21 März 2021

Günter Wallraff: Neue Reportagen, Untersuchungen und Lehrbeispiele

Günter Wallraff gehört zu den gewiss nicht zahlreichen Schriftstellern der BRD, denen es gelingt, die von Bertolt Brecht bezeichneten „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ zu überwinden. Er hat den Mut, „die Wahrheit zu schreiben, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird; die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird; die Kunst, sie handhabbar zu machen als Waffe; das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird; die List, sie unter diesen zu verbreiten“, Wallraffs Reportagen vereinen die Unmittelbarkeit des Erlebten und der Recherchen mit sachlicher, fast kühler Darstellung. Jeder Bericht ist eine Anklageschrift.

Der Autor verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen politischer und ökonomischer Macht, lässt den Einfluss des Großkapitals auf Verwaltung, Justiz, Massenmedien erkennen und weist auf die Militarisierung des gesamten Lebens der BRD hin. Da, wo Situation und Verhältnisse in einem Betrieb geschildert werden, konfrontiert Wallraff das äußere Bild des Unternehmens mit der sozialen Wirklichkeit. Erschreckendes, für uns Unbegreifliches tritt zutage. So erinnert die Reportage „Unternehmerfreiheit oder die ‚uferlosen Entgelterhöhungen in Heimarbeit'“ an Zustände des vorigen Jahrhunderts, wir fühlen uns in das Milieu von Gerhart Hauptmanns „Weber“ versetzt.

Doch es genügt Günter Wallraff nicht zu berichten, zu beschreiben. Literatur ist für ihn mit Wirkung verbunden: „Ich bin der Meinung, dass sich die zu leistende Arbeit mehr und mehr von der reinen Bestandsaufnahme zu der gleichzeitig vollzogenen Aktion und Veränderung hinentwickeln muss…“ Wallraffs Berichte und Beschreibungen haben mehr als einmal Aktionen und Veränderungen ausgelöst.

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1. Auflage, 1974

 

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