24 Februar 2022

Susanne Statkowa: Begegnungen im Gelobten Land

Der heiße Wüstenwind, der sich nach einer langen Periode blendend blauen Himmels einstellt, plagt mich auf der Fahrt durch die karge, steinige Landschaft. Dreht man die Scheibe herunter, so sticht der Wind wie mit tausend heißen Nadeln, dringen Staub und Sandkörnchen in das Wageninnere. Bis zu 600 Meter hohe Bergketten durchziehen die Täler Galiläas. Hin und wieder sieht man Beduinenzelte und Hirten im traditionellen weißen Gewand. Doch auch andere Zelte stehen am Straßenrand: die khakifarbenen der israelitischen Besatzer, die jedes Auto kontrollieren. Unser Auto trägt eine israelitische Kennummer. Da genügt ihnen eine „Gesichtskontrolle“.

Militärverlag der DDR, Berlin 1987
Tatsachen 301

 

Hans von Oettingen: Abenteuer meines Lebens – Irrwege und Einsichten eines Unbedachten

Der Spannungsbogen in dieser konfliktreichen Lebensgeschichte ist groß. Der Autor, Jahrgang 1919, entstammt einem sowohl in Süddeutschland als auch in den ehemals baltischen Provinzen des zaristischen Rußland ansässigen einflußreichen Adelsgeschlecht. Einige Mitglieder der Familie gehören dem Bildungsbürgertum an. So war der Großvater bis 1919 Direktor des Goethe-Schiller-Archivs. Der Vater, ein angesehener Frauenarzt, entpuppte sich nach 1933 als fanatischer Anhänger des Faschismus. Der Sohn versuchte aus dieser von widersprüchlichen Autoritäten bestimmten Umwelt auszubrechen. Sein Protest richtete sich gegen diktatorische Erziehung und gegen stumpfsinnige Naziparolen. Bewegte Stationen auf diesem Weg waren eine mißglückte Landwirtschaftslehre, der als Flucht ins Abenteuer gedachte Einsatz im Kriege, den er bald als faschistische Barbarei begriff, eine Anklage wegen Widerstand vor dem Militärgericht, ein kurzfristiges Glücksritterdasein auf den Wogen einer buntscheckigen bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft und insgesamt das mühevolle Vordringen zu neuen Erkenntnissen. Für den talentierten Publizisten bedeutete das schließlich entschiedenes Auftreten gegen die Restauration der Reaktion in der BRD. Immer mehr eingeschränkt in seinem Wirken, siedelte er in die DDR über, wo er ein reiches Betätigungsfeld fand.

Verlag der Nation Berlin 1981

 

Lion Feuchtwanger: Der falsche Nero

Lion Feuchtwangers (1884-1958) Roman „Der falsche Nero“ entstand 1935 im französischen Exil und ist eine der ersten Reaktionen des Autors auf die Machtübernahme der Faschisten in Deutschland. In „historischer Einkleidung“ wird ein Stück Zeitgeschichte behandelt: Aufstieg und Ende des Dreigestirns Terenz, Knobs, Trebon symbolisieren die Brüchigkeit und Vergänglichkeit einer „Herrschaft der Gewalt des Widersinns“.

Über die Wirksamkeit des historischen Romans im politischen Kampf urteilte Feuchtwanger: „… der historische Roman scheint mir eine Waffe, die wir … gut brauchen können. (Übrigens wissen auch unsere Gegner von den Vorteilen dieser Waffe, sie münzen die Geschichte der Menschheit nach dem Vorbild ihrer Ideologen in schmutzige, blutige sentimentale Mythen um und wärmen den historischen Roman in seinen altbekannten Typen wieder auf.) Ich für meinen Teil habe mich, seitdem ich schreibe, bemüht, historische Romane für die Vernunft zu schreiben, gegen Dummheit und Gewalt, gegen das, was Marx das Versinken in die Geschichtslosigkeit nennt. Vielleicht gibt es auf dem Gebiet der Literatur Waffen, die unmittelbarer wirken: aber mir liegt … am besten diese Waffe…“

Philipp Reclam jun., Leipzig 1984
Reclams Universalbibliothek Nr. 1038

 

23 Februar 2022

Helga Bemmann: Das Leben großer Clowns

Ein Zirkus ohne Clown - das ist undenkbar. Die komische Figur kann auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken, darunter den Harlekin der italienischen Commedia dell'arte und den Kasperle des Puppentheaters. Aber erst im Zirkus errang der Spaßmacher seine ungeheure Vielfalt und Wirkung. Die besten Clowns - wie etwa Grock, Charlie Rivel oder Karandasch - erreichten eine Popularität und Berühmtheit wie nur wenige Künstler. Ihr buntes und oft seltsames Leben schildern die Memoiren des Buches. Die Selbstzeugnisse berichten von der Entwicklung der Clowns, ihrer harten artistischen Arbeit und den vielen komischen Erlebnissen während ihres abwechslungsreichen Vagantendaseins. Wir erkennen aus den Schilderungen das einmalige persönliche Profil der großen Spaßmacher, erfahren, wie sie zu ihren Tricks, ihrer Maske und ihren Kostümen kamen. Und immer wieder erzählen diese Lebensberichte, wie die Clowns mit ihrer Kunst den Zuschauern Freude und Optimismus brachten, ob im kleinen Zweimastzelt auf dem Dorfanger oder in den großen Weltstadtvarietés.

Henschelverlag Berlin 1976

 

Siegfried Fischer: Die versunkene Flaschenpost


 Berndt und Helmut halten eine Botschaft in Händen, die geheimnisvoll klingt und recht verworren. Sie beschließen ihr nachzugehen. Noch ahnen sie nicht, worauf sie sich einlassen.

Verlag Neues Leben Berlin

Mario Turra: Das Lachen des Clowns

Mario Turra beschäftigt sich mit der Geschichte des Clowns, seiner Verwandtschaft mit dem antiken Spaßmacher, Harlekin, Pierrot, Hanswurst und all diesen lustigen Personen der darstellenden Künste. Er untersucht den künstlerischen Schaffensprozeß des modernen Clowns, die inhaltlichen und formalen Gestaltungsprobleme und die unterschiedlichen Positionen (und damit auch Konzeptionen) des Artisten Clown im Sozialismus und Kapitalismus. Die Clownsgestalten solch berühmter Artisten wie Grock, Charlie Rivel und Popow werden genauestens analysiert. In einer lockeren, dem heiteren Gegenstand angemessenen Weise beschreibt der Autor die Gags, mit denen die Clowns ihr Publikum zum Lachen bringen.

Henschelverlag Kunst und Gesellschaft Berlin

 

21 Februar 2022

Novalis: Dichtungen und Prosa

Friedrich von Hardenberg (Novalis; 1772-1801) - unter den Dichtern der deutschen Frühromantik hervorragend mit den "Geistlichen Liedern", den "Hymnen an die Nacht", auch mit dem "Ofterdingen"; vielseitig gebildet und produktiv weiterdenkend in seinen "Fragmenten", die er "Sämereien" nannte, Möglichkeiten der Selbstverständigung, des Sammelns und Ausstreuens, damit ein Ganzes aus ihnen wachse.
Nicht ohne gründliche Kenntnis aller die romantische Dichtungsepoche prägenden Kräfte werden wir dieses Erbe in unserer eigenen Kultur aufheben können: "Die Romantik-Kritik gehört zu jenem Gesamtprozeß, in welchem sich die Arbeiterklasse ihres Selbstbewußtseins versichert. Im Fortgang jedoch der Aneignung der Kultur entwickelt sich als Notwendigkeit gleichwohl eine Kultur der Aneignung. Sie ist, wie alle kulturvolle Bewältigung von Wirklichkeit, dadurch gekennzeichnet, daß in der aktuellen Betrachtung zugleich ein feiner Sinn für das konkret-historisch Mögliche in seiner individuellen Erscheinung zur Geltung kommt" (C. Träger).

Reclams Universal-Bibliothek Band 394, 1. Auflage 1975
Die Rechte an der historisch-kritischen Novalis-Ausgabe liegen beim W. Kohlhammer Verlag Stuttgart
 

Plutarch: Lebensklugheit und Charakter


 Plutarch, griechischer Historiker, Philosoph, Schriftsteller und Biograph, dazu Literaturkenner, geselliger Plauderer und lebenskluger Freund und Ratgeber, hinterließ neben seinen Lebensbeschreibungen berühmter Griechen und Römer eine Fülle kleiner Schriften, die unter dem Sammeltitel ,Moralia' zusammengefaßt sind. Aus diesem Kompendium wurden die vorliegenden Traktate, Dialoge, Briefe ausgewählt, die das heutige Publikum in gleicher Weise lebendig, überzeugend und unmittelbar anrühren wie ihre Leser seit neunzehn Jahrhunderten.

Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung Leipzig, 1. Auflage 1970
Sammlung Dieterich Band 380
Aus den Moralia ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von Rudolf Schottlaender

Franz Fühmann: SAIÄNS-FIKTSCHEN. Erzählungen

SAIÄNS-FIKTSCHEN? Der Leser begegnet in diesem Band sieben Geschichten aus einer möglichen Zukunft - aus der Welt der Wissenschaftler Janno, Jirro und Pavlo -, die dennoch nicht als "Science-fiction" im gewohnten Sinn verstanden werden möchten. Als Franz Fühmann bei einem Gespräch mit Lesern beiläufig gefragt wurde, ob er SAIÄNS-FIKTSCHEN schriebe, antwortete er "ohne Zögern mit Nein! - Ich dachte an Science-fiction, wovon ich das nicht sehr viele, das ich kannte, nicht mochte und dessen Fundus ich daher nicht zu erweitern gedachte. Später las ich dann mehr, und hie und da gefiel mir schon etwas ... Aber Science-fiction machen wollte ich dennoch nie. Dann, in einer bösen Krise, ich glaube 1974, schrieb ich die erste Geschichte dieses Buches, die ,Ohnmacht'; ich schrieb sie, um eine existentielle Lähmung zu überwinden, und fand in jener irrealen Welt und Weise die mir anders nicht gewinnbare Form, das, was mich quälte, in Worte zu fassen ... ,Sinn und Form' druckte diese Geschichte, und ich wurde bald darauf von einem Leser belehrt, das Genre der Science-fiction arg verfehlt zu haben: das darin enthaltene physikalische Problem sei von mir in einer Weise angepackt worden, die für ernsthafte Science-fiction zu viel Kolportage und für Kolportierendes zu viel Ernst aufwende ... Ein Mißverständnis. Um es nicht zu reproduzieren, beschloß ich, künftig derlei Geschichten als SAIÄNS-FIKTSCHEN zu deklarieren. Denn ich hatte indessen begriffen, daß die Personnage Janno-Jirro-Pavlo mir gerade wegen ihres etwas abstrakten Charakters Gelegenheit gab, auch andere Bedrängnisse und Nöte schreibend zu materialisieren, um ihnen besser begegnen zu können, Bedrängnisse und Nöte jener Art, die sich so schwer darstellen lassen, weil sie zwar der Realität entstammen, sie aber, die Realität, wohl maßlos überschreiten... SAIÄNS-FIKTSCHEN denn -: ein Zwitterwesen; als Science-fiction nicht ernst zu nehmen, als SAIÄNS-FIKTSCHEN vielleicht so ernst, wie es das Schriftbild eines Gesprochenen sagt: als Verfremdung ... Sie sind diese Geschichten, insgesamt Schlußpunkte, im Bereich gestockter Widersprüche, wo Stagnation als Triebkraft auftritt ... Auf die gewißlich zu erwartende Frage eines künftigen Lesers, ob ich weiterhin SAIÄNS-FIKTSCHEN schreiben werde, antworte ich ohne Zögern mit Nein!"

Inhalt
Die Ohnmacht
Der Haufen
Das Denkmal
Die Straße der Perversionen
Das Duell
Bewußtseinserhebung
Pavlos Papierbuch

Hinstorff-Verlag Rostock, 2. Auflage 1983
Schutzumschlagentwurf: Lothar Reher

18 Februar 2022

Lukian: Götter, Tote und Hetären

Buchbeginn

Befreiung des Prometheus

Prometheus und Zeus

Prometheus: Laß mich los, Zeus, du hast mich lange und schrecklich genug leiden lassen!

Zeus: Dich sollt' ich loslassen, dich, der immer noch zu gelinde bestraft wäre, wenn ich dich mit weit schwereren Fesseln belegt und dir den ganzen Kaukasus auf den Kopf gewälzt hätte? Dich, dem sechzehn Geier für einen nicht nur die Leber, sondern die Augen ausfressen sollten, um dich nach Verdienst dafür zu bestrafen, daß du uns eine so unselige Art von Tieren wie die Menschen auf die Welt gesetzt, das Feuer vom Himmel gestohlen und, was noch das ärgste ist, die Weiber erschaffen hast! Denn wie du mich selbst bei der Austeilung des Opferfleisches betrogen, da du mir nichts als Knochen mit Fett bedeckt vorsetztest und das Fleisch für dich behieltest, davon mag ich gar nicht reden.

Prometheus: Bin ich nicht genug dafür bestraft, daß ich schon so viele tausend Jahre an den Kaukasus angeschmiedet, diesen verdammten Adler mit meiner Leber füttern muß?

Zeus: Und doch ist es nur der kleinste Teil dessen, was du zu leiden verdient hast...

Philipp Reclam jun. Leipzig
Reclams Universal-Bibliothek Band 8701-03 C
2. Auflage 1959
Herausgegeben von Dr. Jürgen Werner

Volker Ebersbach: Heinrich Mann

HEINRICH MANN (1871-1950), der Autor der "Kleinen Stadt", des "Professor Unrat", des "Untertan", des "Henri IV.", hat ein umfangreiches Gesamtwerk hinterlassen. Thomas Mann zog eine Bilanz der Leistung des Bruders: Sein Kunsterleben ist vollendet ausgeklungen in den beiden letzten Romanen, dem 'Empfang bei der Welt', einer geisterhaften Gesellschaftssatire, deren Schauplatz überall und nirgends ist, und dem 'Atem', dieser letzten Konsequenz seiner Kunst, Produkt eines Greisen-Avantgardismus, der noch die äußerste Spitze hält, indem er verbleicht und scheidet. Auf ebendieselbe Weise hat der große Essayist sich vollendet in dem faszinierenden Memoirenbuch 'Ein Zeitalter wird besichtigt', einer Autobiographie als Kritik des erlebten Zeitalters von unbeschreiblich strengem und heiterem Glanz, naiver Weisheit und moralischer Würde, geschrieben in einer Prosa, deren intellektuell federnde Simplizität sie mir als die Sprache der Zukunft erscheinen läßt. Ja, ich bin überzeugt, daß die deutschen Schullesebücher des 21. Jahrhunderts Proben aus diesem Buch als Muster führen werden. Denn die Tatsache, daß dieser nun Heimgegangene einer der größten Schriftsteller deutscher Sprache war, wird über kurz oder lang auch von dem widerstrebenden Bewußtsein der Deutschen Besitz ergreifen."

© Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1978
Reclams Universal-Bibliothek Band 754
1. Auflage
Reihenentwurf: Irmgard Horlbeck-Kappler
Umschlaggestaltung: Friederike Pondelik

 

Eberhardt del' Antonio: Gigantum

Buchanfang

1. KAPITEL

Es war Sommer. Schwer lastete brütender Sonnenschein auf der Landschaft, versengte Felder und Wiesen und löste die Konturen der Gebäude in siedender Luft.

Auf goldreifen Kornfeldern wirbelten elektrische Mähdrescher hochauf flimmernden Staub, auf Landstraßen zogen eilende Lastkraftwagen dichte Staubfahnen hinter sich her, Waldstreifen warfen kühle Schatten, und Flüsse spiegelten gleißend das Sonnenlicht. Mensch und Tier stöhnten, gelähmt durch die drückende Hitze. Nur die Lerche trillerte, über den Feldern stehend, hell jauchzend in den lachenden Tag.

Hoch über ihr huschte, einen pfeifenden Schall nachschleppend, ein Düsenflugzeug dahin und warf einen Schatten, den die Bodenwellen grotesk verzerrten.

Hier oben spürte man die Schwüle nicht, die Klimaanlage der Flugzeugkabine bewahrte eine angenehme Temperatur.

Dennoch ließ das hitzeflimmernde Sommerbild Professor Schlichtmann, den einen der beiden Fluggäste, unbewußt nach dem Taschentuch greifen und sich die kantige Stirn von nicht vorhandenen Schweißtropfen befreien.

Belustigt ertappte sich der hochgewachsene Mann dabei, musterte mit flinken Augen verstohlen seinen Begleiter und steckte schnell das Tuch in die Tasche. Dr. Colmar, sein junger Assistent, hatte jedoch nichts bemerkt, er hielt die schweren Lider unter den starkwandigen Brillengläsern schläfrig gesenkt, sein Bewußtsein dämmerte in das Zauberreich der Träume hinüber.

Glückliche Jugend, dachte der Grauköpfige lächelnd, verschläft unbeschwert die Sorgen und geht dann mit neuer Kraft an die Lösung der Probleme heran. .....


Nachwort

Die Frage, was die Zukunft bringt, ist so alt wie die Fähigkeit des Menschen, über sein Leben nachzudenken. Ihr entspringt der Wunsch, einen Blick in kommende Zeiten zu werfen. Was hätte unsere Arbeit für einen Sinn, wenn sie nicht der Zukunft diente, wenn wir sie nicht als Steinchen im Mosaik der menschlichen Entwicklung betrachten wollten! Wie aber könnten wir in die Zukunft planen, wenn wir nicht versuchten, sie uns mit Hilfe der heutigen Erkenntnisse vorzustellen? Der Traum von heute das ist die Wirklichkeit von morgen.

Einem solchen Traum entspringt dieser Roman. Er erhebt keinen Anspruch darauf, daß alles, was in ihm geschildert wird, der künftigen Wirklichkeit entspricht. Es läßt sich heute, an der Schwelle des Atomzeitalters, noch nicht annähernd voraussagen, was uns die friedliche Verwendung der Energie des Atomkerns - der größten, die bisher vom Menschen entdeckt wurde - und was uns die Raketentechnik bringen wird. Es läßt sich aber schon heute erkennen, daß kein Gebiet des menschlichen Lebens von dieser technischen Umwälzung unberührt bleibt.

Der Roman enthält indessen auch utopische Elemente. Nach unsern heutigen Erkenntnissen wird es kein Mammutum geben, und ein Gigantum mit derart hoher Energieabgabe bei molekularer Reaktion ist ebenfalls utopisch. Das gleiche gilt für die Stoffe Atomoflor und Kosmonit und für die industrielle Herstellung von Kohlenstoff aus Wasserstoff. Auch auf die Kraftstofftabletten werden wir vermutlich verzichten müssen - es ist also nichts mit gefiltertem Elbwasser! Doch es ist bereits heute möglich, neue, in der Natur nicht vorkommende Elemente künstlich aufzubauen, wenn sie auch nicht stabil sind, sondern mit kurzen Halbwertzeiten zu uns bekannten, natürlichen Elementen zerfallen.

Die geschilderte Materialverfestigung und nahtlose Verbindung durch Molekülvernetzung mittels Gammabeschuß ist keine Utopie. Es gelingt heute, auf diesem Wege Kunststoffe durchsichtig, stahlhart und feuerbeständig wie Beton zu machen. Nach Charlesby wurde auch die Elastizität und die Festigkeit durch Gammabeschuß gesteigert (Schenk "An der Schwelle der letzten Dinge").

Die physikalischen und technischen Vorgänge wurden, um besser verständlich zu sein, zum Teil vereinfacht dargestellt.

Bei meiner Arbeit wurde mir von vielen Seiten Hilfe zuteil. Besonderen Dank schulde ich Herrn Werkleiter Georg Mosch, Meißen, für verständnisvolle Förderung (in der Industrie in diesem Maße leider noch ungewöhnlich), der ich vor allem die Zeit für die literarische Arbeit verdanke; Herren Gerhard Eichler, Zentralschule für kulturelle Aufklärung, Siebeneichen, Abt. wissenschaftlich-methodische Aufklärung, und Dr. med. Burkhard, Meißen, für fachliche Auskünfte in speziellen Fragen.

Dresden, Oktober 1956

Eberhardt del'Antonio

Verlag Das Neue Berlin, 4. Auflage 1960, 5. Auflage 1957


17 Februar 2022

Horst Czerny: Polstürmer. Von Siegern und Besiegten im ewigen Eis


 Diese Männer setzten immer alles auf eine Karte, riskierten ihr Leben, um dem ewigen Eis des Süd- und Nordpols seine Geheimnisse abzutrotzen: Polarforscher verschiedener Zeiten, vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum Anfang dieses Jahrhunderts. Sie kamen von allen Kontinenten. Auf der einen Seite gehören Namen wie Cook, Ross, Nordenskiöld, Nansen, Peary, Amundsen oder Papanin zu den gefeierten Siegern, die mit wichtigen Erkenntnissen heimkehren konnten. Ihnen stehen aber auch Forscher gegenüber, wie Hudson, de Long, Greely oder Franklin, deren Schicksal tragisch verlief. Sie mußten ihre Entdeckungen nicht selten mit dem Leben bezahlen. Spannend, abenteuerlich, ja auch dramatisch und informativ sind die vorliegenden Erzählungen über bekannte und weniger bekannte Polarexpeditionen in die Antarktis und Arktis.

Verlag Neues Leben Berlin, 2. Auflage 1989
Spannend erzählt Band 206

Brüder Grimm: Schön Hühnchen, schön Hähnchen

Im geheimnisvollen Waldhaus wohnen sie - schön Hühnchen, schön Hähnchen, die bunte Kuh und ein alter Mann. Bisher konnte keiner die Bedingungen für ihre Erlösung erfüllen, doch eines Abends klopft ein Mädchen an die Tür...

Tiere stehen in diesen Märchen der Brüder Grimm im Mittelpunkt: der pfiffige Kater, der den Müllerburschen zum König macht; der Igel, der trotz seiner krummen Beine den Wettlauf mit dem Hasen gewinnt; Esel, Hund, Katze und Hahn, die in Bremen Stadtmusikanten werden wollen, und viele andere.

Kinderbuchverlag Berlin 1985
Illustrationen Norbert Pohl
Trompeterbuch Nr. 172

 

Leonardo da Vinci: Fabeln

 Leonardo da Vinci (1452-1519), Universalgenie der Renaissance, hinterließ Aufzeichnungen zur Malerei, zur Musik, zum Bronzeguß, zur Optik, Perspektive, Anatomie und Botanik, zu dem Flug der Vögel und der Bewegung des Wassers ... und er verfaßte auch Fabeln. Wie alle seine geistigen Produkte entstanden sie aus genauer Beobachtung der Natur, die er als beseeltes Ganzes begreift, und der Menschen. Leonardo läßt Schnee, Fuchs, Feigenbaum, Rasiermesser und anderes Belebte und Unbelebte sprechen und wirken, um uns zu sinnvollem und humanem Handeln zu leiten, um uns klarzumachen, daß unser eigen Tun und Trachten uns richtet: "Ein Wildbach, der vergaß, daß er seine Wasser dem Regen und anderen Bächen verdankte, gedachte anzuschwellen, um groß und mächtig zu werden wie ein Fluß. Er begann also, ungestüme Wellen gegen das Ufer zu werfen und voll Eifer Erde und Steine aufzuwühlen, damit sein Bett breiter würde. Als jedoch plötzlich die Sonne wiederkam, fand sich der arme Wildbach gefangen von all den Steinen, die er am Uferrand aufgetürmt hatte, und mit großer Mühe mußte er sich eine neue Straße bahnen, um zu Tal zu gelangen.“

Buchanfang:

Das Papier und die Tinte

(Aus: Favole, fol. III. 27 r.)

Ein Blatt Papier, das zusammen mit anderen, ihm ähnlichen Blättern auf einem Schreibtisch lag, sah sich eines Tages mit Zeichen bedeckt. Eine Feder, in schwärzester Tinte gebadet, hatte es mit vielen Wörtern und Zeichen übersät.
"Konntest du mir diese Erniedrigung nicht ersparen?" sagte das Blatt erzürnt zur Tinte. "Du hast mich besudelt mit deiner höllischen Schwärze und für immer ruiniert!"
"Warte ab", antwortete ihm die Tinte. "Ich habe dich nicht besudelt, sondern dich mit Sinnbildern versehen. Jetzt bist du kein Blatt Papier mehr, sondern eine Botschaft. Du bewahrst den Gedanken des Menschen und bist somit ein kostbares Instrument geworden."
Und in der Tat: Bald darauf machte jemand Ordnung auf dem Schreibtisch, sah die verstreuten Blätter und wollte sie ins Feuer werfen. Unversehens kam ihm das "besudelte" Blatt in die Hand, und er schied es von den anderen und legte es zurück auf seinen Platz, weil es unübersehbar die Botschaft der menschlichen Intelligenz trug.

Reclams Universal-Bibliothek Band 621, 4. Auflage
Umschlaggestaltung: Friederike Pondelik
unter Verwendung einer Handzeichnung von Leonardo da Vinci
Aus dem Italienischen von Rudolf Hagelstange
Herausgegeben von Bruno Nardini
Nachwort von Christine Wolter
Mit Reproduktionen nach Handzeichnungen von Leonardo da Vinci

11 Februar 2022

Dr. Ernst Günther Schmidt (Hg.): Petron: Gastmahl des Trimalchio

Das neronische Zeitalter, eines der pomphaftesten und grausamsten in der Geschichte Roms, war eine Zeit der Machtkämpfe nicht nur innerhalb des Kaiserhauses, sondern auch zwischen den Angehörigen des Senatorenstandes, die ihre Vorrechte schwinden sahen, und den von Nero begünstigten Freigelassenen; und als im Jahre 65 u. Z. eine Verschwörung gegen den Kaiser aufgedeckt wurde und Nero zur Rache an seinen wirklichen und vermeintlichen Gegnern schritt, gehörte zu den Opfern auch Gaius Petronius, bis dahin trotz senatorischer Herkunft einer seiner Hauptgünstlinge.

Der Geschichtsschreiber Tacitus schildert ihn (Annalen XVI, Kap. 17 ff.) als einen Menschen, der den Tag mit Schlafen, die Nacht mit Geschäften hinbrachte und, wie andere durch Tätigkeit, sich durch Nichtstun einen Namen gemacht hatte. Dabei galt er nicht für einen gewöhnlichen Prasser und Schlemmer, wie die meisten, die ihr Vermögen vergeuden, sondern für einen Meister verfeinerter Lebenskunst. In Worten und Taten trug er eine gewisse Nachlässigkeit, ein Sichgehenlassen zur Schau, doch je ungenierter er es trieb, desto lieber nahm man das als eine Art Naivität hin. Als Statthalter von Bithynien und bald darauf als Konsul zeigte er sich dennoch energisch und seinen Aufgaben gewachsen...

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig
Reclam Universal-Bibliothek Nr. 2616, 2. Auflage
Nach W. Heinses Übersetzung

Frank Jæger: Tod im Wald

Verwirrt und ratlos steht der einundfünfzigjährige Kopenhagener Schauspieler Cornelius vor einer unerwarteten Situation. Wegen seines jüngsten Seitensprungs hat ihn seine Frau vor die Tür gesetzt. Ein Freund vermittelt ihm eine erste Bleibe in einem abgelegenen Forsthaus. In der festen Überzeugung, daß alles nur ein Mißverständnis sei, wartet er auf Hilfe. Doch niemand kümmert sich um ihn...
Voller Erwartungen beginnt der junge Bibliothekar seinen Urlaub - endlich ohne Bevormundung durch Mutter und Tanten. Seine Wunschträume erfüllen sich jedoch nicht, er landet in den Armen eines ungeliebten Mädchens...
Ein alter Mann erzählt die phantastische Geschichte seiner hoffnungslosen Liebe...

Die Erzählungen Frank Jægers zeichnen sich durch innere Spannung und sprachliche Meisterschaft aus.

Hinstorff-Verlag Rostock

 

Manfred Küchler: Tobias, der Schwarzkünstler



"Tobias ist verschwunden", sagt mein Veter verblüfft. "Wieso?", fragt meine Mutter. "Keine Ahnung. Eben hat er noch hier gesessen und gelesen..." - "Und nun glaubst du, er hat sich in Luft aufgelöst", antwortet meine Mutter ärgerlich.
Nein, aufgelöst hat sich Tobias nicht. Aber klein ist er geworden, winzig klein. Endlich kann er sich aus allen unangenehmen Situationen davonstehlen. Doch dieser Zauber hat seine Tücken. Manchmal gelingt es Tobias, sich in seine alte Gestalt zurückzuverwandeln. Warum aber nur manchmal?

Der Kinderbuchverlag Berlin
ATB Alex Taschenbücher
 

09 Februar 2022

Interview mit Radio F.R.E.I.

 

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Radio F.R.E.I. Erfurt hat mit mir ein Interview zur Facebook-DDR-Gruppe und diesem Blog geführt. Hier könnt ihr es, wenn es interessiert, nachhören. Es ist der zweite Stream (14-15 Uhr), ab Minute 32:25.

Ich bedanke mich recht herzlich bei Richard Schaefer für das Interesse und das äußerst angenehme Gespräch.


08 Februar 2022

Peter Hacks: Essais

Peter Hacks (geb. 1928): Kunst lebt von den Fehlern der Welt. Ob sie uns lachen oder weinen macht, wir belachen oder beweinen Abschaffenswertes. Ob sie die Welt schön abbildet oder häßlich, sie fordert den Vergleich mit der häßlichen Realität. Das begeistertste Lobgedicht hat seinen Pfeffer daher, daß es den Tadel am Unrühmlichen impliziert. Jedes Kunstwerk ist auf seine eigentümliche Weise vollkommen, und Vollkommenheit, weiß man doch, ist die Schwester der Langeweile. Ästhetische Vollkommenheit aber ist nicht langweilig, sondern eine Beleidigung des Universums.

So ist alle Kunst kritisch, selbst die kritische, bei der freilich die inhaltliche Opposition zu leicht die poetische überlagert. Gerade die allgemeinsten Züge des künstlerischen Tuns, das Vermenschlichen des Stoffs, das Erzeugen von Nichtgewesenem, das Befolgen selbstgegebener Gesetze, das In-den-Griff-Kriegen des Störrischen und Stimmigmachen des Widerstreitenden bewirken das Interesse, das die Menschheit nicht aufhört, an der Kunst zu nehmen: als an dem Vorschlag eines unentfremdeten, produktiven, freien, bewältigten, durch gegenwirkende Interessen nicht mehr entzweiten Lebens.

 Reclams Universal-Bibliothek Band 999, 1. Auflage

Andreas Klotsch: Erkundungen - 24 chilenische Erzähler

Chile ist uns in den letzten Jahren nahegerückt. Der Sieg der Unidad Popular und der von der Regierung Salvador Allende eingeleitete revolutionäre Prozeß weckten weltweite Sympathie für diese Andenrepublik und ihre Menschen. Um so härter traf alle fortschrittlichen Menschen der blutige Putsch vom Herbst 1973, der die progressive Entwicklung unterbrach und großes Leid über das Land brachte.

Im Rahmen seiner Reihe "Erkundungen" legt der Verlag eine Sammlung moderner chilenischer Kurzprosa vor. In ihr kommen vor allem junge Autoren zu Wort, mit Beiträgen, die zwischen 1960 und 1972 entstanden. Ursprünglich wollte die Anthologie Gründe und Voraussetzungen für jene Veränderungen sichtbar machen, die ab 1970 das Leben in Chile bestimmten. Nun, da in Santiago, Antofagasta und Punta Arenas abermals die Vergangenheit regiert, behält die Auswahl erst recht ihre Gültigkeit, denn was manch eine der Erzählungen berichtet, ist heute wieder Wirklichkeit.

In den Texten dominiert der kritische Ton. Die Autoren setzen sich mit einer Realität auseinander, die voll von Widersprüchen ist, in der es noch viel Not, Unrecht, Spießigkeit und Bigotterie gibt. So gezielt ihre Angriffe jedoch sein mögen, sie meiden das Vordergründige und Klischeehafte. Ihre Prosa ist frisch, unbefangen burschikos, grotesk humorig, hintergründig satirisch, poetisch verspielt oder aber von entwaffnender Nüchternheit - bestes Zeugnis einer künstlerisch selbstbewußten engagierten Literatur.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1974
 

Tischlein deck dich - Salatbuch für Kinder

Buchbeginn

Fischlein, streck dich
Kapitel 1

"Es war einmal", so fangen viele Märchen an.
Sicher gab es auch einmal einen Koch, der mit einem Fisch viele hungrige Mäuler stopfen mußte. "Fischlein, streck dich" wird er gedacht und dann das gekochte Fischfleisch mit allerlei Gemüse und einer Soße zu einem schmackhaften Fischsalat vermischt haben. Mit Phantasie hat er aus der Not eine Tugend gemacht.
Salate sind nicht nur wohlschmeckend, sondern auch gesund. Heute wissen wir auch, warum das so ist.
Längst haben die Wissenschaftler herausgefunden, daß unsere Nahrung in der Hauptsache aus Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Wasser besteht.
Sie haben errechnet, wie viele von diesen Bestandteilen unser Körper täglich zur Erhaltung seiner Lebensfunktionen braucht. Leider kommt das nicht alles zum Beispiel in der Schokolade vor, nicht einmal im Brot oder in der Kartoffel. Deshalb müssen wir uns abwechslungsreich ernähren. Salate sind, da sie viele Lebensmittel in einer Schüssel vereinen, eine gute Möglichkeit dazu.
Die Rezepte dieses Buches zeigen dir etwas von der Vielseitigkeit der Salatzubereitung.
Sie sollen dich anregen, mit dem einen oder anderen selbstbereiteten Salat die Familie oder deine Freunde zu überraschen.
Alle Rezepte sind für vier Personen berechnet. Ist deine Familie größer oder erwartet ihr Gäste, mußt du von allen Zutaten entsprechend mehr nehmen.
Viel Spaß zum Ausprobieren und gutes Gelingen wünscht dir

Rainer Kroboth

Verlag Junge Welt Berlin, 2. Auflage 1988

 

02 Februar 2022

Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo

Ich habe zeitgenössische Romane geschrieben und historische. Ich darf, nach schärfster Gewissensprüfung, erklären, daß ich in meinen historischen Romanen die gleichen Inhalte zu geben beabsichtige wie in den zeitgenössischen. Ich habe nie daran gedacht, Geschichte um ihrer selbst willen zu gestalten, ich habe im Kostüm, in der historischen Einkleidung, immer nur ein Stilisierungsmittel gesehen, ein Mittel, auf die einfachste Art die Illusionen der Realität zu erzielen. Andere haben ihr Weltbild, um es klarer aus sich heraus zu projizieren, in eine größere räumliche Entfernung gerückt, es in irgendeiner exotischen Gegend angesiedelt. Ich habe mein (natürlich zeitgenössisches) Weltbild zum gleichen Zwecke zeitlich distanziert, das ist alles.

Lion Feuchtwanger

 Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1979
Taschenbibliothek der Weltliteratur (TdW)
 Abbildung: David Beck 1621-1656 Porträt der Königin Christina (Ausschnitt)

Doris Kilias: Erkundungen - 32 ägyptische Erzähler

Einunddreißig schöne grüne Bäume säumten die Straße. Sie wurden abgehackt, ausgerissen und auf die Schutthalde geworfen. An ihrer Stelle erhoben sich Wälder aus grauem und braunem Zement. Die Nachkommen würden keine Blumen mehr sehen oder auch nur die Bedeutung dieses Wortes kennen, denn "am Horizont begann sich ein Unwetter zusammenzubrauen, das sich auf die Menschen und Dinge, auf die Tiere und Pflanzen auswirkte".

Beunruhigung geht nicht nur von der Erzählung der ägyptischen Schriftstellerin Salwa Bakr aus. Viele, vor allem jüngere Autoren spüren seismographisch Veränderungen auf, die sich im Zusammenleben der Menschen, in der Politik und im Städtebild vollzogen haben: Krieg und Nahost und politischer Mord; die Zuwanderung der Landbewohner in die 13-Millionen-Stadt Kairo; die Islamisierung und die Wiederkehr düsterer feudaler Sitten; der Schleier als Symbol für die Unterwerfung der Frau und ihr Traum von Sinnengenuß und Liebe; das Leiharbeiter-Problem und das Streben nach dem schnellen Reichtum im Ausland.

Themen und Handschriften in der heutigen ägyptischen Kurzprosa sind vielfältig. Moderne Erzählweisen haben Einzug gehalten, um der Komplexität des Lebens und der Gefühle beikommen zu können. Der Band stellt 32 Autoren dreier Schriftstellergenerationen mit Texten aus den siebziger und achtziger Jahren vor. Die schreibenden Frauen spielen darin eine besonders interessante Rolle.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1989
Aus dem Arabischen von Dagmar Börnert, Martin Grzeskowiak, Cornelia Höhling, Gerhard Höpp, Regina Karachouli, Doris Kilias, Erika Pabst, Holger Preißler, Wiebke Walther
Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Doris Kilias
 

Maxim Gorki: Die Stadt des gelben Teufels

Buchanfang:

Die Stadt des gelben Teufels

... Nebel, dicht durchsetzt mit Rauchschwaden, hing über Ozean und Land, träger Fadenregen fiel auf die unfreundlichen Gebäude der Stadt und das trübe Wasser der Reede.

An der Reling hatten sich die Einwanderer versammelt; schweigend betrachteten sie alles ringsum mit forschenden Augen, in denen sich Hoffnungen und Befürchtungen, Angst und Freude spiegelten.

"Wer ist das?" fragte ganz leise ein Mädchen aus Polen und deutete erstaunt auf die Freiheitsstatue. Jemand antwortete:

"Der Gott Amerikas ..."

Die massive bronzene Frauengestalt ist von Kopf bis Fuß mit Patina bedeckt. Blind schaut ihr kaltes Antlitz durch den Nebel hinaus in die Öde des Meeres, als harre die Bronze des Sonnenballs, damit er ihre toten Augen zum Leben erwecke. Die Freiheit hat wenig Boden unter den Füßen, sie ist gleichsam aus dem Meer emporgestiegen, und als Sockel scheinen ihr erstarrte Wellen zu dienen. Ihr Arm, hoch emporgereckt über das Meer und die Schiffsmasten, verleiht ihrer Pose eine stolze Majestät und Schönheit. Man glaubt, gleich werde die Fackel in ihrer fest zusammengepreßten Hand hell auflodern, den grauen Rauch vertreiben und ...

Reclams Universal-Bibliothek Nr. 8334 C, 2. Auflage