03 Januar 2021

Rolf Hochhuth: Eine Liebe in Deutschland


 Daß Rolf Hochhuth, der Autor spektakulärer Dramen, 1978 einen Roman veröffentlichte, war eine Überraschung. Würde diese Form, so war zu fragen, seinem literarischen Anliegen, geschichtliche Vorgänge neu aufzuarbeiten und brennend aktuell zu machen, gerecht werden können? Die erste Antwort kam, ehe das Buch erschienen war: Auf Grund eines Zeitungsvorabdrucks verklagte der Ministerpräsident eines bundesdeutschen Landes den Autor Hochhuth wegen Ehrbeleidigung. Hochhuth gewann den Prozeß, und der Kläger, Filbinger, mußte seinen Hut nehmen.
War der Roman also nur eine andere Form politischer Einmischung, die Hochhuth so oft vorgehalten oder deretwegen er so oft gepriesen worden ist? Beides - Tadel oder Lob - war stehts ein Fehlurteil: Hochhuth geht es um die historische Wahrheit. Davon ist auch sein Roman "Eine Liebe in Deutschland" durchdrungen. Mitten in die Kriegsereignisse des Jahres 1940 ist die Liebesnovelle zwischen der deutschen Frau Pauline Kropp und dem polnischen Zwangsarbeiter Stasiek Zasada hineingestellt. Liebe ist eine Form des Widerstands, sagt Rolf Hochhuth, und in diesem Sinne wird die Verbindung der beiden nicht nur zu einer durch Tod und KZ bedrohten Tragödie, sondern zugleich der Versuch zweier Menschen, sich in der Liebe und durch die Liebe zu behaupten, und sei es für einen einzigen, kleinen Augenblick ihres Lebens. Die Größe und Leidenschaftlichkeit der Beziehung zwischen Pauline und Stasiek wächst durch die Gefährdung und die kurze Frist, die ihr gegeben ist, inmitten einer Umwelt, die von Neid und Haß, von Verrat und Denunziation beherrscht wird.
Betroffen zeigt Rolf Hochhuth, ausgehend von einem authentischen Fall, wie sehr die Verhaltensweisen der Bewohner des süddeutschen Dorfes Brombach von faschistischen Denk- und Rechtsnormen durchdrungen sind. Im Alltag findet ein erbarmungsloser Kampf jedes gegen jeden statt. Die faschistische Rassengesetzgebung ist selbstverständliche Praxis.
Freilich bleibt der Autor nicht bei dem Widerstand zweier Liebender stehen. Seine Hoffnung gründet sich zugleich auf die militärische Entwicklung des Jahres 1940, als erstmals ein ganzes Volk, die Engländer, der faschistischen Aggression standhalten konnte. Neben die Liebesnovelle hat Hochhuth eine essayistische Ebene gestellt und in ihr die sogenannte Schlacht um England behandelt. Zwar wird, wie meist bei Hochhuth, einer Person, nämlich Winston Churchill, zugeschrieben, was die Leistung eines ganzen Volkes war, aber entscheidend ist, daß Hochhuth aus der Liebe zweier unbekannter Menschen wie aus seiner Geschichtsanalyse den Hoffnungsfunken schlägt, daß ein unmenschliches Herrschaftssystem wie der Faschismus auch schon auf dem scheinbaren Höhepunkt seiner Macht zum Untergang verurteilt ist.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1980
Schutzumschlag: Rolf Jubisch unter Verwendung eines Aquarells von Wilhelm Schott

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wichtiger Hinweis

Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.

Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.