dem Kriminalfall bewußt die Schuldfrage der Soldaten im zweiten Weltkrieg auf und überhaupt die Frage nach den Grenzen der sittlichen Pflichten bei Ausführung eines Befehls. Hier erspart er dem Leser nichts, aber er läßt ihn auch nicht los bis zum Ende. Der Mörder, ein unauffällig lebender Bürger, wird gestellt. Seine größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit liegen Jahre zurück, und er glaubte einen faulen Kompromiß schließen und davonkommen zu können. Doch die Toten haben nicht geschwiegen.

Greifenverlag zu Rudolstadt, 7. Auflage 1979
 

Margarete Neumann: Land der grüngoldenen Berge - Unterwegs in Mongolien

Wenn sich eine unternehmungslustige Autorin wie Margarete Neumann auf die Reise begibt, kann man sicher sein, daß es nicht nur die wie mit Samt überzogenen Berge Mongoliens und die Ornamente der Wasserläufe sind, die ihre Neugier wecken. Vor allem zieht es sie zu den Menschen dieses kleinen Volkes mit großer Vergangenheit, das im Verlauf seiner Geschichte in Elend, Unterdrückung und Aberglauben bis an den Rand der Auflösung geraten war und das sich nun aus seinen Fesseln befreit und begonnen hat, eine neue nationale Existenz aufzurichten. Margarete Neumann sucht dieses Neue auf, in Städten wie Darchan, Bulgan und Erdenet. Sie erkundet einen Kupferberg, bewundert in einer Neubauwohnung die vielfältigen Schätze, die der Besitzer zusammengetragen hat, und erfährt in den oft einsam liegenden Jurten bei salzigem grünem Tee mit Milch die selbstverständliche Gastfreundschaft der Araten. Mit feinem Empfinden vermag sie in Sitten und Gebräuche einzudringen und sie uns nahezubringen.
In diesem Land der grüngoldenen Berge, der Weiden voller Edelweiß, unter der Weite des großen Himmels beginnen auch die Erinnerungen. Lang Verlorengeglaubtes findet sie wieder, Unbekanntes überrascht sie in seiner Kostbarkeit.

Buchbeginn

Irkutsk ist zurückgeblieben. Noch sehe ich in das strenge Grün der Taiga. Wolkenfetzen treiben darüber hin, umwehen uns, nehmen uns auf. Wir steigen, verlassen das Wolkenfeld und fliegen im Blau des Himmels. Unter der schneeigen Decke muß jetzt das Gebirge sein. Neben mir sitzt ein junger Mongole, Jeansanzug, schmales Gesicht und diese schwarzen lebhaften Augen. Er wird Student sein, fliegt in den Ferien nach Hause. Hinter mir höre ich deutsche Worte, ein bißchen sächsischer Klang, die Stimme eines Kindes ist dabei, wohl ein kleines Mädchen. Ich kann die Leute nicht sehen, müßte mal aufstehen.

Zitat

"Ich betrachte die Fluggäste. Es sind junge und alte, Mütter mit kleinen Kindern. Nur wenige sind europäisch gekleidet. Die alten Frauen, das fällt mir hier besonders auf, sind krumm. Die Frauen, auch die schönsten, haben leicht gebogene Beine. Reiterbeine."

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1986

 

Erwin Bekier: Die Telegraphenschlacht

Weggefährten und Kampfgenossen Lenins sind es, die in diesem Buch zu Wort kommen. Sie waren dabei, als in den Tagen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution Adel und Großbürgertum entmachtet wurden: der Funker, der auf Befehl Lenins das Dekret über den Frieden in die Welt sandte, der Kremlwachsoldat, der später eine Armee kommandierte, die Arbeiterin, die in drei Revolutionen das Regieren lernte, und andere. Diese Menschen lebten noch in unserer Zeit, sie erzählten aus der Vergangenheit, und wer von ihren Taten und Träumen liest, ahnt die Zukunft.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1. Auflage 1987
ATB Nr. 121
ab 12 Jahre
 

Stefan Zweig: Die Welt von gestern

Die zehnte Wiederkehr des Tages, an dem Stefan Zweig von uns ging, ruft den ganzen Kummer wieder in mir wach, der mich beim Eintreffen jener erschütternden Nachricht erfüllte. Ich gestehe, daß ich damals mit dem Verewigten gehadert habe wegen seiner Tat, in der ich etwas wie eine Desertion von dem uns allen gemeinsamen Emigrantenschicksal und einen Triumph für die Beherrscher Deutschlands sah ... Seitdem habe ich anders und verstehender über seinen Abschied zu denken gelernt, und keinen Augenblick mehr vermag dieser Hingang der Ehrerbietung Abbruch zu tun, die ich für sein Leben, seine die ganze Welt beschäftigende Leistung immer gehegt habe.
Liest man sein großes Erinnerungsbuch "Die Welt von gestern", so begreift man ganz, wie sehr dieser so expansive wie zarte, ganz auf Frieden, Freundschaft, Liebe, freien geistigen Austausch gestellte Mensch heimatlich gebunden war an die entschwundene Welt, deren Endstunde schon 1914 geschlagen hatte, und wie wenig es ihm zur Schande gereicht, daß er in der Welt voller Haßgeschrei, feindlicher Absperrung und brutalisierender Angst, die uns heute umgibt, nicht fortleben wollte und konnte. - Thomas Mann (1952)

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1990
Abbildung Gustav Klimt "Bildnis Fritza von Riedler" (Detail)

Jean-Paul Satre: Die Wörter

"Ich erzähle von einer Kindheit, die den Menschen meines Alters - den Sechzigjährigen - reichlich seltsam erscheinen mag, den Jüngeren jedoch völlig exotisch und unwahrscheinlich. Noch heute nennt die Bourgeoisie in Frankreich die Jahre von 1900 bis 1914 elegisch die "schöne Zeit". Schön war sie keineswegs - jedenfalls nicht für die arbeitenden Klassen, doch Regierung und Presse bemäntelten die wahre Lage der Dinge, und das Kleinbürgertum bemühte sich, sie nicht zu bemerken. Ich erzähle von einer bürgerlichen Kindheit.

Als Sohn und Enkel kleinbürgerlicher Intellektueller sah ich das, was sie mir zeigten - eine geordnete Welt. In Glück und Langeweile erlebte ich das schwierige Jahrzehnt, das dem Gemetzel des Jahres 1914 voranging. Wozu, könnte jemand fragen, soll man von diesem leeren und verlogenen Traum berichten? Zwei Gründe haben mich dazu bewogen.

Vor allem wollte ich den verschlungenen Weg beschreiben, den die Franzosen meines Alters gegangen sind, die Katastrophen und Erschütterungen, die ihren pseudoeinfältigen Optimismus und ihren Idealismus zerstörten. Ich wollte erzählen, wie viele von ihnen - darunter auch ich - sich schließlich dem Lager der Ausgebeuteten und Unterdrückten anschlossen und auf ihre Weise für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung zu arbeiten begannen. Die Oktoberrevolution wurde das große Ereignis unseres Lebens. Wir erlebten sie von fern und mit Verspätung, ein wenig provinziell. Und dennoch war es eine Konfrontierung der Menschen aus dem Westen mit den grandiosen Ereignissen in der Sowjetunion...

Meine zweite Absicht wurde von manchen falsch interpretiert. Kritiker haben mir vorgeworfen, ich beurteilte das Kind, das ich einst war, zu streng. Man hat es gern, wenn Erinnerungen von Nachsicht gegen die eigene Person durchdrungen sind, wenn der Autor über sich in Rührung gerät und damit andere rührt. Ich bin weder streng noch nachsichtig, ich mache nicht dem Knaben einen Vorwurf, sondern dem Milieu und der Zeit, die ihn geformt haben. Die Hauptsache ist jedoch: Ich hasse den Mythos von der Kindheit, den die Erwachsenen geschaffen haben. Ich bitte, dieses Buch für das zu halten, was es ist: für den Versuch, einem Mythos den Nimbus zu nehmen." (Jean-Paul Satre in der Zeitschrift "Nowyi mir")

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage 1965
Aus dem Französischen übersetzt von Hans Mayer

 

Klaus Mylius (Hrsg.): Die vier edlen Wahrheiten - Texte des ursprünglichen Buddhismus

Die vier edlen Wahrheiten hat Buddha (etwa 560-480 v. u. Z.) als das Hauptstück seiner Erlösungslehre verkündet. Ihr Leitgedanke besteht darin, daß das Dasein, die ganze Welt und insbesondere ihre Freuden vergänglich und daher leidvoll sind, und beruht letztlich auf einem Grundgesetz der Dialektik, nach dem alles, was entsteht, auch dem Vergehen unterworfen ist. Mit dieser Erkenntnis stellt sich die Frage nach einer gerechten Weltordnung - ein Problem, zu dem F. Engels bemerkt. "... das dialektische Denken - eben weil es die Untersuchung der Natur der Begriffe selbst zur Voraussetzung hat - ist nur dem Menschen möglich, und auch diesem erst auf einer verhältnismäßig hohen Entwicklungsstufe (Buddhisten und Griechen)." Die buddhistische Lehre, die Klaus Mylius hier in einer neuen Übersetzung ausgewählter kanonischer und einiger nichtkanonischer Pali-Texte vorstellt, versteht sich als Anleitung zu gerechtem, tugendhaftem Handeln, als dessen Lohn das Ausscheiden aus einem irrationalen Kreislauf des Wiedergeborenwerdens und das Eingehen in Nirvana empfunden wird.

Reclams Universal-Bibliothek Nr.1009, 2. Auflage 1983
Philosophie, Geschichte, Kulturgeschichte

05 September 2022

Sergei Borodin: Dmitri Donskoi

Mit dem "Dmitri Donskoi" von S. Borodin legt der Paul List Ver-
lag dem deutschen Leser erstmals einen bedeutenden Roman aus der 
russischen Geschichte vor. Die Ereignisse des Buches führen uns in die Zeit der großen Auseinandersetzungen Rußlands mit dem mächtigen tatarischen Reich der "Goldenen Horde", in jenen entscheidenden Jahren, als das russische Heer unter Führung des Moskauer
Großfürsten Dmitri Donskoi 1378 und 1380 seine großen Siege über die tatarischen Unterdrücker errang. Mit Spannung folgt der Leser den abenteuerlichen Schicksalen des ehemaligen Mönchs Kirill, folgt er den erregenden Geschehnissen am Hof des Moskauer Großfürsten und im Palast seines Gegenspielers, des Tatarenfeldherrn Mamai, folgt er dem Verlauf der großen Schlachten. 
Der Roman entwirft ein umfassendes, eindrucksvolles Bild einer ganzen Epoche der frühen russischen Geschichte, die vielen Deutschen bisher fast unbekannt war. Nicht ein einzelner Mensch, sondern das ganze russische Volk ist dabei letzten Endes der eigentliche Held des Romans. 
Das spannende Buch wird nicht nur unsere erwachsenen, sondern bereits viele unserer jugendlichen Leser in seinen Bann schlagen.

Paul List Verlag-Leipzig 1. Auflage 1953

Charles Dickens: Dombey & Sohn, Teil 1

Dickens war ein Genie, das dem Roman seinen vollen epischen Charakter wiedergab, dessen fruchtbarer Geist Geschichten, Gedichte und Menschen schuf, die für immer in das Leben der englisch sprechenden Welt eingingen. Einige seiner Gestalten haben ein fast sprichwörtliches Leben erlangt, sie sind zu einem Teil unseres modernen literarischen Volksgutes geworden, und das ist bestimmt das Höchste, was ein Autor erreichen kann; er kann es nur mit Hilfe von Genie, Menschlichkeit und einem Gefühl für die Poesie des Lebens. Seine Phantasie, die Gewalt seiner dichterischen Beschwörung, dazu seine Fähigkeit, immer wieder neue Vorfälle zu erfinden, seine Menschen als Spiegelbilder aller möglichen alltäglichen und liebenswerten menschlichen Schwächen und Tugenden zu schildern, eroberten ihm sein Publikum. - Ralph Fox

Rütten & Loening Berlin, 4. Auflage 1988
Deutsch von Christine Hoeppener

 

Peter Brock: Die Wunderbrille



Wer möchte nicht eine Wunderbrille haben? Ulli erhält sie geliehen und glaubt so stark an ihre Kraft, daß es ihm gelingt, dadurch sein Ansehen in der Schule und bei seinen Freunden zu heben.
Eines Tages aber erlischt der Zauber der Brille.
Ulli jedoch ist inzwischen um manche Erfahrung reicher; er wird auch ohne Brille Erfolg im Leben haben und sicherlich später einmal Pilot einer großen Maschine sein.
Der Flugrekord seines selbstgebastelten Modells erfüllt ihn mit großer Zuversicht.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1964
ATB Nr. 87








Der Kinderbuchverlag Berlin, 1965 (?), 2. Auflage
Illustrationen von Eberhard Binder


Fred Wander: Doppeltes Antlitz


 Dies ist keine Reportage im üblichen Sinn - nicht das Buch eines Mannes, der, wohlausgerüstet mit Fotoapparaten und sachlichen Kenntnissen, auszog, um eine Stadt zu besichtigen, zu studieren und über sie zu berichten. Fred Wander führte in seinem Reisegepäck etwas mit, was nur ihm zu eigen war: seine Erinnerungen, das Bild der Stadt Paris und ihrer Bewohner, das er viele Jahre liebend und dankbar in sich trug. Neunzehnhundertachtunddreißig hatte der aus seiner Heimat vertriebene junge Österreicher hier Zuflucht gefunden. Nach einer kurzen Zeit furchtbarer Vereinsamung, die ihn blind machte für den Zauber seiner Umgebung, wurde er sehend. Er erblickte die Schönheit alter Bäume und Paläste, und er las die Botschaft der Güte in den Augen von Frauen und Männern, die ihm mit bescheidener Selbstverständlichkeit Hilfe boten. Als der Fünfundvierzigjährige an die Seine zurückkehrt, versucht er, den Spuren einiger Freunde nachzugehen, die ihm damals den Mut zum Leben wiedergaben. Dabei begegnet ihm viel Unerwartetes, und er beginnt zu begreifen, dass es sich mit den Menschen ebenso verhält wie mit der Stadt: "Nichts hat sich verändert, und doch ist alles anders geworden." Aber ist denn nicht auch er in diesen fünfundzwanzig weltverändernden Jahren ein anderer geworden? Und so wird ihm die Begegnung mit der alten, neuen Stadt unversehens zur Begegnung mit dem alten, neuen Ich ...

Aus dieser inneren Beteiligung, aus dem Spannungsverhältnis zwischen vertrauter Vergangenheit und überraschender Gegenwart stammt die ungewöhnliche Form ebenso wie die Überzeugungskraft dieses Buches. Fred Wander setzt sich mit der Stadt Paris auseinander wie mit einem echten Freund, dem man mehr schuldet als Liebe und Dankbarkeit: das Bemühen, ihn in allen seinen Wandlungen unvoreingenommen prüfend zu begreifen. Der Autor lässt uns diesen erregenden Prozess des Wieder- und Neuerkennens miterleben, in dem so manche Cliché-Vorstellung von der "Lichterstadt" zerstört wird. Er führt uns in die alten, verfallenen Quartiere mit ihren skurrilen und liebenswerten Bewohnern, in Markthallen und Kneipen, aber auch in einen Wohnturm der "Schlafstadt" Sarcelles, in Studentencafés und Kunstsalons, in Bürgerwohnungen und in die turbulenten Tanzlokale der "Copains". Wir hören seine Gespräche mit Arbeitern und Intellektuellen, mit Globetrottern und Polizisten, mit alten und jungen Zynikern, aber auch mit alten und jungen Kämpfern. Und so entsteht ein unerwartetes Bild dieser Stadt und ihrer Menschen, ein Bild, in dem sich, aus großen Traditionen und umwälzenden Veränderungen hervorwachsend, die Hoffnung auf eine neue äußere und innere Harmonie abzeichnet.

Verlag Volk und Welt, Berlin, 1966, 1. Auflage
Mit 174 Fotografien: 164 von Fred und Maxie Wander, 4 von Jochen Moll, 6 von Photo-Pic, Paris

Z.K. Slabý: Drei Bananen


 Es gibt einen Märchenplaneten im Weltall. Zu allen anderen Planeten wird man sicher mit Raketen fliegen, doch zu diesem einen kann nur gelangen, wer Märchen mag und sie nie vergißt. Der kann sogar einen scheinbar ganz gewöhnlichen Fahrstuhl benutzen - er wird wunderbare Abenteuer erleben und natürlich, wie es sich gehört, dem Guten gegen das Böse helfen.
Doch wer ist wer? Wem soll Peter helfen - dem Herrn mit dem Hut oder der Schwarzen Dame? Jedenfalls muß Peter viel Mut beweisen, ehe er mit dem Regenschirm wie an einem Fallschirm zur Erde zurückkehrt.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1. Auflage 1964 (rechtes Bild)
Der Kinderbuchverlag Berlin 1. Auflage 1984, ATB Nr. 108 (linkes Bild)

Günter Domdey, Kurt-Friedrich Nebel: Donau, Pußta, Budapest

Mein kleines Lexikon ist eine für Kinder herausgegebene Serie populärwissenschaftlicher Einführungen in verschiedene Wissensgebiete, die wesentliche Begriffe in alphabetischer Reihenfolge verständlich und unterhaltsam erklären.

Mein kleines Lexikon "Donau, Pußta, Budapest" stellt die Ungarische Volksrepublik vor, ihre so unterschiedlichen Landschaften und mächtigen Ströme, ihre interessanten Städte, die historische Entwicklung des Landes und den sozialistischen Aufbau.

Der Kinderbuchverlag Berlin
 

04 September 2022

Wojciech Zukrowski: Ariadnes Nächte und andere Erzählungen

In diesen vierzehn farbensatten und stimmungsstarken Erzählungen des katholischen polnischen Autors ist die Liebe, im umfassenden Sinne des Wortes, ein Grundmotiv: die Liebe zwischen den Geschlechtern, die in mehrfachen, von jähem Glück und tiefem Ernst bis ins Komische und Groteske reichenden Variationen gestaltet wird; die leidenschaftliche Liebe für ein herrliches Pferd, von der in der – durch Andrzej Wajda eindrucksvoll verfilmten – Erzählung «Lotna» das Geschick einer Gruppe von Kavalleristen in den Kriegswochen des Septembers 1939 mitbestimmt wird; die Liebe zum Nächsten, die von Pater Pawel in der erschütternden Erzählung «Vor der Pforte» bis zur Opferung des eigenen Lebens für einen Feind vorgelebt wird; die Liebe zum unterdrückten Vaterland, von der die geschilderten Widerstandsaktionen in den Jahren der Okkupation getragen sind; und, in der Titelerzählung «Ariadnes Nächte», die überströmende Liebe zum Leben und zur Schöpfung, die das Herz des jungen, lungenkranken Mädchens erfüllt, das in der Luft des Bergwinters und Bergfrühlings und unter der Fürsorge einfacher Bauersleute gesundet.

Wojciech Żukrowski, der 1916 geborene, in seinem Heimatland sehr erfolgreiche Autor, dessen Bücher in Polen in fast zwei Millionen Exemplaren verbreitet sind und bereits in sechzehn Sprachen übersetzt wurden, ist bei uns durch seinen Roman «Tage der Niederlage» und die beliebten Kinderbücher «Entführung in Tiutiurlistan» und «Mein Freund der Elefant» bekannt geworden. Mit dem vorliegenden Band wird der katholische Schriftsteller zum erstenmal in deutscher Sprache mit einer Auswahl aus seinem vielfältigen erzählerischen Schaffen vorgestellt. Eine Reihe dieser Erzählungen zeigen deutliche autobiographische Züge, sie enthalten Kindheits- und Familienerinnerungen, greifen auf Erlebnisse Zukrowskis als Offizier im Krieg von 1939, bei der Arbeit im Steinbruch und im Kampf der polnischen Untergrundbewegung zurück und spiegeln, in zeitlicher Folge angeordnet, ein Stück persönlich erlebter Geschichte

Buchanfang

Der Tyrann oder Ein Sargporträt

Kennt ihr die dunklen Barockporträts auf Sechsecken aus Eichenholz oder Kupferblech? Manchmal hängt sie der Pfarrer, um dem Familienehrgeiz der Patronatsherren zu schmeicheln, unter dem Tonnengewölbe der Sakristei auf, an der dick geweißten Wand, deren Unebenheiten der Staub ausgeglichen hat. Auch in Kirchengruften findet man sie; sie sind auf gewaltigen Särgen angebracht, in denen sich ausgetrocknete Gestalten in vermoderten Trachten breitmachen.

Ich erinnere mich eines derartigen unterirdischen Gewölbes in der Kulikower Kirche. Geräuschlos schritt ich über den trockenen Sand, der so fein war wie gesiebte Asche. Aus der Dunkelheit kam ein kaum wahrnehmbarer Geruch von Schwefel und – schwächer noch – von ranzigen Nüssen. Es war so still, daß ich das Knistern des Dochtes hörte; das rotgesäumte Flämmchen wallte leicht, als rühre jemand mit einem Stöckchen in abgestandenem, herbstlichem Wasser. Ich sah die Gesichter auf den Trauerporträts, die Särge, die sich bis zur Decke türmten. Der flackernde Schein beleuchtete den gelblichen Fleck eines Antlitzes, das eingefaßt war vom Weiß einer Haube oder von einem ausrasierten grauhaarigen Schopf; nur die weitgeöffneten Augen blickten lebhaft und aufdringlich.

Wißt ihr, wie solche Sargporträts entstanden? Der herbeigerufene Farbenkleckser, der sich vorher noch schnell ein bißchen Mut antrank, malte sie in Eile, über den Leichnam gebeugt. Ein stilles, erloschenes Gesicht, wie aus Wachs.

Inhalt

5      Der Tyrann oder Ein Sargporträt
31    Das Abendbrot
45    Das Homen
52    Knabenspiele
59    Lotna
110  Vor der Pforte
143  Im Steinbruch
169  Das Begräbnis
178  Saubere Arbeit
208  Mli-Mli
230  Ein nächtliches Gespräch
262  Die Diagnose
270  Marylas Herzchen oder Die Rache
282  Ariadnes Nächte

Union Verlag (VOB) Berlin, 1967
Aus dem Polnischen übersetzt von Kurt Kelm

 

Johannes Arnold: Durch diesen Wald, durch diesen Morgen

So beginnt eine Geschichte: „Ich traf Irena auf der Brücke unterhalb des Klosters Himmelpforten, das ich besuchen wollte, wegen der hundertjährigen Buchen, die dort zwischen den Mauerruinen stehen.“

Und eine andere Erzählung endet so: „Er zeigte auf die Birken, die er hatte pflanzen lassen vor einem Jahr mitten auf dem Werkhof, damit die Leute etwas Grünes haben und weil er Birken liebte aus einem Grund, den nur er und Olga wußten.“

Vielleicht erzählt dies schon etwas von der Atmosphäre dieses Buches, von den Menschen, denen wir begegnen: manchmal unter ungewöhnlichen Umständen und gelegentlich auch in scheinbar alltäglichen Situationen. Liebe bewegt ihre Handlungen, auch Entscheidungen haben sie zu treffen.

Johannes Arnold erzählt in den sechs Geschichten dieses Buches von Menschen, deren Wege und Schicksale uns betreffen, er erzählt leise, poesievoll, genau. Wir erfahren die Gedanken und Handlungen anderer und finden uns doch manchmal selbst in ihnen, weil die Gefühle und Haltungen dieser Menschen auch unsere eigenen sein könnten.

Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1974

 

Kurt Tucholsky: Drei Minuten Gehör

Kurt Tucholsky (1890-1935) stammt aus Berlin, besuchte das "Französische Gymnasium", studierte in Berlin und Genf die Jurisprudenz, promovierte 1915 zum Dr. jur. Im gleichen Jahr wurde er zu einem Schipperbataillon eingezogen. Hatte er schon neben seinen Studien für Zeitungen und Zeitschriften geschrieben, so wurde er nach Kriegsende Leiter des literarischen Wochenblattes "Ulk", bald darauf freier Schriftsteller. Die Inflation zwang ihn, als Bankangestellter sein Brot zu suchen. 1924 siedelte er als Korrespondent der "Weltbühne", an der er seit 1913 mitwirkte, nach Paris über. 1929 nahm er seinen Wohnsitz in Schweden. Die Nazis bürgerten ihn aus, verboten und verbrannten seine Bücher. 1935 setzte er seinem Leben ein Ende, aus Mangel an Hoffnung. Die vorliegende Auswahl aus der Fülle seiner brillanten Satiren, Humoresken, Polemiken, Porträts, Gedichte, Glossen zeigt uns einen überragenden Spötter und Humoristen, einen scharfsichtigen Kritiker seiner Zeit, einen aufrichtig suchenden, streitbaren Menschen.

Reclams Universal-Bibliothek Band 309
Erzählende Prosa, Versdichtung
 

03 September 2022

Günter Radtke: Die Tätowierten

 Als das Telefon Oberleutnant Rückert aus dem Schlaf reißt, weiß er noch nicht, daß ihm Tage und Nächte schwerster Arbeit bevorstehen: Eine junge Frau ist ermordet worden, und die Spuren führen zu einer Gruppe Jugendlicher, die Hohlheit und Amoralität der "westlichen Lebensweise" nicht zu durchschauen wußten. Die Aufklärung des Verbrechens verläuft nach allen Regeln des spannenden Detektivromans; entdeckt aber wird nicht nur der Täter, sondern zugleich manche Ursache und Bedingung der Straffälligkeit Jugendlicher. In einem zugespitzt drastischen Fall schildert der Autor, selbst Offizier der Kriminalpolizei, den verantwortungsvollen Kampf um die weitere Zurückdrängung der Jugendkriminalität. Obwohl das Geschehen Jahre zurückliegt, mahnt es uns, wachsam gegenüber Einflüssen zu sein, die auf die Schädigung unserer Gesellschaft gerichtet sind.

Greifenverlag zu Rudolstadt 1971, 4. Auflage 1979
Mit 17 Illustrationen von Rolf F. Müller

Älian: Die tanzenden Pferde von Sybaris - Tiergeschichten

Claudius Aelianus (2./3. Jahrhundert) führt in seinen siebzehn Büchern "Über die Eigenheiten der Tiere" in bunter Mischung wohl alles vor Augen, was da kreucht und fleucht: "Ich beschäftige mich mit Füchsen und Eidechsen, Käfern, Schlangen und Löwen, was der Panther tut und wie der Storch zärtlich liebt, auch mit den Arten der Fische und mit dem Fluge der Kraniche, den Eigenheiten der Schlangen und all den anderen Dingen, die dieses Werk sorgfältig ausgearbeitet, umschließt. Wenn weise Dichter und Männer, die fähig waren, die Geheimnisse der Natur zu durchschauen und zu erforschen, wenn Schriftsteller mit großer Erfahrung diese Themen für ihrer würdig erachtet haben, so wollte auch ich den bescheidenen Versuch wagen, mich zu ihrer Zahl zählen zu lassen", begründet der fleißig griechisch schreibende römische Autor die Absicht, die er mit seiner kenntnisreichen Sammlung verfolgte. Er konnte gewiß sein, mit der Buntheit der Lektüre den Leser anzulocken und es richtig gemacht zu haben, wenn er diese Schrift wob und flocht "wie einen Kranz, der durch Farbenreichtum schön ist und zu dem die vielen Tiere und Blumen liefern".

Reclams Universal-Bibliothek Band 747, 1.Auflage 1978
 

Ohne Autor: Du alter Riesenhupf! - Schwedische Märchen

Schwedische Märchen wandern immer mit der Sonne. Einmal haben sie um Arbeit nachgefragt bei einer Schloßherrin, die war eine Trollalte! "Denkt ihr, ich nehme jeden Hergelaufenen in meinen Dienst? Schert euch weg!" Aber sie durften für eine Nacht im Gänsestall schlafen. Die Märchen kehrten und scheuerten jeden Winkel im Stall. Aus Sonnenstrahl und Mondenschein spannen sie zauberhaft schönes Garn und flochten es zu prächtigen Teppichen. Mit denen kleideten sie den Gänsestall aus. Die Wände, den Fußboden, sogar die Decke. Dann liefen sie ins Dorf und haben eingekauft: Fleisch und Brot und Wein, Früchte und Gewürze. Und sie haben gebacken und gebraten und gekocht, im ganzen Schloß konnte sich keiner erinnern, daß es jemals so fein gerochen hätte.
Dann haben sie die Trollin geholt: Wir bitten dich, heute abend unser Gast zu sein...
Damit hatten die Märchen die Verzauberte erlöst. Doch jetzt kommen sie nur noch einmal her und dann niemals mehr.

Reclams Universal-Bibliothek Nr. 556, 1. Auflage 1974 
Erzählende Prosa mit Illustrationen


Schwedische Märchen wandern immer mit der Sonne. Einmal haben sie um Arbeit nachgefragt bei einer Schloßherrin, die war eine Trollalte! "Denkt ihr, ich nehme jeden Hergelaufenen in meinen Dienst? Schert euch weg!" Aber sie durften für eine Nacht im Gänsestall schlafen. Die Märchen kehrten und scheuerten jeden Winkel im Stall. Aus Sonnenstrahl und Mondenschein spannen sie zauberhaft schönes Garn und flochten es zu prächtigen Teppichen. Mit denen kleideten sie den Gänsestall aus. Die Wände, den Fußboden, sogar die Decke. Dann liefen sie ins Dorf und haben eingekauft: Fleisch und Brot und Wein, Früchte und Gewürze. Und sie haben gebacken und gebraten und gekocht, im ganzen Schloß konnte sich keiner erinnern, daß es jemals so fein gerochen hätte.
Dann haben sie die Trollin geholt: Wir bitten dich, heute abend unser Gast zu sein...
Damit hatten die Märchen die Verzauberte erlöst. Doch jetzt kommen sie nur noch einmal her und dann niemals mehr.
Die Fülle der heute in Schweden vorliegenden Sammlungen beweist: Das Land verfügt über einen reichen Schatz an Volksmärchen. In den verschiedensten sozialen Sphären beheimatet, entführen sie den Leser in eine bunte, interessante Welt.

Reclams Universal-Bibliothek Nr. 556, 3. Auflage 1981
Belletristik
 


 

Erika Rüdenauer: Dünne Haut - Tagebücher von Frauen

Elke Büttner, 44 Jahre, Schneiderin, 3 Kinder, geschieden: Manchmal glaube ich, daß ich bei allem, was ich rastlos tue und treibe, aus dem Quell einer großen Liebe schöpfe, die sich verschwenden will und oft nicht weiß wie...

Gerdi Nolde, 58 Jahre, Sachbearbeiterin, 5 Kinder, geschieden: Nun sage mir bloß, Hiltrud, was wollen wir mit der ganzen Gleichberechtigung anfangen, solange wir derart ausgeliefert sind? ... Ach, wenn das möglich wäre: selbst entscheiden können, wann man ein Kind haben will...

Barbara Freiling, 38 Jahre, invalid, 1 Kind, verheiratet: Manchmal wünsche ich mir, nur für ein paar Stunden gesund zu sein, durch die Wiesen zu rennen, mit einem Kind auf den Arm auf einen hohen Turm zu steigen oder selbstsicher, wie jede andere, über den Marktplatz zu gehen...

Marie Ziegler, 42 Jahre, Revierförsterin, 2 Kinder, geschieden: Frauen sollten Diplomaten sein. Aber sind Diplomaten ehrlich? Sie müssen ein freundliches Gesicht zeigen, Liebenswürdigkeiten austauschen, auch wenn sie lieber zubeißen würden. Ich will kein Diplomat sein...

Dies ist ein Buch für Frauen und für Männer, für Junge und für Alte, denn es erzählt von wirklichen Lebenskonflikten und davon, was Frauen, die sich bis an die Grenze ihrer Kraft und über sie hinaus ausgeben, an Glück verlieren und gewinnen können. Ein dokumentarischer Bericht von beeindruckender Ehrlichkeit.

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig, 3. Auflage 1989
 

Benno Voelkner: Die Tage werden heller


 Es ist in den dunkelsten Tagen der deutschen Geschichte unserer Zeit. Als die letzten Trümmer des vergangenen Krieges verrauchten, verläßt eine Gruppe Deutscher, Opfer verbrecherischer Politik der Vergangenheit, ihre Heimat, das ehemalige Korridorgebiet. Unter Führung von Karl Stiemer, dem nicht nur seine Frau, sondern auch eine ganze Anzahl tatkräftiger, menschlich hochwertiger und politisch bewußter Männer und Frauen zur Seite stehen, geht es in mühseliger, oft unterbrochenem, zuweilen kaum abzusehender Reise nach Westen, nach Mecklenburg. 

Hier nun bauen die Menschen wiederum angeleitet von Karl Stiemer als dem neuen Bürgermeister der Landgemeinde, Stück um Stück ihr neues Haus, ihre neue Heimat. Oft quält sie der Hunger, Krankheiten machen sie mutlos. Unglücksfälle werfen sie zurück - und mancherlei Gleichgültigkeit, Fahrlässigkeit, ja Verrat und Sabotage hemmen sie. Aber es gelingt: das neue Leben, die neue Ordnung setzten sich durch. Die Bodenreform gibt den Heimatlosgewordenen als kostbares Gut etwas in die Hand, was die meisten von ihnen, Enterbte der Vergangenheit, nie kannten: eigenen Besitz an Grund und Boden und damit zugleich ein neues, ein stärkeres Heimatgefühl, eine stärkere Verpflichtung zum Leben und zur aufbauenden Arbeit. 

Der Ablauf dieser ereignisschweren Jahre gewinnt in diesem Buch - stellenweise ergreifend - Leben durch Menschen handelnde, kämpfende, liebende, leidende und sich freuende Menschen. Überdies spiegelt sich im Leben der hier dargestellten Personen ein Teil dessen wider, was wir alle in diesen Jahren erlebt haben, so daß der Leser durch Thema und Gestaltung gleicherweise angeregt, zu unmittelbarer Teilnahme sich gedrängt fühlt. Die Saaten sprießen. Ernten reifen, die alten Menschen werden jung und wie neu: Die Tage werden heller.

Petermänken-Verlag Schwerin, 1. Auflage 1952

Brigitte Böttcher und andere: Die Taubenfeder

"Was vermag ein Wort gegen einen Schuß, ein Satz gegen eine Salve, eine beschriebene Seite gegen ein geladenes Geschütz, ein Gedicht gegen Bombenfeuer - was vermag Literatur gegen den Krieg?" fragt Hermann Kant. Die Literaturgeschichte dieses durch Kriege erschütterten Jahrhunderts ist auch die Geschichte des Wortes gegen den Krieg, für die »Verteidigung der Kultur«. Unter diesem Motto trafen sich 1935 in Paris Schriftsteller zum Ersten Internationalen Kongreß für den Frieden. - 1982, als sich Schriftsteller zum Vierten Sofioter Treffen zusammenfanden, hatte Europa fast vierzig Jahre Frieden erlebt, aber es war ein immer bedrohter Frieden.

Dieses Buch dokumentiert die Friedensbewegung der Schriftsteller der Welt, es enthält Reden und Aufsätze aus (mehr als fünf Jahrzehnten; es zeigt, was das Wort gegen den Krieg vermag.

Laßt uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden. - Bertolt Brecht 1952

Mitteldeutscher Verlag Halle-Leipzig 1. Auflage 1983
Hrsg.: Eberhard Günther, Brigitte Böttcher, Ingrid Engler, Katrina Moschner und Martin Reso
Reihe: Schriftsteller der Welt für den Frieden der Welt

 

02 September 2022

Marianne Bruns: Veit Stoß. Jörg Ratgeb

Zwei Romane, in deren Mittelpunkt Künstler stehen: der Bildschnitzer Veit Stoß und der Maler Jörg Ratgeb. Beide, verehrt der eine und verfolgt der andere, leben in der Zeit der Bauernkriege und der geistigen Auseinandersetzung mit Renaissance und Reformation. Marianne Bruns spürt die inneren Zwänge und äußeren Bedrängnisse dieser beiden großen Meister auf und erhellt mit großer Einfühlungskraft die psychische Situation der Künstler.

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig, 2. Auflage 1984
 

Rainer Kerndl: Die Steine der Schahnas

"Was soll's mit den dummen Dingern." Der Fahrer Hassan kam zu ihr. "Steine! Als hätten sie den Wert von tausend Dinart." Er nahm ihr einen aus der Hand, warf ihn verächtlich zu den anderen auf den Wagen. "Kannst sie vergessen, Feigenblüte. Wir müssen laufen, und da schleppt man nichts Beschwerliches mit." Schahnas zwängte sich an ihm vorbei zum Wagen. Von allem, was er sagte, hatte sie nur begriffen, daß sie ihre Steine im Stich lassen sollte. Sie schob sie ängstlich zusammen. So stand sie hilflos vor dem Wagen, hielt die Hände um die Steine und bewegte sich nicht...

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1. Auflage 1989
ATB Nr. 135

Rainer Kerndl

Harald Korall: Die Stunde vor Mitternacht

Am hellen Tage wird eine junge Lehrerin beraubt und getötet; eine Serie von Brandstiftungen schafft Unruhe; ein skrupelloser Handel mit Wohnungszuweisungen wird aufgedeckt; die kurze Unaufmerksamkeit eines Lokführers wird zahlreichen Menschen zum Verhängnis; ein Messerstecher findet seine Opfer in der Stunde vor Mitternacht...

Acht authentische Fälle aus vier Jahrzehnten hat Harald Korall aufgeschrieben. Wie schon in seinen Büchern "Die Tote an der Waisenhausmauer" und "Die Millionenlady" bieten die so entstandenen Kriminalgeschichten nicht nur die Spannung, die aus der Darstellung der Tathergänge und Ermittlungen erwächst, sondern auch interessante Studien der Täterpersönlichkeiten.

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig
 

Gleb Golubjew: Die Stadt der toten Götter

Als eines Tages ein Flugzeug am Himmel auftaucht, ahnen Andrej und sein mexikanischer Freund, der Archäologe Alvarez, noch nicht, daß ihnen Gefahr droht. Alvarez hat in den Wäldern Guatemalas eine alte, versunkene Mayastadt entdeckt. Beide werden während der Ausgrabungen von Banditen verfolgt, die ihnen die Früchte ihrer Arbeit abjagen wollen. Unverhofft erhalten sie Hilfe von Jonny Batman, einem verwegenen Mestizen. Er kennt den Urwald und seine verborgenen Schätze genau und führt Andrej und Alvarez zu geheimnisvollen Städten und Pyramiden, die seit Jahrhunderten keiner betreten hat.

Leseprobe
Das Verhör war offensichtlich nicht nach dem Geschmack des Wirtes. Er verschwand eilig in der Küche und ließ sie allein mit der Frage, was ein Geschäftsmann in diesem Krähenwinkel wohl treiben mag.
Batman hatte offenbar bemerkt, daß sich das Gespräch um seine Person drehte, oder ihm fiel einfach die aufdringliche Gafferei auf die Nerven. Jedenfalls spuckte er wütend seine Kippe aus, schob seinen Hut in die Stirn und verschwand hinter der Hausecke.
Später sahen sie den geheimnisvollen Busineßman mit dem Gesicht eines Mayapriesters noch ein paarmal. Alvarez machte sogar den Versuch, seine Bekanntschaft zu schließen. Doch daraus wurde trotz aller Wortgewandtheit des Professors nichts. Batman lehnte es entschieden ab, sich fotografieren zu lassen und tauchte für einige Abende unter, obwohl seine Kumpels nach wie vor bis zur späten Dämmerung an den Pfeilern des Schutzdaches lümmelten. Sie standen wie angegossen und beobachteten die Gäste. Düster und abgerissen wie sie aussahen, erinnerten sie an Geier, die auf Beute lauerten.

Verlag Neues Leben Berlin 1972
Kompass-Bücherei Band 160

 

Hildegard Maria Rauchfuss: Wem die Steine Antwort geben

Im Mittelpunkt der Handlung steht der Bildhauer Manfred Rohloff, der am Aufbau des Zwingers mitarbeitet. Aus seiner gesellschaftlichen Isolierung, in die er sich durch persönliche Konflikte treiben ließ, löst ihn die junge Karla Dröge und verhilft damit seinen schöpferischen Kräften zum Dutchbruch. Auch Herta Rohloff, die Frau des Bildhauers, findet eine Aufgabe, die sie über das hinausführt, an dem ihre Ehe zerbrach.

Mitteldeutscher Verlag Halle/Saale 11. Auflage 1962

 

Herbert Schauer: Die Stadt, die der Teufel schuf

In einer Pension in Konstanz wird Aletta Bastiné ermordet. Schon einmal war sie als Brigitte Richard tödlich verunglückt, doch ihr wirklicher Name ist Christa Preußner. War sie die Geliebte des von der Interpol gesuchten Gaston Mercier, wie es in einer Akte beim CIA heißt? Eine Geheimorganisation entledigte sich ihrer, weil Christa Preußner zuviel wußte und davon unerwünschten Gebrauch machte. Der Bundesverfassungsschutz will verhindern, daß der Mord an die Öffentlichkeit dringt, damit keine weiteren Geheimnisse bekannt werden. Doch wenige Stunden vor ihrem Tod telefonierte Christa Preußner mit Thomas Wallburg und machte ihn zu einem gefährlichen Mitwisser, der unbedingt am Reden gehindert werden muß...

Mitteldeutscher Verlag Halle Leipzig
 

01 September 2022

Margery Allingham: Die Spur des Tigers

Margery Allingham gehört zur berühmten Garde englischer Kriminalschriftstellerinnen, steht aber bis heute im Schatten ihrer Zeitgenossinnen Agatha Christie und Dorothy L. Sayers. Zu Unrecht, denn ihre bewundernswerte Phantasie, ihre mitunter an Dickens erinnernde Milieu- und Charakterzeichnung, ihr sicheres Stilgefühl lassen sie durchaus ehrenhaft abschneiden beim Vergleich mit ihren Kolleginnen.

Der "Tiger" Jack Havoc, ein notorischer Schwerverbrecher von raubtierhafter Faszination, durchstreift den Großstadtdschungel Nachkriegs-Londons auf der Jagd nach einem Schatz, von dem er während seiner Soldatenzeit erfahren hat. Rücksichtslos verfolgt er sein Ziel und räumt unbarmherzig aus dem Weg, was ihn behindert. Am Ende führt ihn die Suche nach Frankreich, wo sich an einsamer Küste der Kampf zwischen ihm und seinen Rivalen entscheidet.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1987
Titel der englischen Originalausgabe: The Tiger in the Smoke
bb Nr. 595
Aus dem Englischen von Alexandra und Gerhard Baumrucker

Eduard Klein: Die Smaragdmine

Es ist ungewöhnlich: so spät noch ein Smaragdtransport nach Trinidad. Die Regenzeit hat bereits begonnen und macht die Wege fast unpassierbar. Es muß also eine besondere Bewandtnis haben, wenn Sebastiano und dessen Leute vom Verwalter nochmals losgeschickt werden. Und ungewöhnlich endet auch dieser beschwerliche Zug. Kurz vor dem Ziel stürzt plötzlich eine Brücke in den Fluß, zwei Eseltreiber, deren Lasttiere und die Kiste mit den Edelsteinen mit sich reißend. Was nun folgt, ist aber das ungewöhnlichste von allem: Sebastiano soll der Schuldige sein. Für ihn, für seine geliebte Pepa, für ihre Familien beginnt eine harte Zeit. Abenteuerlich verläuft nun das Leben Sebastianos, der doch nur als ein einfacher Siedler leben wollte, ehe es ihm endlich gelingt, die Hintergründe zu erhellen, um derentwillen all das Schreckliche geschehen ist.

Verlag Neues Leben Berlin 1979
Spannend erzählt, Band 158

 

Bernhard Kellermann: Die Stadt Anatol

Bernhard Kellermann (1879-1951) schildert in diesem spannenden Roman anhand der fiktiven Stadt Anatol die verheerenden Folgen rücksichtsloser kapitalistischer Industrialisierung.

"Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß ich mit der ,Stadt Anatol' einen Erdölroman schreiben wollte", beginnt Bernhard Kellermann eine erst in dem Sammelband "Eine Nachlese" veröffentlichte Notiz über dieses Buch (vermutlich von 1932). Er habe zwar die rumänischen Erdölreviere und die Petroleumfelder von Baku gesehen, aber nicht das Öl sei der Held des Romans, sondern die kleine, stille Balkanstadt, am Rande der Zivilisation gelegen: der Held, das sind ihre Bürger. "Die soziale Struktur der Provinzstadt wird gesprengt, die gesellschaftlichen Schichtungen verwerfen sich, die moralischen und ethischen Grundmauern, die fest wie Felsen schienen, gehen in die Brüche." Dieser symptomatische Vorgang, die Auswirkungen des technischen Fortschritts unter kapitalistischen Bedingungen, ist das eigentliche Thema des Romans. Kellermann kommt zu dem Schluß: "Solange die Bodenschätze der privaten Spekulation ausgeliefert sind, werden Menschen nicht anders handeln als die Leute in Anatol... Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, wird man mein neues Buch zu den gesellschaftskritischen, ja, wenn man will, sogar gesellschaftlich-satirischen Romanen zählen müssen."

Der Text der vorliegenden Ausgabe entspricht der 1955 noch mit Autorisierung des Dichters veröffentlichten Fassung. Er wurde an Hand der Erstausgabe, die 1932 im S. Fischer Verlag erschien, überprüft und ergänzt.

Verlag Neues Leben Berlin 1980

 

Johannes Arnold: Aufstand der Totgesagten

Georg Heinicke schiebt den Rollwagen ans Fenster, stößt es mit dem Stock auf. Hört dann wieder auf die Stimme im Lautsprecher. Die Faschisten sind besiegt. Aber Waldenberg wird auch in den nächsten Tagen nicht von Siegertruppen besetzt, bleibt Niemandsland. Da weiß Heinicke, daß persönliche Initiative nötig ist.

Johannes Arnold erzählt vor dem Hintergrund tatsächlicher Ereignisse in diesem Roman, wie eine Handvoll Männer und Frauen mit dem Aufbau neuer Ordnung beginnen. Die Verwaltung, der Bahnhof, das Elektrizitätswerk müssen besetzt werden, die Menschen der Stadt brauchen Nahrung, die Kranken Medikamente. Die Totgesagten, Kommunisten und Antifaschisten, sind auferstanden. Unter ihnen Georg Heinicke, der selbst krank ist und weiß, daß er nur noch wenige Wochen oder Tage zu leben hat. Sie haben keine Erfahrung, aber sie beginnen. Nur fünf Tage schildert der Autor in diesem Roman, fünf Tage in der kleinen Stadt Waldenberg. Diese fünf Tage sind der Beginn eines neuen Lebens. So wächst vor dem Leser aus der Atmosphäre und den Ereignissen dieser Stunden das Bild des Neuanfangs. Dabei ist dieses Buch nicht allein historisch, sondern gibt in den Entscheidungen und Eigenschaften seiner Helden zugleich Beispiele für uns Heutige.

Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)

1. Auflage / 1969
2. Auflage / 1971
3. Auflage / 1975
4. Auflage / 1977
5. überarb. Auflage / 1987*

* mit e. Nachw. von Klaus Walther

 

Hildegard Maria Rauchfuss: Mit dem linken Fuß zuerst

Von der Liebe wird erzählt und vom Haß, von Verzweiflung und neuer Hoffnung, von Irrwegen und besseren Einsichten, die oft teuer bezahlt werden mußten. Vor dem Hintergrund der letzten vier Jahrzehnte begibt sich, was hier an menschlichen Schicksalen gestaltet ist.

Hildegard Maria Rauchfuss hat sich vor allem mit ihren vielgelesenen Romanen "Schlesisches Himmelreich" und Fische auf den Zweigen" einen  Namen gemacht. Auch in ihren Erzählungen, Kurzgeschichten und Feuilletons ist sie dem verpflichtet, was sie erfuhr und erlebte. Gedichte, die der Begegnung mit der Natur und den Jahreszeiten, dem großen und dem kleinen Weltgeschehen gewidmet sind, Chansons, die Ärgernisse auf- und angreifen, vereinen sich mit den Prosatexten zu einem Bild, das wesentliche Züge der Autorin wiedergibt. Es ist das Porträt einer lebensverbundenen, engagierten Zeitgenossin.

Mitteldeutscher Verlag Halle und Leipzig, 2. Auflage 1986