19 März 2021

Jean-Paul Sartre: Der Ekel (Roman), Die Wand (fünf Erzählungen)

"Der Ekel", das Tagebuch des Antoine Roquentin, ist der Roman der absoluten Einsamkeit. Es geht darin um nichts als um die geistigen Folgen der Einsamkeit. Sie werden mit einer Schärfe des Denkens und des Ausdrucks analysiert, die den meisten Lesern sicher unerträglich erscheinen wird.

Es steht außer Zweifel, dass wir in der Person Sartres einen philosophischen Romancier erster Ordnung besitzen: Es ist bekannt, dass seit Voltaire der philosophische Roman in Frankreich eine leichte Gattung ist, die der Fabel ziemlich nahe steht: Sartres Literatur hat keinerlei Beziehung zu dieser nichtigen Gattung, sie gibt vielmehr eine recht gute Vorstellung davon, was eine Literatur sein könnte, die an eine Existenzphilosophie gebunden ist. Man hätte übrigens unrecht, allzu schnell wie man es sicher tun wird, Sartre und Martin Heidegger in Zusammenhang zu bringen. Bei dem deutschen Philosophen ist das Objekt der Angst das Nichts, bei Sartre die Existenz: das Gesetz des vollständig einsamen Menschen ist nicht die Furcht vor dem Nichts, sondern die Furcht vor der Existenz. Diese Entdeckung hat weitreichende Konsequenzen.

Wenn der erste Roman Jean-Paul Sartres ein Roman ohne Ausweg wäre, ich will sagen, ein Roman, der nicht mehr in einer Welt der Lösungen mündet als die Hauptwerke Dostojewskis, so wäre er vielleicht ein einzigartiger Erfolg, aber ohne Zukunft. Durch seine letzten Seiten aber ist "Der Ekel" kein Buch ohne Ausweg. Jean-Paul Sartre, der in seinem ganzen Buch das Bild einer großen bürgerlichen Stadt zeichnet, in der, scheint mir, Le Havre wiederzuerkennen ist, mit einem wilden Humor und einem heftigen Sinn für die Gesellschaftliche Karikatur, besitzt die genauen und grausamen Fähigkeiten des Romanciers zu ausgeprägt, um sich nicht auf die großen Anklagen einzulassen, um sich nicht vollständig der Realität zu öffnen. (Paul Nizan, 1938)

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1982, 1. Auflage

 

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