25 November 2022

Karl-Georg Hirsch, Gerhard Kruschel: Es war ein König in Thule - Die schönsten deutschen Balladen der klassischen Zeit

Der allgemeine Aufschwung der Literatur am Ende des 18. Jahrhunderts brachte auch die Wiederbelebung und Erneuerung einer bis dahin fast vergessenen Dichtungsart: der Ballade. An die in mündlicher Überlieferung im Volke lebendig gebliebenen liedhaft-balladesken Formen anknüpfend, schuf Gottfried August Bürger mit seiner "Lenore" 1773 das erste Beispiel einer Kunstballade im Volkston. Als Dichter des Sturm und Dranges sah er in den alten Stoffen keine bloßen "Histörchen ohne allen Endzweck", sondern eine Möglichkeit, dem Denken und Fühlen des Volkes dichterisch Ausdruck zu geben.

Fast zur gleichen Zeit spürte Goethe auf seinen Wanderungen durch das Elsaß - angeregt durch Herders Entdeckung der "Poesie als Welt- und Völkergabe" - dem Leben und Wesen der von "ältesten Mütterchens aufgehaschten" Lieder nach. Erfüllt von dem Klang dieser Lyrik des Volkes, gelang ihm eine Balladenart, in der sich das lyrisch-"volksmäßige" mit einem verdichteten Symbolgehalt zu gesteigerter Aussagekraft verbindet.

Einen neuen glanzvollen Höhepunkt brachte der dichterische Wetteifer Goethes und Schillers im sogenannten Balladenjahr 1797. Die im "Musenalmanach" des folgenden Jahres veröffentlichten Balladen gehören mit ihrem Handlungs- und Gedankenreichtum zu den unvergänglichsten klassischen Schöpfungen.

Bis ins hohe Alter hinein hat Goethe sich mit der Ballade als Kunstform beschäftigt. Dem letzten Gedicht dieser Art gab er den exemplarischen Titel "Ballade" und schrieb in seiner Erläuterung dazu: "Übrigens ließe sich an einer Auswahl solcher Gedichte die ganze Poetik gar wohl vortragen, weil hier die Elemente noch nicht getrennt, sondern wie in einem lebendigen Ur-Ei zusammen sind, das nur bebrütet werden darf, um als herrlichstes Phänomen auf Goldflügeln in die Lüfte zu steigen."

Aufbau-Verlag Berlin 1971
bb Nr. 230

 

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