03 Juni 2023

Waldtraut Lewin: Herr Lucius und sein schwarzer Schwan

Zwei junge Männer versuchen eine Freundschaft fortzuführen, die sie einst als Schüler und Lehrer verband. Der eine, Lucius, trägt einen angesehenen römischen Namen, ist Erbe eines stattlichen Vermögens sowie zahlreicher Sklaven und hat eine verführerische Braut aus vornehmem Geschlecht. Der andere, Auletes, ist Sklave aus Alexandria, wurde als „Schwarzer Schwan“ von Lucius' Vater sexuell mißbraucht, dann weiterverkauft. Er begreift, daß die Zeit am Vorabend des Spartacus-Aufstandes die Utopie der Harmonie zwischen Herr und Knecht zerstört. Flavilla, die kleine Germanin, verhilft ihm zu dieser Erkenntnis.

Die Autorin
Waldtraut Lewin, Jahrgang 1937, arbeitete als Dramaturg und Regisseur; jetzt freischaffende Schriftstellerin in Potsdam. Übersetzte zahlreiche Händel-Opern; 1970 Händel-Preis. Veröffentlichungen: „Die Ärztin von Lakros“ (Roman, 1977); „Katakomben und Erdbeeren – Notizen einer italienischen Reise“ (1977); „Die stillen Römer“ (Roman, 1979); das Märchen „Der Sohn des Adlers, des Müllmanns und der häßlichsten Frau der Welt“ (1981); mehrere Erzählungen, Hörspiele und das Libretto der Rock-Oper „Rosa Laub“. 1978 Lion-Feuchtwanger-Preis.

Verlagstext
In diesem ersten Buch der Römer-Tetralogie bleibt Waldtraut Lewin am engsten an der Realität. Beklemmend intensiv beschreibt sie die Stimmung der Sklaven Roms kurz vor und während des Spartakusaufstandes. Der schwarze Schwan – das ist Auletes, gebildet und erfahren, der ehemalige Lehrer des Herrn Lucius. Auletes, der Flötenspieler, von dem alle wissen daß er schon als Kind vom alten Herrn zum Sexsklaven ausgebildet wurde und daß er diesen Namen nicht bekommen hat, weil er ein Musikinstrument beherrschen würde. Aus der Gosse zurückgeholt in die Familia des Herrn Lucius wird er schnell zur anerkannten Autorität unter den Sklaven.
Und da ist diese kleine Germanin, regelmäßig kahl geschoren wegen ihres schönen blonden Haares und sonst zu nichts zu gebrauchen. Zwischen den beiden keimt eine starke Liebe auf und es berührt den Leser tief, wie die Autorin all die Fallstricke beschreibt, die große Hoffnung, die Verzweiflung, den Kampf bis zum Schluß - den nicht alle überleben werden.
Was Waldtraut Lewin da erzählt, ist zum einen ein genaues Abbild der zunehmend verkommenden römischen Gesellschaft, zum anderen aber auch eine wundervolle Liebesgeschichte zweier Menschen, die hart um ihr Glück kämpfen.
Alle Protagonisten sind gestochen scharf gezeichnet, niemand dient als Lückenfüller, jeder hat seine Funktion. Wichtige Szenen sind so eindringlich erzählt, daß sie auch Jahre später noch im Gedächtnis bleiben. Ein wunderbares Buch, eines der herausragend guten, von denen diese Autorin neben weniger guten ein paar geschrieben hat.

Buchanfang
1. Teil
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Einholung eines Schwarzen Schwans
Diese Torheit, einmal angefangen, muß wohl auch zu Ende geführt werden – oder weitergeführt, wenn schon nicht zu Ende.
Wie die Leute hier in den Gassen seine große Sänfte anstarren, Sänfte mit Trägern und Vorläufern und Troddeln aus Purpurwolle. Bemerkungen fallen. Lucius will sie nicht hören, er schließt die Vorhänge. Damit es denn zu Ende geführt wird, hier, in den sonnenlosen, nach Fäulnis stinkenden Gassen der Subura.
Man hätte ja auch jemanden anders schicken können. Man muß ja nicht selbst aufbrechen hierher in diese Unterwelt der Stadt Rom. Aber nun ist es einmal im Gange.
Allein das Gesicht dieses Bücherverkäufers, als er die von Feuchtigkeit verwüsteten Zeilen der kostspieligen Epikur-Kopie sah, die er, der Verleger, ihm, dem angesehenen Herrn Lucius, angeblich in diesem Zustand verkauft hatte – das Gesicht allein sollte einen vernünftigen erwachsenen Menschen zur Aufgabe dieses Vorhabens zwingen. 

Verlag Neues Leben Berlin
NL podium

1. Auflage 1973
2. Auflage 1975
3. Auflage 1976
4. Auflage 1979
5. Auflage 1981
6. Auflage 1985
7. Auflage 1988

Buchclub 65 - Berecht. Ausg.1975

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