23 April 2022

Blogpause

 

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay 

 

Moin ihr Lieben,

ich werde hier eine etwas längere Pause einlegen. Wohlgemerkt - eine Pause. Der schöne Rhythmus, den ich mal hatte, ist mir abhandengekommen. Ob es an der derzeitigen schrecklichen Zeit liegt, ich weiß es nicht. Es wird auch ein Grund sein. 

Momentan möchte ich nur noch lesen und handarbeiten. Wenn ihr schauen möchtet, was ich sonst so lese, folgt mir gerne auf Twitter. Dort bin ich als @FrauenLesen unterwegs.

Bleibt uns gewogen - knapp 2400 Beiträge sind hier vorhanden, da lässt es sich gut schmökern.

Ich wünsche euch alles Liebe, bleibt vor allem gesund,

eure Anne-Marit

21 April 2022

A. Lazar: Sally Bleistift in Amerika

Wenn man klein und dick ist, sollte man nicht gerade Bleistift heißen – aber wer kann sich seinen Namen schon aussuchen? Nach einem Pogrom im zaristischen Rußland, bei dem ihr Mann umgekommen und ihr Sohn Osja verschwunden war, landete sie mit ihrer Enkelin in den USA. Die Familie vergrößerte sich, nach einem Indianerjungen purzelte ein N*** die Treppe von Sallys Laden herunter. Zu ihren Erziehungsmethoden gehörte, daß sie den Kindern interessante, abenteuerliche Geschichten erzählte. Eines Tages wurde das N*** von einem Freund Osjas aufgegabelt…

Kinderbuchverlag Berlin 1983
ATB Buch Nr 16

 

Hans Fallada: Mäuseken Wackelohr

Die Geschichte vom »Mäuseken Wackelohr«, eine kleine Liebesgeschichte, hat Gerhard Lahr wunderbar zart illustriert. Mäuseken Wackelohr ist bis über beide Ohren verliebt in den hübschen Mäuserich. Aber wie an ihn rankommen, wo er doch oben auf dem Dach in Freiheit lebt und Mäuseken im Haus eingesperrt ist? Die gefräßige Ameise weiß Rat, aber ist ihr zu trauen? Und was ist mit der bösen Katze, die ihr nach dem Leben trachtet? Eine kleine Fabel über falsche und richtige Freunde sowie die unaufhaltsame Macht der Liebe. 

Die Geschichte vom „Mäuseken Wackelohr“ entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlages: Hans Fallada, „Geschichten aus der Murkelei“.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1976

 

Karl Neumann: Ulrike

Die fünfzehnjährige Ulrike – eine hervorragende Schwimmerin – hat von der alleinstehenden Mutter den Besuch der Sportschule ertrotzt. Aber bereits nach einem halben Jahr verläßt sie Schule und Internat wieder: Ehe sie einer Dummheit wegen „geext“ wird, bittet sie um ihre Entlassung. Und findet bei ihrer Heimkehr einen fremden Mann bei der Mutter, ihr vorgestellt als der künftige Vater. In ihren Schwierigkeiten zu Hause und in der Schule findet Ulrike Hilfe und Unterstützung bei Erwachsenen, beim Lehrerehepaar Wienhold, sogar beim Stiefvater, vor allem aber bei dem um zwei Jahre älteren Steffen, mit dem sie bald eine große Liebe verbindet. Und dann steht Steffen vor einer lebenswichtigen Entscheidung, in der sich Ulrike bewähren muß.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1981
Illustrationen: Renate Jessel

 

20 April 2022

E.R. Greulich: Insel des Verderbens


 E.R. Greulich läßt in seinem neuen Abenteuerroman den Helden Guido Trump die Manager eines Rauschgiftrings in Westeuropa und Übersee jagen, nachdem sein Bekannter, der Maler Tollbruck, an gefälschtem „Stoff“ zugrunde gegangen ist. Aber bis es Trump und seinem Freund, dem Seemann Tetje Stoll, gelingt, Beweise gegen den Boß und seine Helfershelfer in die Hand zu bekommen, haben sie gefahrvolle Situationen zu überstehen.

Verlag Neues Leben Berlin 1984

Klaus Möckel: Geschichte eines knorrigen Lebens

Man hat es nicht leicht mit ihm. Ein Sonderling und Hartkopf ist er, der Max, Bergarbeiter.

In jungen Jahren zwischen zwei Kohlenzüge geraten, dann Hilfsarbeiten verrichtet und wieder in die Kohle. Bergarbeiter. Das heißt: essen müssen, mehr als andere. Das heißt immer: gegen den Hunger leben. Und der ist bei Max gewaltig und charakterisiert ihn. „Nahrung“ beginnt bei ihm erst mit großen Mengen. Dabei sind die Zeiten, die Max durchlebt, oft so schlimm, daß er aus Angst, seine Leibgerichte zu vergessen, sie alle notiert hat: für bessere Zeiten.

Klaus Möckel holt die Einmaligkeit und Originalität eines Bergarbeiterlebens in die Gegenwart herüber. Dabei entsteht fast dokumentarisch knapp und doch auf vielschichtige und plastische Weise das Bild seines Vaters, die Geschichte eines knorrigen Lebens.

Verlag Neues Leben (1988)

 

Marcus Clarke: Lebenslänglich

Im Jahre 1834 wird die Strafkolonie Vandiemensland, die „natürliche Besserungsanstalt“ Seiner Britischen Majestät, zum Schauplatz eines aufsehenerregenden Geschehens. Zehn Gefangene bemächtigten sich in einem tollkühnen Handstreich der Brigg Osprey und suchen mit ihr das Weite, nachdem sie Mrs. Vickers, die Frau des Kommandanten von Macquarie Harbour, ihre zwölfjährige Tochter Sylvia und die beiden Schiffsoffiziere an der unbewohnten Küste ausgesetzt haben. Die schwerkranke Frau stirbt; in Sylvia, die tagelang in tiefer Bewußtlosigkeit liegt, ist jede Erinnerung an gute und böse Erlebnisse ausgelöscht. Wie der entflohene Sträfling Rufus Dawes zu der kleinen Gemeinschaft stieß, welche Rolle er spielte und wer den Bau des rettenden Bootes bewerkstelligte, das zu erklären, bleibt Leutnant Frere vorbehalten, den alle Welt als den heldenmütigen Retter der kleinen Sylvia feiert.

Die tragischen Verwicklungen, die dem Sträfling Rufus Dawes zum Verhängnis werden und gleichzeitig das Schicksal des Mädchens Sylvia bestimmen, sind keineswegs das einzige Spannungsmoment dieses erregenden Buches. Der Engländer Marcus Clarke (1846 bis 1881), der den größten Teil seines Lebens als Schriftsteller und Journalist in Australien verbrachte, versteht es meisterhaft, seine Leser von Höhepunkt zu Höhepunkt zu führen. Aus dem „Abenteuerroman“, den Clarke, gestützt auf amtliche Berichte über die Strafkolonie Vandiemensland, ursprünglich schreiben wollte, wurde durch seine bewundernswerte epische Gestaltungskraft und sein großes psychologisches Einfühlungsvermögen ein Werk, das zwar alle Elemente des Abenteuerlichen in sich trägt, aus dem aber vor allem eine tiefe Menschlichkeit spricht.

Verlag Volk und Welt Berlin 1982

 

18 April 2022

Ulenspiegel - Zeitschrift für Literatur, Kunst und Satire 1945-1950

 


Vorwort

1945. Es gab Hunger und Ruinen. Doch das Brot brachten die Befreier, und die Trümmer wurden, wenn auch langsam, weggeräumt. Über zehn Jahre Knast im Zuchthaus und Konzentrationslager war unter Hitler bestimmt kein Zuckerlecken. Wie oft ist man dem Tod von der Schippe gesprungen. Aber man war nie allein, selbst in der Einzelzelle nicht. Nebenan saß ein Genosse, das Band der Gemeinsamkeit hielt uns zusammen. Viel wäre darüber zu berichten, viel ist schon gesagt worden, zuwenig noch, denn von Jahr zu Jahr, ja von Woche zu Woche werden es weniger, die darüber berichten Können...

Eulenspiegel Verlag Berlin, 1. Auflage 1978


Benito Wogatzki: Ein goldener Schweif am Horizont von Thumbach

Bedauerlich ist es schon, daß in Thumbach nun wieder alles beim alten ist, daß nur noch die Erinnerung an die Geschichte des Schülers Satti, der eigentlich Jürgen-Wolfgang Satrapichanowski heißt, weiterlebt, daß mit seinem Verstummen ein goldener Schweif am Horizont erlosch.

Dennoch, ganz so bedauerlich ist es wiederum nicht, hat doch der Schriftsteller Benito Wogatzki erzählt, wie das plötzliche Auftauchen Sattis in der kleinen Stadt aufgenommen wurde, mit welch üppigem Sprachfluß er sein Lügengarn spann und die Leute von Thumbach in Bewegung setzte, welche Spuren er am Ende hinterließ. Mit dem Halbwüchsigen Satti hat der Autor einen modernen Münchhausen geschaffen, der das Wort zu führen weiß wie kaum einer, dessen Vorrat an Phantasie unerschöpflich ist.

Verlag Neues Leben (1987)

 

Karl Veken: Der Kellerschlüssel

Am Morgen hatte der Polizeikommissar Herrn Amsel und noch andere Polizeispitzel rufen lassen: „Eine Schweinerei ist das. Da fahren sie am hellen Tage Kisten mit Sozi-Flugblättern durch Dresden. Wozu bekommt ihr eure acht Groschen täglich? Sperrt die Augen auf, ihr Idioten! Acht von zehn Kisten haben wir. Sucht die beiden Kisten! Für jede Kiste zahle ich zweihundert Mark Belohnung, verstanden? Wegtreten!“

Ob die Spitzel die fehlenden Kisten gefunden haben, das erfahrt ihr in der Geschichte „Der Kellerschlüssel“. Spannend wie die Titelgeschichte sind auch die anderen. Alle berichten vom schweren Kampf der Arbeiterklasse, davon, wie Arbeiter und ihre Kinder den alten Traum von einer Zeit verwirklichten, in der die Arbeitsmänner keine Knechte mehr sein würden.

Der Kinderbuchverlag Berlin
Paperback für junge Leser

 

Martin Kloß: Felix auf dem gelben Kissen


 „Felix auf dem gelben Kissen“, Geschichten über Tierbilder aus alter und neuer Zeit, vermittelt Kindern von 7 Jahren an erste Eindrücke von der Malerei.

Es ist der zweite Teil einer Reihe, die Kinder der Unterstufe an verschiedene Kunstgattungen heranführen soll. In dieser Reihe ist bereits erschienen: „Ein Wandertag mit Pauken und Trompeten“.

Verlag Junge Welt Berlin 1977

15 April 2022

Harriet Beecher-Stowe: Onkel Toms Hütte

Irgendwo in Kentucky steht eine kleine Hütte, in welcher der N***sklave Tom mit seiner Familie lebt. Er gehört einem guten Herrn und ist verhältnismäßig glücklich und zufrieden. Doch plötzlich bricht das Unglück über ihn und seine Lieben herein. Sein Besitzer, der in Schulden geraten ist, verkauft ihn schweren Herzens an einen gewissenlosen Sklavenhändler aus den Südstaaten. Und nun beginnt Toms Leidensweg, der damit endet, daß er auf einer Baumwollplantage zu Tode gepeitscht wird.

Dieses Buch erregte vor mehr als hundert Jahren in der ganzen Welt ungeheures Aufsehen. Die Anklage gegen die Urheber des unsagbaren Elends der versklavten N*** rührte an das Gewissen jedes anständigen Menschen und riß breiteste Kreise aus ihrer Gleichgültigkeit. Besonders aber die Herzen der jugendlichen Leser aller Länder schlugen warm für Onkel Tom und seine schwarzen Leidensgenossen.

Verlag Neues Leben Berlin 1978
Illustrationen: Werner Klemke

 

Jewgeni Ryss: Beweisaufnahme


 Jewgeni Ryss (1908-1973) war in verschiedenen Berufen tätig. Anfang der dreißiger Jahre trat er mit ersten literarischen Arbeiten an die Öffentlichkeit. In diesem Roman erzählt Ryss die Geschichte einer Freundschaft zwischen drei Jugendlichen, die auf eine harte Probe gestellt wird, als einer von ihnen unter Mordanklage gerät.

Verlag Neues Leben Berlin 1985

Heynowski & Scheumann, Peter Hellmich: Anflug auf Chacabuco – Mit Kamera und Mikrofon in chilenischen KZ-Lagern

Wir kannten die trostlosen Wüsten unter der sengenden Sonne, die von der Salpeterausbeute zerschundene Erde, auf die das ganze Jahr kein Regentropfen fällt. Wir hatten verlassene Salpeterminen gesehen, die stallähnlichen Unterkünfte derer, die hier einmal gearbeitet hatten – eine „KZ-Wirklichkeit, basierend auf der gnadenlosen Ausbeutung von Erde und Mensch“ – so bereits notiert im März 1973 in Iquique. Und nun wußten wir, daß die Militärjunta in solchen stillgelegten Salpeterminen Konzentrationslager eingerichtet hatte, um dort Freunde und Genossen der Unidad Popular einzuschließen: z. B. in Chacabuco, Region Antofagasta.

Sie aufzufinden, die Freunde und Genossen, sie der Weltöffentlichkeit vorzuweisen – das war der Kampfauftrag für unsere Kamera und unser Mikrofon im chilenischen Sommer 1974…

Verlag der Nation Berlin 1974

 

13 April 2022

Anna Seghers: Drei Frauen aus Haiti

Drei Frauen aus Haiti – in verschiedenen Jahrhunderten haben sie gelebt, ihre Schicksale sind aufs engste verknüpft mit der Geschichte des Landes.

Toaliina, das Indiomädchen, paradiesisch an Anmut und Schönheit, soll mit ihren Gefährtinnen der Königin Isabella von Kolumbus zum Geschenk gemacht werden. In einem unbewachten Augenblick gelingt es ihr, vom Schiff der Spanier zu fliehen. Das Versteck, in dem sie vor ihren Verfolgern sicher ist, liegt tief im Gestein der Berge.

Claudine, die N***, folgt ihrem Mann Amédée nach Frankreich. Dort können sie in der Nähe des „schwarzen Robespierre“, Toussaint Louverture, sein, der in der Festung Joux von Bonaparte gefangengehalten wird. Der Schlüssel, den Amédée an einer Kette am Hals trägt, ist Erinnerung an furchtbare Stunden, die Claudine in einem Wandgefängnis verbringen mußte, und Symbol der Verbundenheit mit der Revolution der N***sklaven.

Luisa, eine junge Frau aus dem heutigen Haiti, findet ihren Platz an der Seite von Juan, der wie viele seine Kraft gegen die Diktatur der Duvaliers einsetzt. Zerschlagen und entstellt durch die Foltern der Tonton Macoutes, wird sie aus dem Gefängnis befreit. Die Trennung von ihrem Freund Cristobal, der die schöne Susanna heiraten wird, bedeutet weder Tragik noch Entsagung für Luisa. Ihr Leben findet Erfüllung im Glück der anderen.

Aufbau-Verlag 1980
Illustrationen: Günther Lück

 

Wilhelm Busch: Das Rabennest - Sieben Bildergeschichten

 


"Zwei Knaben, jung und heiter, die tragen eine Leiter." So beginnt "Das Rabennest", eine Vers- und Bildgeschichte von Wilhelm Busch, in der allerhand Komisches und auch Schreckliches geschieht. Am Ende ziehen die Jungen gebeutelt, aber geläutert von dannen. Ähnlich aufregend-heiter geht es in den anderen Geschichten dieses Büchleins zu. Sie sind schön koloriert und zeugen von Buschs Zeichenkunst, seinem unverwechselbaren Humor und seiner originellen Reimkunst.

Altberliner Verlag, 1. Auflage 1986

Mark Twain: Von der Kunst, einen Zaun zu streichen


 Tom ist ein pfiffiger, unternehmungslustiger Bengel, der immer weiß, was er will. Noch besser aber weiß er, was er nicht will - einen Zaun streichen zum Beispiel. Und schon gar nicht einen, der zwanzig Meter lang ist und hoch dazu. Doch Tom wäre nicht Tom, wenn er sich nicht zu helfen wüßte. 
Diese unvergleichliche Geschichte aus Mark Twains weltberühmtem Roman "Tom Sawyers Abenteuer" wird den Erstlesern viel Vergnügen bereiten und sie neugierig machen auf das ganze Buch.

Altberliner Verlag

12 April 2022

Rainer Kerndl: Das Mädchen im Kastanienbaum

O Gott, das Grübeln macht mich ganz kribbelig. Wenn Fäßchen und die anderen mich hier rumstehen sähen, wüßte's morgen die halbe Schule. Eule Kempers hat's ungeheuer erwischt. So klar wie in dem Augenblick ist mir die Sache noch nicht gewesen. Lösungen stellen sich oft überraschend ein. Man knabbert an einem Problem, möchte verzweifeln und hat es schon aufgegeben: mit einem Mal ist alles klar und zutage.
Ich bin echt stark verknallt.
Damit muß man leben, Eule Kempers. Und es darf mal festgehalten werden: Eichelhäher ist keine Rechenaufgabe, die man erleichtert beiseite legt, sobald sich die Lösung präsentiert hat. Mit so einem Mädchen, da machen wir uns mal nichts vor, fangen die Probleme erst an.
Oh, Leute, das ist eine Schote!

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1. Auflage 1988
 

F.C. Weiskopf: Abschied vom Frieden

Dieser große Roman vermittelt ein farbenkräftiges und lebenssprühendes Bild der großbürgerlichen Gesellschaft Österreich- Ungarns vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges. In der prallen Fülle seiner Menschen und Schicksale ersteht noch einmal die untergegangene Welt brüchigen Adels forscher Militärs, gutsituierten Bürgertums, robuster Parvenüs, behüteter Backfische und suchender proletarischer Jugend. 

Der Prager Zeitungsverleger Alexander Reither - reich, klug, großzügig, liberal - lebt mit großer Intensität sein bewegtes und genußreiches Leben. Er spürt das Ende seiner Epoche, scheut jedoch die echte Entscheidung. Was aber er noch spürt, berührt keines der Mitglieder der Familie: weder seine prüde und familienstolze Schwester, noch seinen lyrisch versponnenen und lebensuntüchtigen Sohn, noch seine Tochter und deren Mann, einen "nationalen" Oberlehrer, und schon gar nicht seine Enkelin Wally, die aus ihrem inhaltslosen luxuriösen Leben ins Abenteuer flüchtet. Nur eine andere Enkelin Alexanders, Adreienne, findet den Weg zur sozialistischen Jugend und zum arbeitenden Volk: sie wird einen schweren und schönen Lebensweg gehen. Aller Glanz und alle Fäulnis jener Zeit sind in diesem Buch eingefangen.

Dietz Verlag Berlin 1955 3. Auflage 

 

Jane Austen: Gefühl und Verstand

Teezirkel, Dinners und Bälle, Spazierfahrten, Picknicks und Reisen über Land – das sind die aufregenden Ereignisse, um die sich das Leben der feinen Leute in der englischen Provinz um 1800 dreht. Den Rest ihrer müßigen Tage verbringen sie an Kartentisch und Zeichenbrett, bei Musik und Literatur, mit Klatsch und Tratsch. Das spannendste Gesellschaftsspiel aber, von dem sich kaum einer ausschließt, ist die Jagd nach der besten Partie. Ist man selbst schon versorgt, müht man sich eben nach Kräften, all seine männlichen und weiblichen Verwandten und Bekannten zu verkuppeln. Als lohnende Beute gelten dabei Vermögen, Rang und Ansehen. Ein edles Herz und ein kluger Kopf zählen nicht, sogar Schönheit ist nur eine angenehme Zugabe.

Elinor Dashwood, ein gebildetes, feinsinniges und verständiges Mädchen aus achtbarer, doch unbemittelter Familie, hat beizeiten erkannt, was sie für sich erhoffen darf, während ihre jüngere Schwester Marianne, romantisch verstiegen und allzu gefühlsbetont, schwärmerisch von der großen Liebe träumt. Das Schicksal führt beide über freudvolle Höhen und durch leiderfüllte Tiefen, bis sie am Ende ihr Glück finden – dank der rechten Mischung von Gefühl und Verstand.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
buchclub 65, 1978
Aus dem Englischen von Erika Gröger

 

11 April 2022

Gerhard Gabriel: Das Märchen von der verrückten Schreibmaschine


 Das ist nicht nur eine spaßige Geschichte, in der die Selbstlaute dieser ungewöhnlichen Schreibmaschine ein merkwürdiges Spiel treiben, aus Ärger darüber, daß sie nach Lochwitz an der Schnarre geraten sind. Der Leser wird „spielend“ darauf gelenkt: Die Beschäftigung mit der Sprache und der Umgang mit ihr kann Spaß bereiten und muß nicht nur das manchmal etwas langweilige Grammatikdeutsch bedeuten.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1980
Die kleinen Trompeterbücher Nr. 134

Hanns-Canon von Gabelentz und Helmut Scherf: Das staatliche Lindenau-Museum seine Geschichte - seine Sammlungen

Buchanfang

Manches Herrliche der Welt

Ist in Streit und Krieg zerronnen,

Wer beschützet und erhält

Hat das schönste Los gewonnen.

Diese Worte Goethes wurden nach der Wiedereröffnung des Lindenau-Museums im Jahre 1949 an die Stirnwand des seinem Gründer und Stifter, Bernhard von Lindenau, geweihten Gedenkraumes im Obergeschoß geschrieben. Unter ihnen stehen die klassisch-edle Bronzebüste Lindenaus von der Hand des David d'Angers, zu seiner Rechten und zur Linken die Terrakotta-Büsten der Lindenau geistesverwandten französischen Astronomen Jean-Silvain Bailly – dieser, fortschrittlich und rechtlich wie Lindenau, fiel trotzdem 1793 der Guillotine zum Opfer – und Lefrançais de Lalande. Meisterwerke von Jean Antoine Houdon.

Der Vierzeiler Goethes und der Leitsatz Lindenaus "Die Jugend zu belehren, das Alter zu erfreuen", bestimmen den Charakter des Museums sowie Inhalt und Form seiner Sammlungen. Diese, nach dem Kriege geordnet, neu aufgestellt und erweitert, dem Besucher nahezubringen, diente zunächst ein "Kleiner Wegweiser", der später mit Sonderführern durch alle Hauptabteilungen des Museums ergänzt wurde. Zu den Sonderführern wiederum soll nunmehr die vorliegende Schrift treten, die dem Besucher etwas von der Geschichte des Museums und seines Gründers erzählt und darüber hinaus ihm einen kurzen erläuternden Überblick gibt über die in dem Museum gezeigten Kunstwerke; wenn mit einem solchen, von der Schablone eines Normal-Kataloges abweichenden, Überblick zugleich noch ein Rückblick auf geschichtliche Entwicklung sowie Gedanken grundsätzlicher Art zu Fragen der Kunst gegeben werden, dann wird dies von manchem Leser vielleicht begrüßt werden. Dabei erwies es sich als notwendig, die Kunst der Neuzeit etwas eingehender zu beschreiben als diejenige des Altertums und Mittelalters; Abgüsse, Vasen und frühitalienische Malerei, über die bereits ausführliche Spezialkataloge vorliegen und auf die Besucher, die sich für diese Gebiete interessieren, hiermit besonders hingewiesen seien. Abbildungen der meisten in dem Kapitel Neuzeit erwähnten Kunstwerke findet der interessierte Besucher in dem Kataloge "Gemälde und Plastik des 16/20, Jahrhunderts", Teil 1 und 2 Veröffentlichungen des Museums Nr. VI – siehe die Anzeige auf Seite 87).

Für den regelmäßigen Museumsbesucher die einzige Möglichkeit, um aus der Kunst einen wirklichen geistigen Gewinn zu erzielen, – wird regelmäßig allmonatlich ein "Bild des Monats" gezeigt, im Altenburger Kulturspiegel abgebildet und mit einer eingehenden Würdigung versehen, wodurch mit der Zeit ein ausführlicher Katalog geschaffen sein wird, Möge diese Maßnahme Anklang finden und möge auch der vorliegenden jüngsten literarischen Veröffentlichung des Lindenau-Museums die gleiche freundliche Aufnahme zuteil werden wie ihren älteren Artgenossen...

Staatliches Lindenau-Museum, Altenburg 1961
Abbildung: Bernhard August von Lindenan (1779-1854)
Lithografie von Valentin Schertle, nach einem Lichtbild von Biow. 1848

 

F.C. Weiskopf: Himmelfahrtskommando

Der Roman gibt einen klaren, sachlichen Beitrag zum Thema der persönlichen und der kollektiven Schuld aller Deutschen im letzten Kriege und überzeugt durch seine epische Kraft, seinen dramatischen Schwung, seine dichterische Gestaltung und Stimmung und nicht zuletzt durch die Geistigkeit und Menschlichkeit, die ihm innewohnt. Seine Mahnung und Lehre ist heute wiederum von beklemmender Aktualität, da in Westdeutschland die amerikanischen Kriegsbrandstifter einen neuen Sturm der Gewalt und Unmenschlichkeit entfachen wollen.

Dietz Verlag Berlin 1952 2. Auflage 
 

05 April 2022

Elias Canetti: Der Ohrenzeuge - Fünfzig Charaktere

Charakter-Bilder stehen als literarische Form in einer langen Tradition. Theophrast, La Bruyère, Balzac geben mit ihren Typisierungen soziologisch aufschlußreiche Bilder ihrer Zeit. Auch Elias Canetti (geb. 1905) reiht sich mit Charakteren wie "Der Namenlecker" oder "Der Hinterbringer" in diese Tradition ein. Sie sind leicht erkennbare Grundtypen einer Gesellschaft, die nur noch dem Eigennutz verpflichtet ist. Mit anderen Charakteren - mit dem "Schadenfrischen" etwa, dem "Papiersäufer" oder dem "Vermachten" - bevölkert Canetti ein Panoptikum: skurrile Typen, schwer zu entschlüsseln, scheinbar nicht von dieser Welt. Dann aber, auf den zweiten oder dritten Blick lassen sich auch diese Fabelwesen entziffern. Es sind bewußt überzeichnete Deformationen bürgerlicher Endzeit. Canetti führt Zweibeiner vor, deren ganzes Leben und Auftreten von einer einzigen alles überwuchernden Funktion bestimmt wird. Die Rolle, die sich das Individuum in einer deformierten Welt zulegen mußte, weil sie ihr durch die gesellschaftlichen Verhältnisse aufgezwungen worden ist, hat sie verstümmelt.

Die Marionetten und Lemuren dieses Buches sind nur scheinbar zeitlos, und das verbindet sie mit den anderen Gestalten von Elias Canetti. Wie schon in seinem Roman "Die Blendung" (Volk und Welt 1969 und 1974) sind die vorgestellten, in einem engen Verhaltenskorsett sich bewegenden Typen Opfer einer illusionären Bürgerwelt. Wieder erweist sich Canetti als der Schriftsteller hohen Ranges, von dem schon seinerzeit Thomas Mann angetan war - wegen der "erbitterten Großartigkeit seines Wurfs, seiner dichterischen Unerschrockenheit, seiner Traurigkeit und seinem Übermut".

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1976
Spektrum
 

Saad Jehia: Der Omda und Schiech Soliman

"Es gab einmal vor sehr langer Zeit in einem Dorf einen Omda. Der regierte strenger als alle strengen Omdas vor ihm. Wenn er sich über jemanden ärgerte, bestrafte er ihn sogleich mit dem Tode." So beginnt das Titelmärchen dieser Auswahl, und es wird darin erzählt, wie der grausame Dorfbürgermeister durch Afrit Ben Nafrit, den König der Geister, bestraft wird, so daß die Fellachen wieder in Frieden ihrer Arbeit nachgehen können. Ob die Märchen im Tierreich angesiedelt sind oder unter den Menschen spielen, sie stärken die Hoffnung, daß künftig der Tüchtige das Sagen bekommt.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 1. Auflage 1986
ATB Nr. 113
 

Wolfgang Sellin, Manfred Wolter (Hg.): Der neue Zwiebelmarkt. Gedichte

Zehn Jahre nach der Herausgabe des ersten 'Zwiebelmarktes' erschien dieser zweite Band mit neuer DDR-Lyrik: Gedichte u. a. von Wilhelm Bartsch, Thomas Böhme, Volker Braun, Waldemar Dege, Kurt Drawert, Heinz Czechowski, Stefan Döring, Adolf Endler, Elke Erb, Jan Faktor, Kerstin Hensel, Wolfgang Hilbig, Wulf Kirsten, Steffen Mensching, Karl Mickel, Richard Pietraß, Bert Papenfuss-Gorek, Peter Wawerzinek, Volker Ebersbach, Fritz Rudolf Fries u. Klaus Möckel; Textill. von Lothar Sell

 Eulenspiegel Verlag Berlin 1. Auflage 1988
Illustrationen: Lothar Sell

04 April 2022

Edgar Wallace: Der Pfeifer

Edgar Wallace, bis heute einer der Spitzenreiter unter den Kriminalschriftstellern des 20. Jahrhunderts, sechzehn Jahre jünger als Sir Arthur Conan Doyle und sechzehn Jahre älter als Agatha Christie, unterscheidet sich sehr wesentlich von seinen beiden berühmten Landsleuten und Berufskollegen. Seine Krimis sind nicht mehr so einschichtig-bieder und in ihrer Struktur durchschaubar wie die Sir Arthurs, aber auch nicht so raffiniert und artistisch pointiert wie die der First Lady of Crime. Sir Arthurs gemächlichem Schritt und Agathas zwar langsam anlaufender, sich dann aber zunehmend beschleunigender Handlung setzt Wallace ein durchgehend atemberaubendes Tempo entgegen, Sir Arthurs viktorianischer Wohlanständigkeit und Agathas ein wenig snobistischem Faible für die höheren Schichten eine unverhohlene Vorliebe für den gefährlichen Dschungel der Londoner Unterwelt, deren Stützpunkte die Spelunken und Verbrecherhöhlen des Eastends und die Themsedocks sind, aber auch die komfortablen Villen scheinbar ehrenwerter Geschäftsleute. Was dieses Milieu betrifft, so verfügte der Mann mit dem Pokergesicht und der superlangen Zigarettenspitze über Spezialkenntnisse, deren Sir Arthur und Agatha sich nicht rühmen konnten: seine jahrelange Tätigkeit als Gerichtsreporter hatte ihn mit der dunklen Kehrseite der glanzvollen Metropole wohlvertraut gemacht und ihm schier unerschöpflichen Rohstoff für seine Thriller geliefert. (Kein Wunder auch, daß Kriminalreporter in seinem Werk als findige Spürhunde eine wichtige Rolle spielen!)

Zu Edgar Wallaces bekanntesten Krimis gehört "Der Pfeifer" - in früheren Übersetzungen "Der Zinker" - aus dem Jahre 1928. Er weist alle typischen Wallace-Attribute auf: turbulente "action", zwielichtige Persönlichkeiten, deren wahres Wesen sich erst am Schluß enthüllt, überraschende Wendungen, die ein ganz neues Licht auf die Geschehnisse werfen, schurkische, aber äußerst profitable Machenschaften, ein unschuldiges junges Mädchen, das um ein Haar in die Netze des Verbrechens gerät, ein aufmerksamer Kriminalreporter, dem die Sympathie des Autors gehört, und schließlich der Vertreter Scotland Yards in einer hochgefährlichen, aber zu guter Letzt erfolgreichen Mission. Die Wallace-Welt ist schon im Jahre 1928 alles andere als heil, doch im "Pfeifer" wie in seinen übrigen Krimis gilt noch immer die Devise "Crime doesn't pay, Verbrechen zahlt sich nicht aus" - es sei denn für den, der Romane darüber schreibt!

Edgar Wallace (1875-1932) wurde in Greenwich geboren, wuchs elternlos in einer Fischerfamilie auf; war in seiner Jugend Laufbursche, Zeitungsverkäufer, Drucker- und Maurergehilfe; trat mit achtzehn in die Armee ein; bildete sich autodidaktisch weiter; war Berichterstatter im Burenkrieg, später Gerichtsreporter in London; veröffentlichte 1905 seinen ersten Kriminalroman im Selbstverlag; verfaßte etwa 200 Kriminal- und Sensationsromane, fast 1000 Kurzgeschichten und dramatisierte einige seiner Bücher; starb in Hollywood.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1984
bb Nr. 539
Einbandgestaltung: Günter Lerch, Erich Rohde
 

Alfred Antkowiak: 22 schwedische Erzähler

"Ich vermisse Brücken nach Europa." Lars Gyllensten, einer der bekanntesten jüngeren Schriftsteller Schwedens, sagte das in einem Interview der Tageszeitung "Ny Dag". "Es kann doch kein Vermögen kosten", meinte er, "wenn man versucht, in die Sprachmauer, die Skandinavien von der Welt trennt, ein Loch zu schlagen." Diese Anthologie soll dazu beitragen. Wenn sie auch nicht den Anspruch erhebt, die ganze schwedische Literatur unseres Jahrhunderts zu repräsentieren - ein Brückenschlag ist sie auf jeden Fall, und sie lädt ein, ein Land zu betrachten, das uns so nah und doch so fremd ist. Ob die hier versammelten 22 Autoren Liebesgeschichten moderner junger Menschen oder humorvoll Erlebnisse zweier Landstreicher erzählen, ob sie von den letzten Tagen eines Landarbeiters berichten oder mit äußerster Präzision einer fast wissenschaftlichen psychologischen Studie das Leben eines Werbefachmannes analysieren - immer versuchen sie, eine Welt zu erkunden und dem Leser durchschaubar zu machen, die materiell total gesichert scheint, deren Menschen aber innerlich gefährdet sind durch Lebensangst und Überdruß an den genormten Bahnen des Alltags.
Inhalt
Agnes von Krusenstjerna - Bitteschön! Danke!
Eyvind Johnson - Ein Wintertag
Artur Lundkvist - Bauerndrama
Ivar Lo-Johansson - Der Tod des Landarbeiters
Jan Fridegård - Das weise Frauchen
Thorsten Jonsson - Stiller Abend
Fritiof Nilsson Piraten - Yankee Fashion
Tage Aurell - Unterhaltung erwünscht
Lars Ahlin - Das wundervolle Nachthemd
Stig Dagerman - Der nächtliche Badeort
Per E. Rundquist - Nur nicht jetzt
Lars Göransson - Der Morgen
Willy Kyrklund - Solange
Lars Gyllensten - Mit den Augen des Gewissens
Pär Rådström - Das Milchgeschäft
Per Olof Sundman - Übernachtung
Margareta Ekström - Eheleben
Christer Dahl - The Sleepy Bear
Rune Olausson - Der Pfeifer
Stig O. Carlsson - Die Karre
Per Christian Jersild - Schliemanns Mühe
Ulf Stark - Die Fälschungen
Nachwort
Biographische Notizen

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1967
 

Wolf Durian: Der Mann im Biberbau

Die Schwarzfüße stimmten das Kriegsgeschrei an.

Sie suchten das Flußufer ab. Sieben oder acht Mann sprangen ins Wasser. Da, in höchster Gefahr, entdeckte Colter in einer Bucht einen alten Biberbau. Das Schlupfloch unter Wasser war weit genug. Er kroch hinein, stieg auf in den trockenen Raum unter der Kuppel, warf sich hin und rührte sich nicht. Ganz in seiner Nähe hörte er die aufgeregten Rufe der Indianer.

Es schoß ihm durch den Kopf, die Schwarzfüße könnten den Biberbau anzünden. Stundenlang quälte ihn der furchtbare Gedanke.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1987
Illustrationen Gerhard Goßmann
ATB Buch Nr 119

Stig Dagermann: Der Mann, der nicht weinen wollte

Stig Dagerman (1923-1954). Seine Mutter ging aus dem kleinen schwedischen Älvkarleby und kehrte nicht wieder, ließ ihren eben geborenen Sohn zurück.

Zurückgelassen, zum Leben verurteilt, entsetzlich einsam fühlte sich der 16jährige, als er durch 17 Messerstiche eines Verrückten den Großvater und durch den erlittenen Schock die Großmutter verlor und während einer Ferienreise ins Gebirge den Freund. "Ich mußte Schriftsteller werden, und ich wußte, was ich schreiben mußte: das Buch meiner Toten."

Ekstatisch, besessen, leidenschaftlich widmet der junge Schriftsteller sein Werk seinen Toten, den zurückgelassenen entsetzlich Einsamen, vor deren Kummer die rücksichtsvollen Leute die Tür geschlossen halten, den zum Tode Verurteilten - allen ohne wattierte Schultern, die sich so wahnsinnig dem Leben verschrieben haben und die vor Lauter Wahnsinn zugrunde gehen. Er wollte, "daß sie einem vernünftigen Zweck dienen sollten, sei es auch nur als Pfahl".

Aber seine Kraft reichte nicht; Dagerman wich, 31jährig, aus dem Leben, uns ein frühes, geniales Werk übergebend, das erschüttert.

Reclam UB Nr.378, 1975

03 April 2022

Bruno Kress: Erkundungen - 27 isländische Erzähler

Vielleicht hat Islands großer Schriftsteller Halldór Laxness, Nobel- und Weltfriedenspreisträger, nicht übertrieben, als er voller Stolz erklärte, auf jedem isländischen Hof gebe es einen Dichter. Denn immerhin gehören dem isländischen Schriftstellerverband 220 eingeschriebene Mitglieder an - eine imponierende Zahl, setzt man sie ins Verhältnis zu den 220.000 Einwohnern der nordatlantischen Inselrepublik. Tatsache ist jedenfalls, daß die isländische Literatur auf eine sehr lange und fruchtbare Tradition zurückblicken kann und mit den berühmten Sagas schon im Mittelalter Prosawerke hervorbrachte, die für die damalige Zeit eine beispiellose künstlerische Leistung darstellten und auch im Vergleich mit modernen Erzählungen ehrenvoll bestehen.

Dieser literarischen Überlieferung mag es zuzuschreiben sein, daß bis in unsere Tage das Genre der Erzählung von vielen isländischen Autoren bevorzugt wird. Die in der Anthologie zusammengestellten 27 Texte, überwiegend während der letzten 20 Jahre veröffentlicht, vermitteln davon einen reichhaltigen Eindruck. Sie widerspiegeln Lebensweise und Denkhaltung eines kleinen Volkes, das von ungewöhnlich starker Spannung zwischen geschichtsbewußter bäuerlicher Traditionspflege und den neuen Ansprüchen einer zunehmend urbanisierten Bevölkerung geprägt wird. Daraus erklären sich die Kontraste der Erzählungen, in denen Ehe- und Liebeskonflikte von Stadtbewohnern, das harte Dasein des Bauern und Fischers, die milieubedingte enge Beziehung zwischen Mensch und Natur geschildert werden. Sage, Mystik und Aberglaube bilden einen weiteren Themenkreis. Auch er gehört zum reizvollen Gesamtbild dieser herben, mitunter exotisch anmutenden kurzen Prosa eines Landes, dessen Literatur - mit Ausnahme von Laxness' Romanen - bisher nur sporadisch in der DDR verlegt wurde.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1980
Aus dem Isländischen von Bruno Kress, Hartmut Mittelstädt, Ernst Walter
Mit einem Nachwort von Bruno Kress
 

Heinz Odermann, Wolfgang Skillandat: Erkundungen - 16 palästinensische Erzähler

Die palästinensische Kurzprosa der Gegenwart, die in diesem Band mit 16 Autoren erstmalig im deutschsprachigen Raum vorgestellt wird, entstand unter tragischen und komplizierten Bedngungen. Exil und Vertreibung, Leben unter israelischer Besatzung und in Flüchtlingslagern, schwieriges Heimischwerden in der Fremde und die Frage nach der Identität des einzelnen, Verfolgung und Massenvernichtung durch die israelische Kriegsmaschinerie. In dieser Situation stehen die Schriftsteller an der Seite des arabischen Volkes von Palästina, das um sein Land und die Verwirklichung seines Rechtes auf Selbstbestimmung kämpft.

Vielstimmig sind die Erzählhaltungen, Themen und Konflikte; mancher Text wählt die Form der Legende und des Märchens. Allen gemeinsam ist die menschliche Ausstrahlungskraft der Literatur eines Volkes, das nicht nachläßt in der Frage nach der Gestaltung seiner eigenen Zukunft.

Die Anthologie versucht hinter den Schlagzeilen aktueller politischer Berichte das gewöhnliche Leben im Alltag aufzuspüren.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1983
Aus dem Arabischen von Dagmar Börnert, Doris Erpenbeck, Martin Grzeskowiak, Johanna und Moustapha Haikal, Cornelia Höhling, Erika Pabst, Wiebke Walther
Aus dem Französischen von Ortrud und Bernd Schirmer
Mit einem Nachwort von Heinz Odermann
Anmerkungen am Schluß des Bandes
 

Martial: Epigramme

MARTIAL (um 40-102). Kein anderer Dichter hat im antiken Rom einen solchen Bucherfolg gehabt wie Martial. Seine zwölf Bücher "Epigramme" gingen von Hand zu Hand, seine Gedichte – wegen ihrer bisweilen derben Anspielungen oftmals nur hinter vorgehaltener Hand weitergesagt – machten die Runde; er, der große Meister der Epigrammdichtung, mußte sich zahlreicher dilettantischer Nachahmer erwehren.

Martial stammt aus dem spanischen Bilbilis, als 24jähriger kam er nach Rom. Einflußreiche Gönner, der Philosoph Seneca und der Dichter Lucan, die sich seiner angenommen hatten, wurden i. J. 65 im Zusammenhang mit einer gegen das zügellose Regime des Kaisers Nero gerichteten Verschwörung zum Tode verurteilt. Ganz auf sich gestellt, mag es für Martial auch unter den folgenden Kaisern, den Flaviern, nicht leicht gewesen sein, sich als Dichter zu behaupten. Mit schonungsloser Offenheit legte er die Gebrechen des großstädtischen Lebens bloß. Genußsucht, moralische Verkommenheit, Lebensüberdruß sowie bitterste Armut, Rechtlosigkeit und entwürdigendes Sklavenlos geißelt er in seinen scharfpointierten, meisterlich geschliffenen Versen.

Reclams Universal-Bibliothek Band 298, 3. Auflage 1976
Übersetzung nach: M. Val. Martialis Epigrammaton libri ed. Lindsay, Oxford 1902, et Heraeus, Leipzig 1925