Buchanfang
Manches Herrliche der Welt
Ist in Streit und Krieg zerronnen,
Wer beschützet und erhält
Hat das schönste Los gewonnen.
Diese Worte Goethes wurden nach der Wiedereröffnung des Lindenau-Museums im Jahre 1949 an die Stirnwand des seinem Gründer und Stifter, Bernhard von Lindenau, geweihten Gedenkraumes im Obergeschoß geschrieben. Unter ihnen stehen die klassisch-edle Bronzebüste Lindenaus von der Hand des David d'Angers, zu seiner Rechten und zur Linken die Terrakotta-Büsten der Lindenau geistesverwandten französischen Astronomen Jean-Silvain Bailly – dieser, fortschrittlich und rechtlich wie Lindenau, fiel trotzdem 1793 der Guillotine zum Opfer – und Lefrançais de Lalande. Meisterwerke von Jean Antoine Houdon.
Der Vierzeiler Goethes und der Leitsatz Lindenaus "Die Jugend zu belehren, das Alter zu erfreuen", bestimmen den Charakter des Museums sowie Inhalt und Form seiner Sammlungen. Diese, nach dem Kriege geordnet, neu aufgestellt und erweitert, dem Besucher nahezubringen, diente zunächst ein "Kleiner Wegweiser", der später mit Sonderführern durch alle Hauptabteilungen des Museums ergänzt wurde. Zu den Sonderführern wiederum soll nunmehr die vorliegende Schrift treten, die dem Besucher etwas von der Geschichte des Museums und seines Gründers erzählt und darüber hinaus ihm einen kurzen erläuternden Überblick gibt über die in dem Museum gezeigten Kunstwerke; wenn mit einem solchen, von der Schablone eines Normal-Kataloges abweichenden, Überblick zugleich noch ein Rückblick auf geschichtliche Entwicklung sowie Gedanken grundsätzlicher Art zu Fragen der Kunst gegeben werden, dann wird dies von manchem Leser vielleicht begrüßt werden. Dabei erwies es sich als notwendig, die Kunst der Neuzeit etwas eingehender zu beschreiben als diejenige des Altertums und Mittelalters; Abgüsse, Vasen und frühitalienische Malerei, über die bereits ausführliche Spezialkataloge vorliegen und auf die Besucher, die sich für diese Gebiete interessieren, hiermit besonders hingewiesen seien. Abbildungen der meisten in dem Kapitel Neuzeit erwähnten Kunstwerke findet der interessierte Besucher in dem Kataloge "Gemälde und Plastik des 16/20, Jahrhunderts", Teil 1 und 2 Veröffentlichungen des Museums Nr. VI – siehe die Anzeige auf Seite 87).
Für den regelmäßigen Museumsbesucher die einzige Möglichkeit, um aus der Kunst einen wirklichen geistigen Gewinn zu erzielen, – wird regelmäßig allmonatlich ein "Bild des Monats" gezeigt, im Altenburger Kulturspiegel abgebildet und mit einer eingehenden Würdigung versehen, wodurch mit der Zeit ein ausführlicher Katalog geschaffen sein wird, Möge diese Maßnahme Anklang finden und möge auch der vorliegenden jüngsten literarischen Veröffentlichung des Lindenau-Museums die gleiche freundliche Aufnahme zuteil werden wie ihren älteren Artgenossen...
Staatliches Lindenau-Museum, Altenburg 1961
Abbildung: Bernhard August von Lindenan (1779-1854)
Lithografie von Valentin Schertle, nach einem Lichtbild von Biow. 1848