12 September 2020

Alfred Antkowiak: El Dorado - Die Suche nach dem Goldland

 


Wie häufig sind auch hier die Legenden älter als die realen Erfahrungen: Christoph Kolumbus glaubte am 10. Oktober 1492 den insularen Vorposten eines schier unermeßlich reichen Landes betreten zu haben. In seiner Namensgebung Westindien verband sich die Bestätigung der geographischen Hypothese von der Kugelgestalt der Erde mit der Überzeugung, endlich jenen Weltteil gefunden zu haben, dessen Märchenkunde seit Marco Polos Zeiten in den europäischen Hirnen spukte. Der Grund für diese Faszination war so einfach wie folgenreich. In die Morgendämmerung des Kapitalismus spielte der Glanz des Goldes hinein, und es war eben Kolumbus, der fand, Gold sei "ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr von allem, was er wünscht. Durch Gold kann man sogar Seelen in das Paradies gelangen lassen." Gerüchte von perlenübersäten Strangen und von Städten aus purem Gold im Innern der Inseln und vom Goldkönig El Dorado erhitzten dann auch die Gemüter von großen und kleinen Abenteurern. Die großen, wie die spanischen Könige und das berühmte Augsburger Bankhaus der Welser, blieben in Europa, gaben das Geld und hofften auf vielfachen Gewinn, die kleineren und kleinen zogen in die neuentdeckten oder noch zu entdeckenden Länder und betrieben dort einen grausamen Kolonialismus. Manchmal war die Ausbeute ungeheuer, wie bei Cortéz in Mexiko und Pizarro in Peru, meistens aber zerrieben sich die beutehungrigen Expeditionen auf ihren endlos langen Märschen in das Innere Südamerikas oder während ihrer abenteuerlichen Fahrten auf dem Flußmeer des Amazonas. Freilich wäre dies alles nur ein kleines Kapitel in der Geschichte menschlicher Abenteuer, wenn damals, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, nicht die Unterdrückung eines ganzen Erdteils begonnen hätte, deren Folgen bis in unsere Tage reichen. Die Konquistadoren, die alle unter der Schirmherrschaft der allerchristlichsten spanischen Krone und des alleinseligmachenden Glaubens standen, exportierten, auch dies auf skrupelloseste Weise, die Ausbeutungsmechanismen gerade der Gesellschaftsformation, die in Europa immer ohnmächtiger wurde, nicht zuletzt als Folge der kolonialen Expansionen: der Feudalismus. Auch hier war die Absicht klar: Wenn der Reichtum nicht einfach aufgesammelt werden konnte, so sollte er wenigstens durch die Ausbeutung der Urbevölkerung gewonnen werden.

Alfred Antkowiak hat diese brutale und folgenreiche Periode der Weltgeschichte exemplarisch behandelt. In seiner Darstellung der Eroberungszüge, die vom heutigen Venezuela, der mit schwerem Gold gekauften Welserprovinz, ausgingen oder auf den Wassern des Amazonas nach der sagenhaften Goldstadt Manoa zu gelangen trachteten, wird der Widersinn eines fanatisierten Kolonialismus sichtbar. Der Leser wird in packenden Erzählhandlungen mit den Kämpfen der Eroberer gegen die Urbevölkerung und der Konquistadoren untereinander konfrontiert. In acht "Ortsbesichtigungen" werden die Einzelstücke in die Historischen Zusammenhänge gestellt, wodurch der Leser zugleich Einblick in wesentliche Vorgänge in jener Geschichtsepoche erhält, die zum ersten Mal Weltgeschichte war, Geschichte der Unterwerfung der Welt unter den europäischen Feudalismus und Frühkapitalismus. Alfred Antkowiaks Sachbuch " El Dorado - Die Suche nach dem Goldland" ist eine lebendige Geschichtsdarstellung, auch durch die Beifügung zahlreicher zeitgenössischer Bilder und Karten.

Verlag Volk und Welt Berlin

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