Egon Erwin Kisch wußte wie kein anderer drollige Geschichten zum besten zu geben, und je mehr Leute ihm dabei zuhörten, desto besser erzählte er. Der Reporter Kisch berichtet im landläufigen journalistischen Sinne nur selten. Nicht wenige seiner Reportagen haben den Charakter von Erzählungen. Auch die alltäglichste Begebenheit gewinnt in seiner Darstellung eine abenteuerliche Spannung, auch die älteste Überlieferung bekommt ein neues Gesicht. Kisch begann als Verfasser humoristischer Skizzen, und in manchem seiner Bücher - von den "Prager Kindern" (1913) über den "Prager Pitaval" (1931) und die "Geschichten aus sieben Ghettos" (1934) bis hin zum "Marktplatz der Sensationen" (1942) - verfolgt uns der Erzähler auf Schritt und Tritt. Mit seinem Sinn für komische Situationen spürt er überall ein Witzwort oder eine vergnügliche Story auf. Je mehr der Schriftsteller Egon Erwin Kisch den ehemaligen Lokalreporter der deutschsprachigen Zeitung "Bohemia" vergessen macht, je weiter er in den Jahren der Emigration von zu Hause fortgetrieben wird, um so leuchtender werden die Bilder, um so ausschweifender werden die Geschichten aus der Prager Jugend.
"Ich habe Prag nie verlassen", bekennt Kisch im mexikanischen Exil, "so intensiv auch ich mich davon entfernte, so intensiv auch ich in allen fünf Weltteilen lebte." Prag und Böhmen sind ein unversiegbarer Quell für heitere Histörchen und groteske Situationen. Kisch hat sie zu einem Roman ausgeweitet, zu kleinen Komödien geformt, zu Glanzstücken seiner Erinnerung aufpoliert - am Anfang aber steht immer eine kurze, gut pointierte Geschichte. Unzählige Geschichten und Anekdoten, die in seinem Werk aufbewahrt liegen, bestätigen die Bemerkung Alfred Döblins: Egon Erwin Kisch sei mit dem Öl des wirklichen Erzählers gesalbt.
Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1. Auflage 1985
Einbandgestaltung: Ingolf Neumann / Günter Woinke
Ausgewählt von Fritz Hofmann
bb Nr. 555
Bücher und Schriftsteller, die in der DDR gelesen wurden. Schaut bitte nicht nur danach, ob hier jeden Tag Beiträge auflaufen, nutzt diesen Blog auch wie ein Lexikon. Er ist ein Langzeitprojekt, da ist es sicherlich verständlich, wenn zwischendurch immer mal wieder pausiert wird. Sei es, um nicht die Lust daran zu verlieren, aber auch, weil die Beiträge auch regelmäßig vorbereitet werden müssen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Stöbern und Erinnern oder neu entdecken.
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