28 März 2021

Harald Gerlach: Das Graupenhaus


 Das "Graupenhaus" ist ein Heim, im Herbst 1945 für elternlose, verwahrloste Jugendliche gegründet. Doch nicht nur die karge Nahrung und die Kälte in dem alten Schloß machen den Zöglingen die Eingewöhnung schwer.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
bb Nr. 407



"Die Lüge sitzt mit uns zu Tisch" - wer das eines Mittags schreit, heißt Meisegeier und ist Bewohner des "Graupenhauses". Verwahrloste Halbwüchsige wie er, die im Herbst fünfundvierzig an den Landstraßen Südthüringens aufgelesen werden, wollen in dem ehemaligen Schloß ein Heim finden. Nun tauchen die Zöglinge ihre Löffel mißmutig in die dünnen Graupen. Empörung liegt in der Luft. Wieder sind sie auf sich selbst angewiesen, Ampf, der Gründer des Heims, der ihnen bisher mehr ein Freund als Erzieher war, weiß sich keinen Rat. Sein Traum von glücklichen Kinderseelen scheint gescheitert. Nützer, der beständig große Worte des Neuen im Munde führt, doch Kritik nicht duldet, hat die Leitung an sich gerissen.
Die Jungen aber träumen nicht nur von einer gerechten Welt, sie tun auch einiges: lassen zum Beispiel den edlen Räuber Balthasar auferstehen und helfen auf ihre Art einer gerechten Verteilung der Güter nach. Und sie sind kritisch über die Maßen, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. "Den neuen Menschen muß man auf neue Weise schaffen", wird ihnen gesagt, und sie nehmen es wörtlich, lassen sich von einem Nützer nicht täuschen, von dem sie wissen, "daß er so wenig ein Erzieher wie ein Besenstrunkt ist".

Harald Gerlach geht in den Episoden um dieses Heim ein Stück unserer Vergangenheit poetisch und sehr nachdenklich an. Geschichte wird zum eigenwilligen Schlüssel für Gegenwartsverständnis, denn, um wieder mit Meisegeier zu sprechen, "keine Zukunft hat, wer ohne Vergangenheit kommt".

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Aufl., 1976
Mit einer Nachbemerkung von Wulf Kirsten
Die Graphiken wurden der Mappe "Unstrutland" von Alfred T. Mörstedt entnommen.
Edition Neue Texte

Heinrich Zille: Das dicke Zillebuch

 Mein Lebenslauf (aufgezeichnet für die Akademie der Künste in Berlin, 1924)

1872 lernte ich Lithograph und ging die Woche zweimal abends in den Unterricht zum alten guten Professor Hosemann in die Kunstschule, die damals in der Akademie war, ebenso zweimal die Woche zum Professor Domschke, Anatomie, der sehr grob war – und die vollste Klasse hatte: „Wenn Se noch nicht mehr kenn‘, dann setzen Sie sich mit Ihr Brett uff die Treppe un‘ nehmen nich hier die hoffnungsvollen Jünglinge, die bald nach Italien wollen, den Platz weg!“ -, aber die Klasse war übervoll, die jungen Leute freuten sich über den alten Herrn, der so wie der olle Schadow sprechen sollte – nach ihm hat’s P. Meyerheim verstanden, das „Berlinern“ weiter auszubilden.

Der alte Hosemann ließ mich in seiner Wohnung Louisenstraße, am Neuen Tor, ganz gern seine Skizzen und Zeichnungen ansehen und auch abmalen, sagte aber: „Gehen Sie lieber auf die Straße raus, ins Freie, beobachten Sie selbst, das ist besser als nachmachen. Was Sie auch werden – im Leben können Sie es immer gebrauchen; ohne zeichnen zu können, sollte kein denkender Mensch sein.“

Es ist ein nicht grade heiteres, von wenig Sonne erhelltes Feld, das ich mir wählte: der fünfte Stand, die Vergessenen! Ich bewunderte Hans Baluschek, den ich so hoch verehre und nie erreichen werde! Als Kind bei Entbehrungen aller Art aufgewachsen, machten die Hogarthschen Stiche, die ich als Junge in den Pfennigmagazinen entdeckte, großen Eindruck auf mich; ich verglich den Inhalt der Bilder mit dem Leben, das ich um mich sah. Mein Vater war der älteste Insasse des Schuldgefängnisses, den die Gläubiger schon jahrelang festhielten, bis das Gesetz über die „Wechselhaft“ fiel.

Dort erlebte ich Szenen, wie sie Dickens im „David Copperfield“ geschildert hat. Aus buntem Tuch und Pelzresten verstand Mutter Schweinchen, Hunde, Katzen, Mäuse usw. plastisch darzustellen, wobei die Schwester und ich bis in die Nacht hinein halfen. (…)

Die Woche ging ich zweimal in den Zeichenunterricht; das kostete den Monat einen Taler, den ich mir selbst verdiente. Von der ganzen Schulzeit waren mir die liebsten Stunden, in der ärmlichen Dachstube, Berlin O., Blumenstraße, beim alten Zeichenlehrer Spanner. Und merkwürdig, ein Haus weiter wurde ich als älterer Mann in dem Verbrecherkeller, der sich dort befand, von dem Aufpasser an der Kellertür, den man „Spanne“ nennt, mit dem Tode bedroht. Das Sehen und Erleben in den Kinderjahren half wohl später manche Bilder gestalten. (…)

War auch die Arbeit am Tage nicht so erfreuend, um so mehr waren es die Abende in der Kunstschule und später im Abendaktsaal. Sonntags ging’s ins Freie, um Landschaft zu versuchen. Die noch bleibende Zeit mühte ich mich, das auf der Straße Gesehene aus der Erinnerung zu zeichnen. Der Lehre folgte die Gehilfenzeit; ich kam in gute Werkstätten, arbeitete mit R. Friese und Frenzel, den späteren Tiermalern, und vielen tüchtigen Lithographen zusammen und erlernte den Buntdruck. Nach der Militärzeit ging ich zum graphischen Gewerbe, wie Lichtdruck, Zinkographie, Photogravüre usw. über, da hat mir das etwas Zeichnenkönnen geholfen, gute Arbeit zu machen. Mancher Beitrag für Zeitungen war entstanden, die Zeichnungen und Skizzen sammelten sich an, so dass ich auf Zureden von Freunden mich zaghaft traute, in der ersten Schwarzweiß-Ausstellung der Berliner Sezession 1901 auszustellen. Man war entrüstet über die Verunglimpfung Berlins und seiner Bewohner. Nach und nach lernten die Leute sehen, urteilen und mich verstehen. Im Osten und Norden Berlins verstanden sie mich gleich, als meine Gestalten im Simplicissimus und der Jugend, den ersten Zeitschriften, die mir gnädig waren, auftauchten. Seit 1907 bin ich nicht mehr im graphischen Gewerbe und konnte mich mit dem, was mir am Herzen lag, nun ganz und gar befassen.

Meine erste eigene Wohnung war im Osten Berlins im Keller, nun sitze ich schon im Berliner Westen, vier Treppen hoch, bin also auch gestiegen. Einige Radierungen sind ins Kupferstichkabinett gelangt und eine Anzahl Zeichnungen und Skizzen in die Nationalgalerie. Jetzt, 1924, bin ich sogar Mitglied der Akademie geworden. Dazu schreibe ich das, was das völkische Blatt, der „Fridericus“, sagt: Der Berliner Abort- und Schwangerschaftszeichner Heinrich Zille ist zum Mitglied der Akademie der Künste gewählt und als solcher vom Minister bestätigt worden. – Verhülle, o Muse, dein Haupt.

Eulenspiegel-Verlag, Berlin, 1. Auflage, 1971

Günter Grass: Das Treffen in Telgte


 Günter Grass, geb. 1927 in Danzig, von deutsch-polnischen Eltern. Nach dem Kriege Arbeit in der Landwirtschaft und in einem Kalibergwerk. Lehre als Steinmetz und Bildhauer, Studium an den Kunstakademien Düsseldorf und Berlin (West). Seit 1956 freischaffend.

Erzählwerke: „Die Blechtrommel“ (Roman, 1959); „Katz und Maus“ (Novelle, 1961); „Hundejahre“ (Roman, 1963); „Örtlich betäubt“ (Roman, 1969); „Der Butt“ (Roman, 1977); „Kopfgeburten“ (Roman, 1980); „Die Rättin“ (Roman, 1986).

„Das Treffen in Telgte“ (Erzählung, 1979) schildert eine fiktive Zusammenkunft im letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges: In einem kleinen Wallfahrtsort zwischen Münster und Osnabrück treffen sich die bedeutendsten deutschen Autoren der Zeit, um über „die Not und das Glück der Poeterei“ zu streiten, Texte zu hören und zu beurteilen, vor allem aber, um sich auf einen gemeinsamen Friedensappell zu einigen.

Die kraftvolle Realistik des Erzählers Grass, der sich auf Grimmelshausen als einen seiner Lehrmeister beruft, verhilft einer Fülle historischer Gestalten zu Plastizität und Lebendigkeit.

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, Universalbibliothek, Band 1071, 2. Auflage, 1987
Das Titelbild ist eine Radierung von Günter Grass: „Federn blasen“.
Mit einer Vorbemerkung von Stephan Hermlin.

Anne Geelhaar: Da sangen die Gänse - Ein kleines Fabelbuch

 


Beginn

Hans trieb die Gänse heim. Auf dem Weg zwischen See und Waldrand blieb er stehen. "Wartet hier, Gänse. Ich schneide nur ein paar Stöcke", sprach er und lief zum Wasser.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1975
Illustrationen: Inge Friebel
ABC Ich kann lesen

Eva Strittmatter: Brüderchen Vierbein

 

Beginn

Es lebte einmal ein kleines Mädchen mit seiner Mutter in einer Hütte, das hatte nicht Bruder noch Schwester, und weil seine Mutter tagsüber ihrer Arbeit nachging, war das kleine Mädchen oft allein. Tagaus, tagein spilete es mit einem Kloben Holz, wickelte ihn in bunte Lappen und nannte ihn sein hölzernes Söhnchen. Eine alte Kiste und ein wenig Heu nahm es zum Bett für den Kloben. Das war sein ein und alles.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1969
Illustrationen: Ingeborg Meyer-Rey
ABC Ich kann lesen

Elisabeth Shaw: Bettina bummelt


 Beginn

Als Bettina zur Schule ging, sagte ihre Mutter: "Auf Wiedersehen, mein Kind! Sei fleißig, und bummle nicht auf dem Weg nach Hause!"
"Ja, Mutter", sagte Bettina.

Der Kinderbuchverlag Berlin, 4.Auflage 1984
Illustrationen: Elisabeth Shaw
ABC Ich kann lesen

27 März 2021

Eduard Petiška: Der Golem - Jüdische Märchen und Legenden aus dem alten Prag


 Prag, die "goldene Stadt", überreich an historischen Erinnerungen, ist der Schauplatz zahlreicher Märchen und Legenden, die vom Schicksal jüdischer Menschen in ihren Mauern erzählen. Manche dieser Legenden sind weithin bekannt, so die vom Golem, den der weise und kunstreiche Rabbi Löw zum Leben erweckte, oder die von dem Studenten in Prag, der bei dem gleichen Versuch zugrunde ging. Andere Sagen mußten aus verschütteten Quellen mühevoll erschlossen werden. Eduard Petiškas Buch ist die bisher vollständigste Sammlung und literarische Gestaltung dieser alten Überlieferungen.
Da hören wir von der Fürstin Libuše, die Prag gründete, und von ihrem Urenkel Hostivit, der den Juden in Prag eine Heimstatt gewährte. Der Ruhm der Rabbis wird in manchem Bericht verkündet; wir lesen seltsame und ergreifende Dinge von den weisen Rabbinern Raschi, Löw und Landau. Mordechai Meisl lernen wir kennen, der Prags größte Synagoge und das Rathaus der Judenstadt errichten ließ, den armen Pinkas, der dann Vorsteher der Gemeinde wurde, das Liebespaar Leon und Dina, den Wachkommandanten Solan, für den schon zu Lebzeiten in der Altneu-Synagoge alljährlich das Gebet für Verstorbene gesprochen wurde, endlich den Ewigen Juden von Prag...
Traum und Sehnsucht derer, die diese Geschichten einst formten und durch die Jahrhunderte bewahrten, spiegeln sich in ihnen wider. Und der Erzähler Petiška will sich mit diesem Buch an alle Menschen wenden "aus dem Geschlecht der Gerechten, Freundlichen und Weisen, denen die Liebe zum eigenen Volk nicht gebietet, andere Völker zu hassen".

Union Verlag Berlin

Günter Wallraff: Wir brauchen dich. Als Arbeiter in deutschen Industriebetrieben

H. Günter Wallraff sammelte das Material für die vorliegenden Reportagen, seiner ersten Buchveröffentlichung, in fünf der größten westdeutschen Industriebetriebe: bei Ford – Köln, bei Siemens – München, bei Blohm & Voß – Hamburg, in den Benteler-Werken – Schloss Neuhaus, bei Thyssen – Duisburg. Zwei Jahre, 1964 und 1965, arbeitete er als Arbeiter und Hilfsarbeiter am Fließband und im Akkord. Ursprünglich hatte er – nach seinen eigenen Worten – keine literarischen Ambitionen. Er wollte eigentlich nur selbst erfahren, „was hinter dem Gerede von ‚Wirtschaftswunder‘, ‚Sozialpartnern‘ und all den anderen schönen Begriffen wirklich steht“. Was er erlebte, was er sah und hörte und in diesen Reportagen sachlich nüchtern, mit dokumentarischer Genauigkeit aufzeichnet, entlarvt diese „schönen Begriffe“ auf das krasseste. In keinem Buch der westdeutschen Gegenwartsliteratur wird ein so klares Bild von der Ausbeutung des Arbeiters in der Bundesrepublik, vom Grad seiner Entmenschlichung, von den Manipulationen der Unternehmer gezeichnet. Schadenersatzforderungen seitens der Werkleitungen und Ermittlungsverfahren waren die Folge. Andere Erfahrungen machte H. Günter Wallraff in Diskussionen mit Arbeitern. „Wichtig für mich ist“, sagte er in einem Interview, „dass Arbeiter, oft durch jahrzehntelange Gewöhnung ‚betriebsblind‘ geworden, durch meine Industriereportagen wieder ’normal sehen lernten, das heißt sich ihrer eigenen Situation bewusst wurden und nach Änderung verlangten, das System, das dahintersteht, zu durchschauen begannen.“ Und er fügt hinzu: „Vielleicht kann man das, was ich mache und was auch andere machen, als eine Art Bitterfelder Weg betrachten, mit dem allerdings bedeutenden Unterschied, dass hier in der Bundesrepublik nicht gefördert wird.“

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage, 1968
Mit einem Nachwort von Christian Geissler.

 

Walter Großpietsch: Fahrt zum Himalaja


 Ausschnitt

Was für Berlin der Alexanderplatz oder für London der Piccadilly Circus sein mochte, das war für Istanbul die Galatabrücke: Mittelpunkt der Stadt und Verkehrszentrum zugleich. Der zweietagige, 468 Meter lange Eisenkoloß verband die beiden von Wasser getrennten Stadtteile Stanbul und Galata miteinander und vermittelte aus der Ferne den Eindruck eines standfesten Pols. Sobald wir uns jedoch darauf befanden, war dem gar nicht mehr so. Die Brücke ächzte und knirschte in allen Fugen, als würde ihr die auferlegte Last nun zuviel. Den wahren Grund entdeckten wir allerdings erst später. Das Mittelteil der Brücke ruht auf 22 Pontons, die allnächtlich zwischen zwei und vier Uhr ausgefahren werden, um den großen Frachtschiffen aus aller Welt den Zugang zum eigentlichen Hafen im Goldenen Horn freizugeben. 

VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, 1979

ohne Autor*in: Der goldene Topf - Kunstmärchen der deutschen Romantik


 Die Kunstmärchen sind das andere Märchen-Genre, weniger bekannt als die Volksmärchen, die vor allem durch die Brüder Grimm dem Volke zugänglich wurden. Aus dem Volk für das Volk gesammelt und veröffentlicht. Ja klar, Wilhelm Hauffs "Zwerg Nase", "Das kalte Herz" oder "Kalif Storch", - das kennt man auch, weiß um deren kunstvollere Sprache, die jeden der Märchenautoren kennzeichnet. 

Hier aber lesen wir mal "Die blaue Blume" von Novalis, "Der blonde Eckbert" von Ludwig Tieck oder "Das Märchen von Gockel und Hinkel ..." von Clemens Brentano und viele andere.

Tipp von Wally Seidel

Verlag Neus Leben, Berlin 1985



Günter Wallraff: Unerwünschte Reportagen

In den Reportagen, die in diesem Band gesammelt sind, ist die Sphäre der industriellen Arbeit nur noch ein Thema unter anderen. Wallraff recherchiert in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Die Ergebnisse weisen nicht zu übersehende Gemeinsamkeiten auf. Überall fördert Wallraff eine eindeutig antidemokratische Tendenz zu Tage. Er beschreibt nicht einzelne Missstände, die zu beseitigen wären, sondern zeigt Befunde auf, die für den gesellschaftlichen Zustand in der Bundesrepublik symptomatisch sind.

Wallraff hat seinen Erlebnisbereich bewusst ausgeweitet. Er geht jeder interessanten Information nach, ist von Wirklichkeitshunger besessen, will viel erleben, selbst sehen, mehr wissen und alles durchforschen. In einem Interview mit der „Deutschen Volkszeitung“ (Nr. 14/1969) sagt er: „Im Grunde genommen sammle ich Wirklichkeit, so wie andere Märchen sammeln. Und wo andere nach Formen suchen, suche ich dokumentarisch belegbare und verwendbare Fakten.“ …

In den vorliegenden Arbeiten dringt er besonders in die gesellschaftlichen Bereiche ein, die von der herrschenden Klasse am meisten gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt werden. Er durchbricht die Informationssperre und stößt auf die Schranken, hinter denen die Scheindemokratie zu Ende ist. Dem westdeutschen Leser wird begreiflich gemacht, wie die herrschende Klasse ihre Macht ausübt, wie sie ihn seit Jahren belügt. Es werden ihm Tatsachen unterbreitet, die ihn zum politischen Denken stimulieren müssten. …

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage, 1970

 

Ludwig Bechstein: Der goldene Rehbock - Märchen von Ludwig Bechstein

Ludwig Bechsteins Märchenerzählungen, "teils nach alten Schriften, teils nach mündlicher Überlieferung niedergeschrieben", fanden wie wenig andere bei seinen Zeitgenossen bereitwillige Aufnahme und wurden in kurzer Zeit noch beliebter als ihr Vorbild, die "Kinder- und Hausmärchen" Der Brüder Grimm. Bechstein vermochte dieser "anerkannt besten echten Märchensammlung", die "fast jede andere überflüssig" mache, mit den von ihm gestalteten Geschichten einen neuen eigenen Ton hinzuzufügen. Seine phantasievoll ausgeschmückten, häufig komischen und ironisch-belehrenden Nacherzählungen alten Volksgutes trafen den schlichten Ton einer Dichtungsgattung, die ihr Autor so charakterisiert: "Das Märchen ist dem Kindesalter der Menschheit vergleichbar; ihm sind alle Wunder möglich, es zieht Mond und Sterne vom Himmel und versetzt Berge. Für das Märchen gibt es keine Nähe und keine Ferne, keine Jahrzahl und kein Datum, nur allenfalls Namen, und dann entweder sehr gewöhnliche, oder sehr sonderbare, wie sie Kinder erfinden!" Diesen "schönsten Schmetterling des Jugendparadieses" stattete sein Schöpfer aber nicht nur mit prachtvollen Farben aus. Bezeichnend für die Haltung des Verfassers ist, daß es gerade die Schwachen, Verhöhnten und Armseligen sind, die Außerordentliches vollbringen, während Spott und Ironie sich über ihre Herren, die Mächtigen, ergießen. Die Gestalt des guten, weisen und gerechten Königs aber ist das Wunschbild und kaum je erreichtes Ideal geschildert.
Ludwig Bechstein hat mit seinen Märchen, von denen unser Taschenbuch eine Auswahl der bekanntesten enthält, Wünsche und Sehnsüchte des "gemeinen Mannes" seiner Zeit festgehalten und ihnen eine Gestalt gegeben, die sie zum Haus- und Volksbuch machten.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1979
bb-Reihe Nr. 424



Inhaltsverzeichnis

Die verzauberte Prinzessin
Hirsedieb
Der goldene Rehbock
Der alte Zauberer und seine Kinder
Der beherzte Flötenspieler
Das Kätzchen und die Stricknadeln
Goldener
Die drei Hunde
Schwan, kleb an!
Das winzige, winzige Männlein
Die drei Hochzeitsgäste
Das Märchen vom Schlaraffenland
Des Hundes Not
Vom Hasen und dem Elefantenkönig
Das tapfere Bettelmännlein
Die schöne junge Braut
Die drei Gaben
Der redende Esel
Siebenschön
Die Wünschdinger
Der Richter und der Teufel
Der starke Gottlieb
Nachwort von Christa Gäbler


Kinderbuchverlag Berlin 1962
Illustrationen Traude Schlegel
RBB - Robinsons billige Bücher Nr. 66


21 März 2021

Achmedchan Abu-Bakar: Das Geheimnis der Koranhandschrift


 Der weise Ali-Scheich spürt, daß der Tod naht. Wem soll der alte Mann das Geheimnis des handgeschriebenen Korans, den er besitzt, anvertrauen? Wer ist würdig? Es gibt nur einen – Hassan aus Amusga, den legendären Volkshelden. Als er endlich im Aul erscheint, wird jedoch bereits die Totenfeier für Ali-Scheich ausgerichtet. Und nicht nur um ihn wird getrauert: Alis Freund, Abu Supjan, der das Buch an sich genommen hatte, ist ermordet worden.
Während Hassan der Spur des Korans durch die Bergdörfer Dagestans folgt, findet er neue Freunde und Verbündete – aber auch neue Feinde.

Verlag Neues Leben Berlin 1985
Ins Deutsche übertragen von Günter Jäniche
Illustrationen: Wolfgang Schedler
Spannend erzählt Nr. 192

Günter Wallraff: Neue Reportagen, Untersuchungen und Lehrbeispiele

Günter Wallraff gehört zu den gewiss nicht zahlreichen Schriftstellern der BRD, denen es gelingt, die von Bertolt Brecht bezeichneten „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ zu überwinden. Er hat den Mut, „die Wahrheit zu schreiben, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird; die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird; die Kunst, sie handhabbar zu machen als Waffe; das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird; die List, sie unter diesen zu verbreiten“, Wallraffs Reportagen vereinen die Unmittelbarkeit des Erlebten und der Recherchen mit sachlicher, fast kühler Darstellung. Jeder Bericht ist eine Anklageschrift.

Der Autor verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen politischer und ökonomischer Macht, lässt den Einfluss des Großkapitals auf Verwaltung, Justiz, Massenmedien erkennen und weist auf die Militarisierung des gesamten Lebens der BRD hin. Da, wo Situation und Verhältnisse in einem Betrieb geschildert werden, konfrontiert Wallraff das äußere Bild des Unternehmens mit der sozialen Wirklichkeit. Erschreckendes, für uns Unbegreifliches tritt zutage. So erinnert die Reportage „Unternehmerfreiheit oder die ‚uferlosen Entgelterhöhungen in Heimarbeit'“ an Zustände des vorigen Jahrhunderts, wir fühlen uns in das Milieu von Gerhart Hauptmanns „Weber“ versetzt.

Doch es genügt Günter Wallraff nicht zu berichten, zu beschreiben. Literatur ist für ihn mit Wirkung verbunden: „Ich bin der Meinung, dass sich die zu leistende Arbeit mehr und mehr von der reinen Bestandsaufnahme zu der gleichzeitig vollzogenen Aktion und Veränderung hinentwickeln muss…“ Wallraffs Berichte und Beschreibungen haben mehr als einmal Aktionen und Veränderungen ausgelöst.

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage, 1974

 

Gerhard Scherfling: Der goldene Schuß


 Herbert Kalisch wird im Hotel "Amstelkrug" in Frankfurt am Main tot aufgefunden. Alles deutet auf Selbstmord. Die polizeilichen Ermittlungsergebnisse bestätigen dies, der Fall kann als aufgeklärt zu den Akten gelegt werden. Der ehemalige Kriminalist Stefan Queck jedoch glaubt an Mord, denn Kalisch hatte ihn kurz vor seinem Tode angerufen und angedeutet, er fühle sich bedroht und habe Kenntnis von einem großen Verbrechen. Zwei Anschläge auf das Leben von Stefan Queck bestätigen, daß er auf der richtigen Spur ist - sie führt in die Zentrale einer Rauschgiftorganisation.
Das ist ein Kriminalroman um harte Männer, um die Produktion von Rauschgift und den Handel damit, um Prostituierte und Drogenabhängige, um Leben und Tod.

Mitteldeutscher Verlag Halle - Leipzig

Gunar Cirulis: Die mysteriöse Quittung


 Über Langeweile können sich Mexikanerjoe und seine Freunde in der kleinen Hafenstadt Ventspils nicht beklagen. Obwohl Frau Sandburg ein wachsames Auge auf die Jugendlichen geworfen hat, bleiben Streiche und kleine Schiebergeschäfte nicht aus. Um die Schlingel von der Straße zu locken, schießt die gutmütige Frau Geld für ein lang ersehntes japanisches Radio zu. Aber bald fällt das Wunderding zu Boden, und hinter japanischer Verkleidung entpuppt sich billiges Innenleben. Ganz und gar nicht japanisch! Der junge Kriminalist Jaunkaln tippt auf einen üblen Gangstertrick, und mysteriöse Quittungen im Radiogeschäft weisen auf „Serienproduktion“ des Schwindelapparates hin.

Verlag Neues Leben Berlin, Aufl., 1983
Spannend erzählt Nr. 184

Josef Kutik: Der Fluch der weißen Wüste


 Aus Notwehr und zur Verteidigung einer Freundin schlägt Anton bei einer abendlichen Auseinandersetzung im kanadischen Fort Chipewyan auf den skrupellosen und in der Umgegend sehr unbeliebten Pelzaufkäufer Frank O’Brian ein. Da die Anwesenden auf Totschlag tippen und man für Mord in Kanada gehängt wird, raten sie Anton zur Flucht, und mit einem Hundeschlitten macht sich der Siebzehnjährige Hals über Kopf auf in den unwegsamen Norden.

Verlag Neues Leben Berlin, 1. Auflage 1986
Spannend erzählt Nr. 203

Dmitri Charlamow: Das Vermächtnis des Weisen Aun


 Zufall führte Lan, Surr und Muna in die Hauptstadt der Vorväter, deren Ausgang nun verschlossen ist. Ratlos stehen sie im Dunkel, allein mit dem sterbenden Aun. Wie sollen sie sein Vermächtnis erfüllen, wie aus dem Labyrinth hinausfinden und ihrem Stamm Kunde bringen von der Mordtat des Schwarzen Raben, vom reinen Feuer und von den Erfahrungen des Häuptlings Tash? Die Rettung naht von unerwarteter Seite: Der junge Wolf, den Muna großzieht und ständig bei sich hat, kennt einen Weg aus der Höhle. Er wird zum Freund, hilft den Jugendlichen auch bei anderen Gefahren. Und sie drohten von vielen Seiten damals, in der Steinzeit.

Verlag Neues Leben Berlin 1982
Spannend erzählt Nr. 172
Ins Deutsche übertragen von Ruprecht Willnow
Illustrationen: Susanne Damm

20 März 2021

Günter Wallraff: Ganz unten

Günter Wallraff verwandelte sich für zwei Jahre in den Türken Ali Levent Sinirlioglu, wohnte im letzten Dreck in der Duisburger Dieselstraße, arbeitete als gehetzte, erniedrigte Hilfskraft in einer Filiale der Schnellimbiss-Kette McDonald’s, setzte als menschliches Versuchskaninchen der Pharma-Industrie seine Gesundheit aufs Spiel, wurde als schutz- und rechtloser Schwarzarbeiter auf einer Baustelle und in Marathon-Schichten als Leiharbeiter bei Thyssen verheizt.

Maskiert mit dunkel gefärbten Kontaktlinsen, schwarzem Haarteil sowie einem leicht gebrochen gesprochenen Kölnisch demaskierte er durch listig-provokantes Rollenspiel die Asozialität und Inhumanität in den Grauzonen des Arbeitsmarktes: „Ich weiß inzwischen immer noch nicht, wie ein Ausländer die täglichen Demütigungen, die Feindseligkeiten und den Hass verarbeitet. Aber ich weiß jetzt, was er zu ertragen hat und wie weit die Menschenverachtung in diesem Land gehen kann. Ein Stück Apartheid findet mitten unter uns statt -„. Durch den radikalen Einsatz der eigenen Person beeindruckte Wallraff Millionen von Lesern. Die Wahrheit, die er ganz unten fand, machte sein Buch zu dem Bestseller in der BRD!

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 2. Auflage, 1987
Fotos von Günter Zint.

 

Walter Püschel: Im Auftrag des Kalifen


 Man schreibt das Jahr 1887. Im Café „El Quahira“ in Kairo sitzt eine Gruppe von Offizieren beisammen: neuernannte ägyptische Bimbaschi und ihre englischen Ausbilder. Die Tänzerin Fatima gestaltet zum Klang von Trommel und Flöte eine geheimnisvolle Geschichte. Da tritt ein Neuankömmling an den Tisch, Leutnant Jephson, Mitglied der Stanley-Expedition, die sich gerade bereitmacht zum Einsatz Emin Paschas. Soliman Scharif horcht auf. Er muß erfahren, was Jephson weiß über die Route Stanleys und über diese neue Waffe, das Maxim-Geschütz, das dreihundertdreißig Schuß in der Minute abgeben kann. Soliman ist ägyptischer Offizier geworden im Auftrag des Kalifen, der jetzt das Reich des Mahdi, den Sudan regiert. Der Mahdi hat Emin Paschas Provinz Äquatoria von Ägypten abgeschnitten, und dabei muß es bleiben, wenn der Sudan seine Unabhängigkeit behaupten will.

Verlag Neues Leben Berlin, Aufl., 1985
Spannend erzählt Nr. 180

Eduard Klein: Der Indianer


 Chile 1860. In dem an der Indianergrenze gelegenen Fort Leuquen lebt der Indianer Juan Morales mit seinem Sohn Pedrillo und seiner Frau Antonia; er ist Stabssergeant der sonst ausschließlich weißen Fortbesatzung. Eines Tages verhaftet er zwei Waffenschmuggler, die bestätigen, was er schon von dem Moluchenhäuptling Wildes Pferd erfahren hat: Beim Stamme der Pehuenchen ist ein „weißer König“ aufgetaucht, der die Indianer im Auftrage der Franzosen in einen selbstmörderischen Krieg gegen die Chilenische Republik führen will. Juan Morales faßt einen verzweifelten Entschluß. Mit einigen als Pferdehändler verkleideten Soldaten reitet er zu den Pehuenchen, um den „weißen König“ gefangenzunehmen und dessen Waffenlager zu sprengen.


Verlag Neues Leben Berlin, 9. Auflage 1974
Spannend erzählt Nr. 29

Der furchtlose Schwimmer: Juri Jermolajew

 Siebzehn Erzählungen berichten humorvoll aus dem Alltag sowjetischer Kinder.
Da ist Wolodja. Er leidet an einer schrecklichen Krankheit: der Prahlsucht. Er macht bald die Erfahrung, daß, wie es in einem Sprichwort heißt, Lügen kurze Beine haben. (Wie Wolodja seine Autorität hob)
Shenja will unbedingt eine gute Tat vollbringen. Er beginnt in der Abwesenheit der Eltern, einen Stuhl zu reparieren. Durch seine Unüberlegtheit werden viel Gegenstände verdorben, und für die entstandenen Kosten hätte man mehrere neue Stühle kaufen können. (Der zerbrochene Stuhl)
Petja will seine Ferien allein verbringen. Doch welche betrüblichen Erfahrungen sammelt er, als er sich aus dem Kreis seiner Klassenkameraden ausschließt! (Petjas Ferien)




Inhaltsverzeichnis

Die Expedition
Die Fahrkarte
Vorsicht, frisch gestrichen!
Wie Wolodja seine Autorität hob
Sein Freund
Der furchtlose Schwimmer
Der zerbrochene Stuhl
Petjas Ferien
Doch noch geschafft!
Der Vorschlag
Der erfahrene Trainer
Unsere Aufführung
K.M.J.
Der Lampenschirm
Die kleine Rolle
Nur fünf Tage
Eine besondere Behandlung

Kinderbuchverlag Berlin
RBB - Robinsons billige Bücher Nr. 94
Illustrationen Harri Parschau

Schöne alte Fabeln: Der Fuchs und die Weintrauben


 Die Geschichte von dem Fuchs und den süßen Weintrauben, an die er nicht herankommen kann, ist wohl über 2000 Jahre alt. Fabeln dieser Art hören wir noch heute gern. Wir erfreuen uns an ihrem Witz und ihrer Weisheit, ihrer Schönheit und Kraft. Im Grund sind es verkleidete Menschen, die in ihnen handeln und sprechen, die fröhlich oder traurig, tapfer oder feige, ehrlich oder hinterhältig sind. So lehren diese köstlichen Stücke, uns selber besser zu kennen.

Altberliner Verlag
Reihe Bunte Kiste
Illustrationen von Christa Unzner-Fischer

Joachim Specht: In den Korallenriffen


 Tippet kennt das Land zu beiden Seiten des Katherinenflusses im Norden Australiens genau: die immer grünen Akazien- und Eukalyptuswälder, die roten Felsen und die breiten, schlammigen Flüsse. Doch er und seine Sippe dürfen große Teile des Dschungels nicht mehr betreten, man hat die Ureinwohner in Reservate gebracht, um ungestört Uranlager zu erschließen. Tippet kann sich an das stumpfsinnige Leben in der Reservation nicht gewöhnen. Eines Tages flieht er. Er glaubt, in der weitentlegenen Kulgagrotte, dem alten Kultplatz des Stammes, sicher zu sein und ahnt nicht, daß er sich gerade dort in Lebensgefahr begibt.

Joachim Specht erzählt in seinen abenteuerlichen Geschichten von Menschen, die sich mit der australischen Wirklichkeit auseinandersetzen müssen.

Verlag Neues Leben Berlin, 1987
Spannend erzählt Nr. 210

19 März 2021

Edeltraud Lautsch: Die Entdeckung

 Sie wohnen alle im selben Haus. Doch harmonisch ist ihr Zusammenleben nicht. Die Kinder Steffanie, Robert und Ralph unternehmen zwar vieles gemeinsam - aber was wissen sie schon voneinander? Der alte Herr Bradler, der kennt sich besser aus. Er sitzt am Fenster, beobachtet die Menschen, nimmt teil am Leben der Kinder. Er hilft und braucht doch selbst Hilfe. Die ewig mißtrauische Hauswirtin hingegen scheint niemanden um sich haben zu wollen.
Aber stimmt der Schein? Muß man nicht genauer hinsehen, um den anderen verstehen zu können? Das Mädchen Steffanie entdeckt auf diese Weise nicht nur Güte und Zuneigung, sie findet sich selbst und begreift: Nur so kann aus dem Nebeneinander ein Miteinander werden. Und das ist eine große Entdeckung.

Der Kinderbuchverlag Berlin

Günter Görlich: Der Fremde aus der Albertstraße


 

Ein kalter, trüber Wintertag. Schneebälle treffen einen jungen Mann. Er stürzt. Rainer, Ede, Mäcki und Schimmel freuen sich über ihre Volltreffer. Doch Rainer sieht durch das Fernglas, daß der Fremde eine Beinprothese trägt. Erschüttert läuft er ihm nach...

Auf der Suche nach dem fremden jungen Mann hat Rainer viele Erlebnisse, die ihm Gelegenheit geben, über sich und auch über das Verhalten der Kameraden nachzudenken.

Otto Raguse, den die Kinder liebevoll "Karl Marx" nennen, hilft dem Jungen, den Mut zur Wahrheit zu finden.

Kinderbuchverlag Berlin, 1966
ATB Buch Nr 71

Fritz Rudolf Fries: Der Fernsehkrieg


Zeisig, der jüdische Händler, ist, um der faschistischen Verfolgung zu entgehen, in die Maske des Vertreters Engelhardt geschlüpft. Diese Verwandlung in eine fremde Existenz kostet das Opfer absoluter Selbstverleugnung, die Aufgabe der eigenen Identität. So kann sich der falsche Engelhardt auch nach der Befreiung nicht mehr zu seiner früheren Existenz zurückfinden, in der Mitarbeit zum Aufbau einer neuen Ordnung findet er jetzt eine neue, gemäße Lebensform.

Wie in dieser ungewöhnlichen Geschichte vom "Bananenkönig" gelingt es dem Autor in elf Erzählungen einen Kreis zu ziehen, in den hinein historische Stoffe wie die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus ebensogut passen wie Beobachtungen der unmittelbaren Gegenwart. Im ungewöhnlichen Erlebnis werden markante Charakteristika und typische Erscheinungen entdeckt. Detailgetreue Schilderungen werden durch psychologische Einfühlungsgabe zu fesselnden literarischen Miniaturen verdichtet, in denen gesellschaftlicher Fortschritt transparent wird.

Hinstorff Verlag Rostock 1975


Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale 1969
Illustrationen: Nuria Quevedo

 

Émile Gaboriau: Der Fall Lerouge


 Zwei junge Männer: einer in Reichtum, der andere in Armut aufgewachsen. Wurden die beiden als Babies bewusst vertauscht? Vater Tabaret und Monsieur Lecoq versuchen, hinter das Geheimnis zu kommen und die beiden jungen Männer vor unüberlegten Handlungen zu bewahren. Doch da stirbt eine alte Frau: Mutter des einen und ehemalige Amme des anderen. Wurde sie ermordet?

Verlag Das Neue Berlin,; 1. Auflage. (1. Januar 1973)

Jean-Paul Sartre: Der Ekel (Roman), Die Wand (fünf Erzählungen)

"Der Ekel", das Tagebuch des Antoine Roquentin, ist der Roman der absoluten Einsamkeit. Es geht darin um nichts als um die geistigen Folgen der Einsamkeit. Sie werden mit einer Schärfe des Denkens und des Ausdrucks analysiert, die den meisten Lesern sicher unerträglich erscheinen wird.

Es steht außer Zweifel, dass wir in der Person Sartres einen philosophischen Romancier erster Ordnung besitzen: Es ist bekannt, dass seit Voltaire der philosophische Roman in Frankreich eine leichte Gattung ist, die der Fabel ziemlich nahe steht: Sartres Literatur hat keinerlei Beziehung zu dieser nichtigen Gattung, sie gibt vielmehr eine recht gute Vorstellung davon, was eine Literatur sein könnte, die an eine Existenzphilosophie gebunden ist. Man hätte übrigens unrecht, allzu schnell wie man es sicher tun wird, Sartre und Martin Heidegger in Zusammenhang zu bringen. Bei dem deutschen Philosophen ist das Objekt der Angst das Nichts, bei Sartre die Existenz: das Gesetz des vollständig einsamen Menschen ist nicht die Furcht vor dem Nichts, sondern die Furcht vor der Existenz. Diese Entdeckung hat weitreichende Konsequenzen.

Wenn der erste Roman Jean-Paul Sartres ein Roman ohne Ausweg wäre, ich will sagen, ein Roman, der nicht mehr in einer Welt der Lösungen mündet als die Hauptwerke Dostojewskis, so wäre er vielleicht ein einzigartiger Erfolg, aber ohne Zukunft. Durch seine letzten Seiten aber ist "Der Ekel" kein Buch ohne Ausweg. Jean-Paul Sartre, der in seinem ganzen Buch das Bild einer großen bürgerlichen Stadt zeichnet, in der, scheint mir, Le Havre wiederzuerkennen ist, mit einem wilden Humor und einem heftigen Sinn für die Gesellschaftliche Karikatur, besitzt die genauen und grausamen Fähigkeiten des Romanciers zu ausgeprägt, um sich nicht auf die großen Anklagen einzulassen, um sich nicht vollständig der Realität zu öffnen. (Paul Nizan, 1938)

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1982, 1. Auflage

 

Gunter Preuss: Feen sterben nicht


 Ja, in dem Augenblick, als Cora sagte: "Reiner ist mein Freund", habe ich es mir zugegeben, daß der Junge mir etwas bedeutet. Ich habe mir gesagt: Du willst ihn haben. Als deinen Freund. Und du wirst ihn bekommen. Wie du es auch anstellen mußt.
Das ist wie eine Kampfansage gewesen. An alle Welt. Noch nie habe ich jemand den Kampf angesagt. Ich hatte nicht kämpfen müssen. Ich hatte bekommen, was ich wollte. Du, Scheherezade, hast es mir geschenkt. Aber in letzter Zeit ist es mit Deinen Geschenken vorbei. Du läßt mir nichts mehr zufliegen. Wer Perlen sucht, muß tauchen ins Meer... Heißt das: Kämpfe für das, was du haben willst? Du hast auch gekämpft, Scheherezade. Mit Klugheit und List. Mit Deiner Güte. Aber vor allem mit Deiner Liebe.

Der Kinderbuchverlag Berlin

18 März 2021

Anthologie: Der Diamantenmacher

 



Tweel heißt der vernunftbegabte Vogel Strauß, dem Dick Jarvis inmitten der ausgedehnten Marswüsten begegnet. Zusammen mit ihm lernt er merkwürdiges Silizium-Leben kennen, bekämpft die mörderische Traumbestie und flieht vor lebendigen Fässern über eine Wiese, deren Grashalme ihm eilig aus dem Weg krabbeln. Doch noch seltsamere Erlebnisse warten auf den Leser dieser Anthologie. Zwölf bekannte Schriftsteller erzählen vom Abenteuer Zukunft, von der Verantwortung eines Mannes, der die Rotation der Erde aufzuheben vermag, von Hoity-Toity, dem Elefanten mit dem Menschenhirn, und von der schweren Entscheidung eines Raumschiffkommandanten, der eine neue Mannschaft auswählt. Begegnungen im All, Schwierigkeiten mit Robotern und bahnbrechende Erfindungen sind nur einige Themen, die von solch namhaften Autoren der Wissenschaftlichen Phantastik wie Jules Verne, H. G. Wells, Alexander Beljajew, Stanislaw Lem, Iwan Jefremow und Carlos Rasch aufgegriffen wurden. Auch weniger Bekanntes wird neu entdeckt: Erzählungen von Kurd Laßwitz und Stanley G. Weinbaum. 

Verlag Neues Leben

Winfried Trillitzsch: Der deutsche Renaissancehumanismus


 

"O Jahrhundert! O Wissenschaft! Es ist eine Lust zu leben, wenn man auch nicht ausruhen darf, Willibald. Die Studien blühen auf, die Geister regen sich. He du, Barbarei, nimm einen Strick und erwarte deine Verbannung" - so schreibt Ulrich von Hutten am 25. Oktober 1518 aus Augsburg an Willibald Pirckheimer. Neben diesem berühmten Brief bietet der vorliegende Band zahlreiche weitere Zeugnisse humanistischen Denkens aus der Zeit von 1350 bis 1560 in neuer, überwiegend sogar in erster deutscher Übersetzung und gewährt einen Überblick über diese bedeutende, mit der frühbürgerlichen Revolution verbundene geistige Bewegung in Deutschland. So verschiedenartig die Äußerungen sind - es handelt sich um Briefe, Gespräche, Gedichte, Schauspiele, Schwänke, biographische, geographische, historiographische Beschreibungen, Reden und Abhandlungen -, ein so unterschiedliches Welt- und Menschenbild tritt hervor, das insgesamt einer realistischen Wirklichkeitserfassung, freier Willensentscheidung, sozialem Gerechtigkeitsempfinden, nationalem Selbstgefühl sowie aufklärerischem Umgang mit Kunst und Wissenschaft Bahn bricht und sich entschieden gegen jegliches Dunkelmännertum wendet.

Reclams Universal-Bibliothek Nr. 900, 1. Auflage 1981
Belletristik

Jonas Lie: Der Dreimaster "Zukunft"


 Der Dreimaster "Zukunft" gerät in einen Novembersturm, der Hauptmast bricht, durch ein Leck dringt Wasser ins Schiff, und die Mannschaft geht in die Boote, doch Rettung findet sie nicht in ihnen. Nun treibt das Wrack vor Finnmarkens Küste, und bald wird es vom Meer verschlungen werden. Spurlos aber versinkt ein Dreimaster nicht: Gerüchte weisen auf den Buchhalter Thor Stuwitz, der heimlich Wechsel von dem herrenlosen Schiff stiehlt und damit seinen Brotgeber, den Handelsmann Heggelund, ruiniert; Isak von der Insel Lövöe, der Stuwitz zum Wrack begleitet, gerät in eine schwierige Situation, weil er das Kind der erfrorenen Kapitänsfrau mit nach Hause nimmt - er muß das Kind verstecken, denn niemand darf erfahren, daß er in den Wrackraub verwickelt ist. Tobias Sturm schließlich verliert durch das Unglück Vermögen und Familie und stellt nun Nachforschungen an... Und das Wrack wird noch Jahre danach Unruhe in diese einsame nördliche Gegend bringen.

Verlag Neues Leben Berlin 1979
Kompaß-Bücherei Band 252

Horst Hille: Postkarte genügt


 . . . ein Mensch schaut in seinen Briefkasten. Er findet drei Postkarten. Die erste wird sofort zerrissen, denn sie entpuppt sich als Werbedrucksache. Die nächste Karte stammt von einer Behörde, die dringlich einen Besuch erbittet. Dort vorgelegt, wird sie mit ziemlicher Sicherheit im Papierkorb verschwinden. Die dritte ist ein Lebenszeichen von Tante Vera, die sich im Gebirge erholt. Sieben Zeilen banalen Textes - doch ein schönes Bild und die bunte Briefmarke retten die Ansichtskarte zunächst vor der Vernichtung. In den Händen der Enkel dürfte sie alsbald »zerspielt« sein .

Das traurige Los dieser Karten stimmt uns bedenklich, und wir möchten Sie herzlich bitten, nicht so zu verfahren. Denn wie interessant und sammelnswert unsere Post- und Ansichtskarten sein können, wird Ihnen der Verfasser des Buches, ein bekannter Philatelist, Postfachmann und Fachschriftsteller, sogleich vorführen. Anhand verschiedenartig gestalteter und verwendeter Postkarten zeigt er, welche vielfältigen Arten wir kennen und nutzen, wie es zur Einführung der Postkarte - damals Correspondenzkarte - kam, wie die Ansichtskarte ihren Siegeszug antrat, welchen unterschiedlichen postamtlichen Zwecken dieses schlichte Kartonblatt dienen kann; außerdem vermittelt er Ihnen wertvolle Hinweise für Ihre vielleicht schon existierende Sammlung.

Urania Verlag Leipzig-Jena-Berlin, 1. Auflage 1988

Sigmar Schollak: Der Davidsbündler


 In dem Büchlein geht es um Clara Wieck und Robert Schumann. Und man erfährt hier, dass es auch zu ihren Zeiten schon Künstler gab, die gegen den Mainstream ankämpften. Schumann beklagte sehr, dass man bei Konzerten immer nur die leichten Musiken vorführte, aber das Gute, das fürs Ohr vielleicht nicht so gefällig und leicht daherkam, einfach ignorierte.

Und so trafen sich im Lokal "Coffee-Baum" in Leipzig die Davidsbündler, junge Musiker, die den Kampf gegen die leichte Salonmusik aufnahmen.

Schumann gründete die "Neue Leipziger Zeitschrift für Musik". Weil das Arbeiten an dieser all seine Zeit in Anspruch nahm, gerieten seine eigenen Kompositionen ins Hintertreffen.

Der Kinderbuchverlag Berlin 1976
Illustrationen: Werner Ruhner
Robinsons billige Bücher 168

Josef Vaclav Sladek: Reime und Bilder für die Kleinen


 
Verse von Josef Vaclav Sladek und Alte Deutsche Kinderreime

Illustrationen von Vaclav Karel

Kinderbuchverlag 1956




17 März 2021

Franz Fabian: Im Lande des Marabu

Jedermann kennt das klassische Werk „Brehms Tierleben", aber so gut wie unbekannt geblieben ist das abenteuerliche Leben seines Verfassers, des weltberühmten deutschen Naturforschers Alfred Edmund Brehm, der kein Stubenhocker war.

Das vorliegende Buch schildert die ersten beiden gefahrvollen und strapazenreichen Reisen Brehms durch Ägypten und den Sudan bis in die Urwälder des Blauen Nils, die er in den Jahren 1847 bis 1852, Jahrzehnte vor Livingstone, Nachtigal, Emin Pascha, Stanley und anderen, unternahm.

Vor dem Auge des jungen Lesers erschließt sich das so geheimnisvolle Innere Afrikas mit seinen weiten Steppen und unermeßlichen Urwäldern, das Afrika von damals, in dem es in gleicher Weise gefährlich war, einem Löwen oder einem Sklavenhändler zu begegnen. Ein spannendes Buch über den jungen Alfred Edmund Brehm, das tatsächlichen Begebenheiten entspricht.

 Alfred Holz Verlag Berlin, verm. 3. Aufl., 1965

Lieselotte Rümpler; Hannelore Flegel: Geschichten aus dem Butzemannhaus

 


Ein Beschäftigungsbuch für Kinder von 5 Jahren an



Verlag Rudolf Forkel Pössneck, 2. Aufl., 1970
Illustrationen: Erika Klein
Beschäftigungsteil: Erika Klein und Heinz-Karl Bogdanski

ohne Autor*in: Ein Mord zur rechten Zeit - Kriminalerzählungen

Sie scheint unendlich zu sein, die Faszination, die Kriminalliteratur immer wieder auf die Leser ausübt, genauso unendlich wie die Fähigkeit ihrer Autoren, unentwegt neue Fälle in allen Bereichen des Lebens aufzuspüren. In den vorliegenden sieben Beispielen aus dem letzten Dutzend Jahren werden Bereiche der Wirklichkeit ausgeleuchtet, wie sie heutzutage in der Welt des Kapitalismus durchaus nicht untypisch sind: der Drang, möglichst schnell zum großen Geld zu kommen, sei es durch simplen Schwindel, Entführung oder Mord; das Leben in jener »Grauzone« der Gesellschaft, die man auch die Drogenszene nennt; die trotz sehr angeschmutzter Weste reputierliche Existenz in Kreisen der Manager und Bosse. Die Handschriften der -ky (Ernst Bosetzky, geb. 1938, wirkt als Hochschullehrer in Westberlin), Hansjörg Martin (geb. 1920, bisher acht Kriminalromane und drei Bände Erzählungen, auch Verfasser von Kinder- und Jugendbüchern, Hör- und Fernsehspielen, lebt in Wedel/Holstein), Irene Roc/rian (geb. 1937, ehemalige Werbeberaterin, Trägerin des Edgar-Wallace-Preises 1967, auch erfolgreich mit Kinderliteratur und Fernsehfilmen, heute in München ansässig) und Friedhelm Werremeier (geb. 1930, auf Gerichtsreportage und Probleme der Kriminalität spezialisierter Journalist und Schriftsteller, Drehbuchautor, wohnhaft in Bad Bevensen), sind sehr verschieden, erinnern an Raymond Chandler, Patricia Highsmith oder Sjöwall/Wahlöö, gemeinsam aber ist diesen Autoren der wache, kritische Blick auf die vielgestaltige soziale Szenerie. Sie rechnen zwischen Kiel und München, Aachen und Braunschweig zu den gewichtigsten Vertretern des so umfangreichen Genres Kriminalliteratur.


Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1983
Spektrum Nr. 180

Magda Szabó: Eszter und Angela

Magda Szabò wendet sich in ihren Romanen vor allem zwei Themen zu: sie greift unzeitgemäße Lebensformen in der Familie oder anderen sozialen Strukturen auf, beschreibt das sinnentleerte Dasein kleinstädtischer Intellektueller, und sie dringt in verborgene Bereiche des Individuums vor. Bis hinein in die geheimsten Regungen schildert sie seelische Vorgänge besonders bei vereinsamten Frauen, seziert ihre Leiden und Leidenschaften. Für die Darstellung dieser Gefühlswelt wählt die Autorin eine subtile sprachliche Gestalt: sie nutzt die Möglichkeiten des inneren Monologs, von unmittelbar Erlebtem und Erinnertem dem Leser nachvollziehbar zu machen. Magda Szabós Sprachkunst steht hier neben der eines Joyce oder einer Virginia Woolf.

In "Eszter und Angela" diesem ungewöhnlich erfolgreichen, mittlerweile in neunzehn Sprachen übersetzten Roman, befragt Eszter, die berühmte Schauspielerin, ihre Vergangenheit, forscht nach den Ursachen, die ihr privates Glück versagten. Rückhaltlos offenbart sie sich dem einzigen Menschen, der ihr etwas bedeutet, dem geistvollen Literaten und Shakespearekenner Lörinc, dem Ehemann ihrer Jugendfreundin Angela. Indes vermag Eszters Erkenntnis "Ich habe dich geliebt ... nur zeigen konnte ich es nie" nichts mehr zu bewirken: Lörinc ist das Opfer eines Autounfalls geworden. Ihre Lebensbeichte ist nur noch stumme Zwiesprache mit dem Geliebten, an seinem Grab. Zu spät rührt sie an die Wurzeln jenes Gefühls, daß sich als Haß gegen die insgeheim beneidete Angela in ihr staute und das es ihr verwehrte, in der Liebe Erlösung zu finden.

Magda Szabó, 1917 in Debrecen geboren, studierte an der dortigen Universität, promovierte über "Römische Schönheitspflege", danach als Mittelschullehrerin tätig; veröffentlichte 1947 Gedichte, trat ab 1957 mit gesellschaftskritischen sowie psychologischen Romanen an die Öffentlichkeit, verfaßte populäre Kinder- und Jugendbücher, historische Dramen, literarische Essays und übersetzte Shakespeare und Galsworthy ins Ungarische. Für ihr literarisches Schaffen erhielt sie den Attila-József-Preis.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1985
bb-Reihe Nr. 552

Rolf Krohn: Das Labyrinth von Kalliste

Es ist im elften Sommer der Regierung des Großkönigs Helian, in dem Jahr, das man sehr viel später 1501 v. u. Z. nennt. Vor dem Markt in Sarweti auf der kretischen Insel Kalliste drängen sich die Käufer. Plötzlich sind Schreie zu hören. Der Bronzeschmied Kaswan ist in seiner Werkstatt ermordet worden. Marktwächter Samenu wird beauftragt, den Fall zu untersuchen, doch von dem Täter fehlt jede Spur. Als Samenu in das Intrigenspiel zwischen Händlern, Kriegern und Priestern gerät, möchte er die Suche nach dem Mörder einstellen. Doch da geschieht etwas, was ihn zwingt, die Rätsel unbedingt zu lösen, wenn er sich selbst und die Sklavin Briseis, die er liebt, nicht gefährden will. Im Labyrinth des Palastes und in den geheimen Gängen der Tempelstadt bahnen sich indessen Dinge an, die die Untersuchung voranbringen, aber auch noch schwieriger werden lassen.

Verlag Neues Leben, Berlin, 2. Auflage 1985
Spannend erzählt, Band 178

 

ohne Autor*in: Das Schildbürgerbuch von 1598

Vor rund dreißig Jahren legte der Hinstorff Verlag das Schildbürgerbuch schon einmal vor. Die Herausgeberin, geboren in Schildau, war noch unbewandert in der Literaturlandschaft. Für den Illustrator Fritz Koch-Gotha indes, längst profiliert als Humorist, Satiriker, Karikaturist, wurde, das kauzige Völkchen ins Bild zu setzen, die letzte illustratorische Arbeit.

Als der Verlag die Neuausgabe ins Auge faßte, waren just diese Blätter in Koch-Gothas Nachlaß unauffindbar. Schon in der Koch-Gotha-Gedenkausstellung, die der Ahrenshooper Kunstkaten mit Unterstützung Barbara Klünders, der Tochter Koch-Gothas, anläßlich seines hundertsten Geburtstages veranstaltete, fehlten die Schildischen Schalksnarren. Große Umfrage wurde gehalten, langwierig und breitgefächert. Aus der Narrenkappe schien eine Tarnkappe geworden.

Der Sommertag, an dem sie uns endlich wieder zuzwinkerten, bleibt allen Beteiligten unvergessen. In einer Mappe wohlverwahrt hatten sie geschlummert, unter dem gleichen Dach in Althagen auf Fischland, wo der Meister sie vor einem halben Menschenalter zu Papier gebracht. Es kam uns wie ein Schelmenstück vor, durchaus angemessen, worum es geht: wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte Dinge auszubreiten. Und da in dem Schultheiß zu Schilda eine Porträtähnlichkeit mit dem vormaligen Hinstorff-Verleger Peter E. Erichson nicht zu verkennen ist und Fritz Koch-Gotha einige der possenreißenden Ehrwürdigen Räte eigene Züge mitgegeben hat, so saßen die beiden mit am Tische bei der Arbeit an dieser Neuausgabe, ungealtert, einer neuen Generation Lesern zugeneigt.

VEB Hinstorff Verlag Rostock, 1. Auflage 1985

 

16 März 2021

Diderot/Lessing: Das Theater des Herrn Diderot

Dieses Theater des Herrn DIDEROT … bestehet aus zwei Stücken, die er als Beispiele einer neuen Gattung ausgearbeitet, und mit seinen Gedanken sowohl über diese neue Gattung, als über andere wichtige Punkte der dramatischen Poesie, und aller ihr untergeordneten Künste, … begleitet hat.

Kenner werden in jenen weder Genie noch Geschmack vermissen; und in diesen überall den denkenden Kopf spüren, der die alten Wege weiter bahnet, und neue Pfade durch unbekannte Gegenden zeichnet. Ich möchte wohl sagen, daß sich, nach dem Aristoteles, kein philosophischerer Geist mit dem Theater abgegeben hat, als er…

Es wird also darauf ankommen, ob der Mann, dem nicht angelegener ist, als das Genie in seine alte Rechte wieder einzusetzen, aus welchen es die mißverstandene Kunst verdränget, bei uns mehr Gehör findet, als er bei seinen Landsleuten hat.

Wenigstens muß es geschehen, wenn auch wir einst zu den gesitteten Völkern gehören wollen, deren jedes seine Bühne hatte.

Und ich will nicht bergen, daß ich mich einzig in solcher Hoffnung der Übersetzung dieses Werks unterzogen habe.

(Lessing, Vorrede zur ersten Ausgabe 1760)


Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1981
Reclams Universal-Bibliothek Band 895, 1. Auflage 1981
Kunstwissenschaften

 

André Gide: Die Falschmünzer


„Die Falschmünzer“ sind ein sublimes sprühendes Gedankenspiel. So gesehen bedeuten sie einen Gipfel heutiger Kunst. Diese Perspektive drängt sich jedenfalls zwingend auf. Aber auch sie wird nicht allen Aspekten des rätselvollen Buches gerecht. Denn es enthält Elemente ganz anderer Art: die Tragik des Menschentums; Gefahr, Abenteuerlust und Sehnsucht der Jugend; die Tränen der Kreatur neben dem Lächeln der Ironie. - Ernst-Robert Curtius

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1987
Mit einem Nachwort von Brigitte Sändig
TdW – Taschenbibliothek der Weltliteratur