19 Oktober 2020

Michail Scholochow: Der stille Don (Band 1-4)


 Der Stille Don schildert das Leben in einem Donkosakendorf in einer Phase des historischen Umbruchs. Die Handlung setzt 1912 ein und erstreckt sich über den Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Bürgerkriegs 1920. Im Mittelpunkt steht der junge Kosake Grigori Melechow – seine Jugend, seine unglückliche Ehe mit Natalja und seine große, tragisch endende Liebe zu Axinja, der Frau seines Dorfnachbarn Stepan Astachow, die in den Revolutionswirren ums Leben kommt. Als Kavallerist in einem Kosakenregiment nimmt Grigori am Weltkrieg teil; im Bruderkrieg der Donkosaken (so der Titel des dritten Teils), der nach der Revolution ausbricht, wechselt er, getrieben von seinem Streben nach Wahrheit, Gerechtigkeit und privatem Glück, mehrfach die Seiten, kämpft mal gegen die Rote Armee und mal in ihren Reihen, immer aber für die Sache des Kosakentums. Nach dem endgültigen Sieg der Bolschewiki muss er untertauchen und kehrt schließlich in sein Heimatdorf zurück, wo von seiner Familie einzig sein kleiner Sohn Mischatka am Leben geblieben ist. Die Welt der Donkosaken ist untergegangen und Grigori ein Gescheiterter, der die historische Notwenigkeit der Revolution nicht zu begreifen vermag. Über Grigori Melechows Lebensgeschichte hinaus liefert der Roman ein Panorama der Revolutionswirren am Don, das durch historische Genauigkeit besticht, und schildert zugleich detailfreudig die Sitten und Traditionen der Donkosaken – von der kosakischen Selbstverwaltung über Kleidung, Essen und Festtagsbräuche bis hin zu alltäglichen Verrichtungen wie Netzfischen im Don, Landarbeit und dem Umgang mit Pferden.

Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1966
aus dem Russischen übersetzt von Olga Halpern-Gabor

Teil 1


Serafimowitsch

„Zwei, drei Jahre lang lebte er unscheinbar, ein kaum bemerkter kleiner Punkt am literarischen Himmel. Und auch der Scharfsichtigste hätte nicht voraussagen können, wie leicht er sich plötzlich entfalten würde. Es stimmt nicht, daß seine Gestalten erfunden und bis ins Detail ausgemalt sind – sie sind nicht papieren. Er formte sie, eine bunt schillernde Masse: Jede Gestalt hat ihre besondere Nase, ihre Runzeln, ihre Augen mit Krähenfüßen in den Augenwinkeln, ihre Sprache; auf ihre Weise geht jede Figur, bewegt sie den Kopf; auf ihre Weise lacht jede Gestalt, haßt sie. Und anders bei jeder Person schillert die Liebe, erglüht und enttäuscht sie.

Und die Fähigkeit, jede Figur mit besonderen Zügen auszustatten, einer Figur ein einmaliges Gesicht zu geben, einen einmaligen Charakter zu gestalten diese außerordentliche Fähigkeit bewirkte Scholochows Aufstieg, und von da an bemerkte man ihn.“


Charles Snow

Er bereichert das Leben

Von allen russischen Schriftstellern seit Tschechow hat er die größte Popularität im Westen erlangt. In meinem Land und in Amerika wird er weitaus mehr gelesen als irgendeiner seiner jüngeren Zeitgenossen. In unseren Tagen können Sie billige Massenausgaben seiner Bücher in jeder Londoner Buchhandlung sehen. Ich bin überzeugt, und auch viele meiner Freunde denken so, daß der „Stille Don“ der beste Roman ist, der in den letzten 40 Jahren erschienen ist.

Buchanfang

Nicht mit Pflügen
ist unser Mütterchen Erde gepflügt,
Unser Mütterchen Erde
ist mit den Hufen gepflügt.
Mit Kosakenköpfen
ist unser Mütterchen Erde besät.
Unser Väterchen Don
ist mit jungen Witwen geschmückt.
Unser Väterchen Don
ist mit Waisenkindern bekränzt.
Und die Tränen der Mütter
füllen das Väterchen Don.
Ach du, mein Väterchen, stiller Don.
Ach, warum, stiller Don,
fließt du so trübe dahin?
Ach, warum soll, stiller Don ich,
nicht fließen trübe dahin?
Von meinem Grund
springen Quellen so kalt.
Ach, meine Flut trübt der weiße,
der hungrige Fisch.

Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 4. Aufl., 1968
Mit einem Nachwort von Alfred Kurella
Der deutschen Fassung des ersten Buches liegt eine Übersetzung von Olga Halpern-Gabor zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde.
Die Nachdichtung der Verse besorgte Heinz Kahlau.
Schutzumschlag: Nuria Quevedo


Teil 2


Konstantin Fedin

Das gewaltige Verdienst Michail Scholochows liegt in der Kühnheit, die seinen Werken eigen ist. Nie ist er den Widersprüchen des Lebens ausgewichen, ganz gleich, welche Epoche er schildert. Seine Bücher zeigen den Kampf der Vergangenheit und der Gegenwart in all seiner Vielfalt. Unwillkürlich fällt mir Lew Tolstois Schwur ein, den er schon in seiner Jugend vor sich selber abgelegt hat, den Schwur, nicht offen zu lügen und auch nicht indirekt durch Verschweigen. Scholochow verschweigt nichts, er schreibt die ganze Wahrheit. Aus der Tragödie macht er kein Drama, aus dem Drama keine Unterhaltungslektüre. Tragische Situationen verpackt er nicht in tröstende Feldblumensträuße. Doch die Kraft der Wahrheit bewirkt, daß die Bitterkeit des Lebens, wie furchtbar sie auch sei, verdrängt und überwunden wird von dem Willen zum Glück, von dem Streben, es zu erlangen, und von der Freude am errungenen Glück. Ich denke, das ist wirklich so, denn nicht umsonst haben wir uns den Begriff "optimistische Tragödie" zu eigen gemacht, wohlwissend, daß das kein leeres Wortspiel ist. Und wenn wir das Gefühl des Tragischen dieser oder jener Tatsache, die der Künstler gestaltet hat, tief in uns aufnehmen, schließen wir das Buch voller Verständnis für die Welt.


Willi Bredel

"Scholochows Hauptheld... ist von allen seinen Romangestalten die problematischste: Grigori, der Sohn des Großbauern Melechow. Voll Edelmut und Niedertracht, Tiefen und Untiefen in seiner Seele, aber ein Mensch, der die Wahrheit sucht, ehrlich sucht, jedoch aus seinen persönlichen Irrungen und Wirrungen keinen Ausweg findet, der, leicht beeinflußbar, sich haltlos hin und her treiben läßt... Scholochow verschönert oder vergröbert nichts an Grigori; er zeigt ihn in seinen Schwankungen, seiner Haltlosigkeit, zeigt ihn als liebevollen Familienvater und als hinmetzelnde Tigernatur..."

Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 4. Auflage 1968
Der deutschen Fassung des zweiten Buches liegt eine Übersetzung von Olga Halpern-Gabor zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde.
Die Nachdichtung der Verse besorgte Heinz Kahlau.
Schutzumschlag: Nuria Quevedo


Teil 3


Alexej Tolstoi

"Michail Scholochow ist eine außergewöhnliche Erscheinung in unserer Literatur. Er begann seine literarische Laufbahn, als er sein Thema gefunden hatte: Die Geburt einer neuen Gesellschaft, den Schmerz und die Tragik des sozialen Kampfes. Im ,Stillen Don' entwarf er ein episches, farbenprächtiges Gemälde vom Leben der Donkosaken, das vom Erdgeruch durchdrungen ist. Seine Aufrichtigkeit und Menschlichkeit, seine Sprache und Plastizität der Darstellung machen den ,Stillen Don' zu einem ausgesprochen russischen, nationalen Kunstwerk."

Anatoli Lunatscharski

Scholochows Roman "Der stille Don" ist von ungewöhnlicher Kraft, was das Epische der Bilder, die Kenntnis des Lebens und der Menschen und die Bitterkeit seiner Fabel betrifft. Er erinnert an das Beste, was es je in der russischen Literatur gegeben hat ... Das Buch ist voller Spannung und bildet einen wertvollen Beitrag zur Literatur.

Otto Gotsche

"Bei Scholochow gibt es keine Konfliktlosigkeit oder gar eine billige optimistische Schlußlösung; Konflikte in der Brust des Menschen, die sein Inneres zerreißen, die ihn zu Handlungen treiben, in denen er siegt oder zugrunde geht, der klaffende Konflikt des Kampfes des Neuen gegen das zerbrechende Alte - vor unsere Augen hält Scholochow den Spiegel, in dem wir uns alle selbst erkennen."

Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 4. Auflage 1968
Schutzumschlag: Nuria Quevedo
Der deutschen Fassung des ersten Buches liegt eine Übersetzung von Olga Halpern-Gabor zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde.
Die Nachdichtung der Verse besorgte Heinz Kahlau.
Mit einem Nachwort von Alfred Kurella


4. Teil


Willi Bredel

",Der stille Don' ist ein Epos unserer Tage, das bestehen bleiben und noch sprechen wird von der großen Revolution im Osten, wenn aus den blutigen Wirren unseres Jahrhunderts längst eine erneuerte Menschheit hervorgegangen ist. Geburten sind immer eine schmerzhafte und blutige Angelegenheit, um wieviel mehr erst Geburten ganzer Völker. Und die Neugeburt des russischen Volkes von 1918 bis 1920, das ist das Thema Scholochows in seinem Epos ,Der stille Don'."

Erwin Strittmatter

"Er beschönigt nicht. Er läßt erkennen, daß wir um so schneller menschlicher leben werden, als wir das Tierische, wie zum Beispiel das Töten der Widersacher, der Unbelehrbaren und Verständnislosen hinter uns gebracht haben. Und er läßt uns wissen, daß das Töten von Widersachern für den einzelnen etwas Furchtbares, für das Volk aber eine Wohltat sein kann.

Er bauscht die kleinen Ereignisse nicht auf und erkennt die wirklichen Drehpunkte der Geschichte. Er läßt aus Ereignistropfen mitreißende Impuls-Ströme entstehen.

Er ist der Aufrufer von forschenden Fragen. Beim Lesen seines ,Stillen Don' stehen dem Leser Hunderte Warums auf. Seine Leser atmen nicht befriedigt auf, wenn sie den vierten Band aus der Hand legen. Sie beginnen zu fragen, zu forschen: ,Warum mußte Grigori...?' Sie beginnen die bezüglichen Stellen in den Bänden wieder aufzusuchen und finden rückblätternd die Antwort auf ihre Fragen. - Das macht seine Bücher zu Nachschlage-, zu Lehrbüchern, ohne daß er lehrt."

Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 4. Auflage 1968
Schutzumschlag: Nuria Quevedo
Der deutschen Fassung des vierten Buches liegt eine Übersetzung von Emanuel Margolis und Regina Czora zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde.
Die Nachdichtung der Verse besorgte Heinz Kahlau.

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