23 Februar 2021

Ehm Welk: Die Gerechten von Kummerow

 Zwar ist dieses Buch ein in sich geschlossenes Werk, aber der Leser begegnet den bekannten Figuren aus den „Heiden von Kummerow“ wieder: dem naiv-klugen Martin, dem jungen Dorfplebejer Johannes, dem gütig-weisheitsvollen Kontor, dem tumultuarischen Nachtwächter. Und auch die Art des Erzählens von Ehm Welk hat sich nicht verändert: die feinsinnige Schilderung kindlicher Psyche, der schalkhafte Humor, eine zuweilen derbe Komik, kurz: der unverwechselbare „Kummerow“-Stil.

Seltsame Anschauungen vertritt Kummerows heidnischer Dorfphilosoph Gottlieb Grambauer. Er meint: Wer für die Armen stiehlt, tut nichts Böses! Damit entschuldigt er die kleinen Betrügereien des unersättlichen Armenhausjungen Johannes Bärensprung. Pastor Breithaupt und Junker Runkelfritz, die trotz anmaßenden Auftretens zu Einflusslosigkeit verurteilt sind, mögen es ahnen, dass religiöse und gesellschaftliche Ketzerei, Heidentum und Gerechtigkeit zusammengehören.

Und weiterhin hütet Kummerows Dorfjugend das Prinzip der Gerechtigkeit. Wenn auch beide, die Pastorstochter Ulrike und der Nachwächterenkel Johannes, auf das ihnen von elterlicher Seite eingeschärfte Privileg pochen, bei den Kindern wiegen Intelligenz und Mut schwerer als Besitz und Herkommen. Auch die Luftbüchse des jungen Grafen und die vornehmen Hosenträger des würdigen Gymnasiasten vermögen die Aussichten des Kleinbauernsohnes Martin Grambauer bei Ulrike nicht ernsthaft zu gefährden.

Seitdem die Kummerower Jungen für ihr Vorgehen gegen einen protzigen Pferdeschinder öffentlich belobigt wurden, seitdem sie den Sektenprediger Rodewald der Heuchelei und Brandstiftung überführt haben, steigen sie im Ansehen der Gemeinde und führen stolz den Beinamen die „Gerechten von Kummerow“. Allzu verständlich nur, dass Martin, der die höhere Schule in der Kreisstadt besuchen soll, und Johannes, dem ein Unterkommen als Hütejunge im Nachbardorf zugewiesen wird, die Stätte ihres Ruhmes, das Paradies heidnischer Gerechtigkeit, nicht verlassen wollen.

Auch in diesem Buch spiegelt sich mehr als das Schicksal von Dorfkindern. Zum Erkennen setzt der Dichter nur eins voraus: ein junges Herz.

VEB Hinstorff-Verlag, Rostock, 14. Auflage, 1973



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