26 November 2020

Herbert Gute: Partisanen ohne Gewehre


 Aus dem Inhalt:

Ich bin um den Leerzug herumgegangen und will zwischen den Puffern des Munitionszuges, den wir am Morgen beladen haben, hindurchkriechen. Ich bin schon zwischen den Puffern, da stutze ich: Auf der anderen Seite steht jemand. Ich sehe zwei Beine, die in Holzschuhen stecken. Ich krieche hervor. Es ist ein Kriegsgefangener. Aber was macht er ? Er fährt zusammen, erstarrt, das linke Knie an die Schmierbuchse des Radsatzes gedrückt. Jetzt zieht sich sein Körper langsam zusammen, um jeden Augenblick wie eine Feder auf mich zuzuschnellen. Seine Augen scheinen mich zu durchbohren. Was will er? Ah! Die Schmierklappe. Sand. Hat er die Achsen ..? Zur brüderlichen Geste will ich die Arme heben, doch er ballt die Hände, wilde Entschlossenheit im Blick. Auf Sabotage steht der Tod! Du traust mir nicht? Ohne ihn aus den Augen zu lassen, gehe ich langsam einige Schritte seitwärts, bis ich in der Kniekehle die Schmierklappe des nächsten Waggons fühle. Schnell bücke ich mich, nehme eine Prise Sand, Schmierklappe 'runter, 'rein mit dem Sand, Klappe zu. Erlöst lachen wir uns an. Doch plötzlich läßt uns der gleiche Gedanke zusammenfahren. Wir werfen die Köpfe herum, und unsere Blicke tasten die Umgebung ab. Niemand zu sehen. Er lacht heiser und sieht mich etwas verlegen an. Dabei pendeln die Klappen seiner Tschapka von rechts nach links und wieder zurück. Seine Wattejacke ist aufgeschlitzt. Mit einem Ruck streckt er mir die Hand entgegen. So halten wir uns fest und sehen uns in die Augen. Die freie Hand tippt an meine Brust. „Du ponimajesch?" - „Da! Da!" Eindringlich erklärt er etwas, glaubt, ich könne ihn verstehen. „Nje ponimaju russki." Enttäuscht hält er mitten im Satz inne. Dann lächelt er listig. Und was mit Worten nicht gelang, mit Gesten geht es. Wir werden in Zukunft gemeinsam tun, was er allein begonnen hat. Einer wird sichern und der andere Sand streuen. Pufferklirren klingt herüber. Ich muß zurück zur Kolonne...

Militärverlag der DDR, Berlin (1974)
1. Auflage; 389 Seiten

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