27 September 2020

Ottokar Domma: „Der brave Schüler Ottokar; Ottokar, das Früchtchen; Ottokar, der Weltverbesserer


 Nachwort:

Damit ist erst einmal mein Roman beendet. Eigentlich wollte ich ja das ganze Schuljahr beschreiben, aber mir reicht’s. Dafür gibt es sowieso keine Zensur, weil im Lehrplan solche Aufgaben nicht vorgesehen sind.

Ich kann mir aber schon denken, wie es weitergeht, vielleicht so: Unsere Pioniergruppe wird Sieger im Dichterwettstreit und bei anderen Aktionen, der Herr Burschelmann bekommt als bester Pionierleiter 2,- Mark Prämie, der Herr Brettl ein Lob vom Kreis, der Herr Luschmil einen Ferienplatz, die Frau Seidenschnur für vorbildliche Taschenordnung einen Kompass, Frau Pitthuhn endlich ein Sprachkabinett, wo man die Lautstärke verringern kann, und das Fräulein Heidenröslein erhält sogar den Titel Oberlehrerin. Das Fräulein Bella Kohl lässt den Reschisser sausen, weil sie jemand mit einem Fiat kennengelernt hat, der Herr Kurz kommt in eine Schnupfenheilanstalt, der Pilei Alfons nach seinem Lehrgang gleich zur FDJ-Kreisleitung, der Herr Sportlehrer Stramm muss zu einer Reservistenübung und unser Herr Direktor Keiler eine pädagogische Lesung schreiben mit dem Thema: „Die Rolle der Bedeutung der Erziehung zur Selbständigkeit und Mitverantwortung der Pioniere und FDJ-ler unter besonderer Berücksichtigung der Selbsterziehung bei der Schaffung von Disziplin und Ordnung.“ Mal sehen, was dabei rauskommt. Die Patenbrigade besucht uns nicht bloß zu den Pionierwahlen und anderen Festtagen. Mein Vater qualifiziert sich zum Meister und Bataillonskommandeur, meine Mutter zur Elternbeiratsvorsitzenden, mein Freund Harald zum Freundschaftsratsvorsitzenden und als Mensch zum geheimen Liebesbriefschreiber. Die Jule Bock hat Aussicht, einmal meine beste Freundin zu werden, und wenn die Bärbel Patzig so weitermacht, hat sie auch keine schlechten Changsen bei mir. Alle werden sich schöner entwickeln, bloß Old Schätterhänd kriegt noch ein paar Denkzettel ab, und zwar vom Weltverbesserer Ottokar.

Eulenspiegel-Verlag, Berlin, 6. Auflage, 1985 (1. Auflage 1978)
Illustrationen von Karl Schrader.


Liebe Leser!

Es stimmt, dass man erst richtig erwachsen sein muss, um ein Buch schreiben zu können, sagen wir über das Leben der Kinder zu Hause, in der Schule, in der Pioniergruppe und anderswo. Denn ein Erwachsener ist älter, klüger, weiß alles besser und sieht uns überhaupt anders, als wir sind. Und man muss zugeben, dass sich die meisten Dichter anstrengen, uns so zu sehen, wie sie uns gern sehen wollen. Auch denken sie in uns mehr hinein, als wir selber denken. Das nennt man künstlerische Freiheit. Trotzdem dachte ich mir, man kann ja einmal versuchen, ein Buch zu schreiben, wir werden ja sehen, was dabei herauskommt. Und so entstand dieser Roman in 23 Kapiteln. Das soll erst einmal ein großer Dichter nachmachen.

Es ist natürlich kein richtiger Roman, wo sich mehrere lieben und verkrachen und dann wieder zusammenkommen oder umgekehrt. Auch ist es kein spannendes Abenteuer mit Helden und so was, und bei mir stirbt auch niemand. Aber es kann sein, dass unser Herr Burschelmann sagt, so einen Quatsch kann man gar nicht lesen, und man weiß nicht, was der Zimt soll, und überhaupt ist der Stil unmöglich. Deshalb werde ich mich hüten, etwas dagegen zu sagen. Wer aber trotzdem anfängt, diesen komischen Roman zu lesen, der begibt sich in eigene Gefahr. Darum muss man beim Weiterlesen immer an das Sprichwort denken: Es sind noch keine Meister vom Himmel gefallen, sondern sie waren erst ganz normale Schüler und Knaben wie ich,

Euer

Ottokar Domma

Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1. Auflage, 1973
Illustrationen von Karl Schrader.


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