Vergebens bemüht sich Jennys Bruder, ein tüchtiger Arzt, um Fräulein Horn und sinnlos ist der Tod des Grafen Walter, der in einem Duell fällt. Ihm hätte Jenny gleichgestellte Partnerin sein können, nachdem sich ein ständiges Zusammenleben mit Reinhard, der ihre Persönlichkeit nicht zu schätzen wußte, für sie als unerträglich erwies. Sie vermochte nicht der "Efeu" zu sein, der sich um die "Eiche" rankt.
Nationale Überheblichkeit, Kastengeist und Vorurteil zerstörten das Glück des einzelnen - das in Zukunft zu verhindern, ist der Autorin eindringliches Anliegen.
Fanny Lewald (1811-1889) stammt aus einer angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie, trat 1828 zum Christentum über und nannte später diesen Schritt die einzige Lüge ihres Lebens. In ihrem Salon in Berlin verkehrten bekannte Persönlichkeiten: Liszt, Alexander von Humboldt, Spielhagen, Gottfried Keller, Fröbel, Fürst Pückler-Muskau, Ferdinand Lassalle, Franz Duncker, Marie von Ebner-Eschenbach.
Bewußt setzte sich Fanny Lewald mit den Fragen ihrer Zeit auseinander. Wie in dem 1842 erschienenen Roman "Jenny", so befaßte sie sich in ihrem Gesamtwerk (sie schreib u. a. "Clementine", "Wandlungen", "Die Familie Darner", "Benvenuto") immer wieder mit den beiden Problemkreisen, die sie persönlich sehr stark betrafen: Befreiung der Frau aus sozialer Mißachtung und Gleichberechtigung des Judentums. In ihrer Zeitkritik erreicht sie das Niveau liberaler Vormärz-Opposition, und "Jenny" wird mit Recht als der erste "engagierte Frauenroman" bezeichnet.
Buchverlag Der Morgen, 1. Auflage 1967