28 April 2021

ohne Autor*in: Von Spaßvögeln, Witzbolden und Schelmen


 Von Spaßvögeln wird hier erzählt, von Witzbolden und von Schelmen, von Narren, falschen Gespenstern und aufschneidenden Abenteurern – Geschichten aus neun Jahrhunderten und vielen Ländern. Dem Baron Münchhausen begegnen wir genauso wie Eulenspiegel und Hodscha Nasreddin, wir gehen mit Heinrich Böll ins Konzert oder mit Anton Tschechow ins Theater und lachen (oder ärgern uns?) über die Mißlichkeiten, die dort geschehen, wir amüsieren uns köstlich über die deftigen Erzählungen Boccaccios oder Balzacs, freuen uns, wenn Hebel den Zoll an der Nase herumführt, sind voller Schadenfreude über des Kaisers neue Kleider, von denen Andersen berichtet, schmunzeln über den Berliner Witz Glaßbrenners, werden aber auch nachdenklich gestimmt durch Scholem Alejchem. Nach spätestens der dritten Geschichte haben wir uns festgelesen, und wir werden kaum aufhören wollen, bevor wir nicht alle 56 Autoren dieses Bandes kennengelernt haben.


Einführung

Über ein halbes Hundert Geschichten versammelt dieser Band: Heiteres, Komisches, verschieden in der Sicht auf Leute, Alte und Junge, Damen und Herren, Gerade und Krumme, Ernste und Heitere. Sie sind verschieden aus der Zeit ihres Entstehens her gesehen, unterschiedlich in der Bewertung des Komischen.

Ebenso könnte man auch sagen, daß in vielen dieser Geschichten Trauer und Tragik beieinander stehen, denn eines spiegeln die Geschichten ganz gewiß: Leben, in dem Komisches und Heiteres oft so dicht neben Trauer und Tragik stehen.

Humor weicht dem Ernst des Lebens nicht aus. Er hilft, darin nicht zu vertrocknen und dennoch manch Weisheit anzunehmen. Er hilft, freier zu atmen. Humor ist eben eine besondere Art, sich die Welt zu erschließen, sie zu erleben, in Besitz zu nehmen.

In dieser Sammlung ist die Rede vom betrogenen Bürger, vom Sieg der Weiberlist über dumpfe Eifersucht; Schwankhaftes kommt aus vergangenen Jahrhunderten; Aufschneider und Lügner zeigen das Feuerwerk ihrer Phantasie – wenngleich nicht immer zu ihrem eigenen Nutzen; Deftiges verbreiten die Scholaren, und detektivisch geht es auf Elefantenjagden zu. Es fehlt nicht an Verwechslungen oder dem Ungeschick, mit einfachen Dingen einfach umzugehen. Hohlköpfe, Hochstapler, Hochmütige werden nicht verschont – denn im Eigentlichen geht es um das Gute im Menschen, das Wahre im Leben, das Schöne in dieser Welt. Kunst, die zum Komischen greift, meint und sieht das pralle Leben. Verbergen sich dahinter noch Geist, Verstand, Talent eines Dichters, darf hohes Vergnügen weitab von billiger Unterhaltung erwartet werden. Klangvolle Namen aus der Weltliteratur bringt diese Sammlung. Von vielen wußte man bislang so genau noch nicht, wie sehr sich auch ein Humorist damit verbindet.

Mancher Text mag deshalb unerwartet hier stehen, denn Humor und Lachen sind für jeden Menschen ein ander Ding. Wenn einer mit der Tücke des Objekts, und sei es die unbezwingliche Aufgabe, einen Nagel in die Wand zu schlagen, nicht fertig wird, kann das den einen Leser heiter stimmen, es kann aber auch Mitleid erwecken oder Verachtung provozieren. Das hängt von uns selbst ab; und so wird jede Geschichte in ihrer Wirkung auf uns verschieden sein. Das Ungemach, die Fehler der Hilflosen werden nicht vom Spott getroffen, allenfalls von einem aus Mitleid und Verständnis geborenen Lachen. Spott gilt besonderen Erscheinungen und Gestalten. Er zielt auf Überlebtes, Spießiges, auf Verlogenheit und Unmoral. Hier setzt die Gnadenlosigkeit der Satire, die scharfe Kraft des Witzes ein, die Zerstörung durch Ironie, um der Menschlichkeit willen, den Menschen zuliebe.

Ich kann mich nicht erinnern, Chaplin je lachen gesehen zu haben. Ein Satz von ihm lautet: „Ich glaube an die Kraft des Lachens und des Weinens als Gegengift gegen Haß und Terror.“

Großer und gesunder Humor hat tiefen Ernst als Wurzel.

Rudolf Chowanetz


Verlag Neues Leben Berlin 1983
Schutzumschlag und Illustrationen: Christa Unzner
Mit einer Einführung herausgegeben von Rudolf Chowanetz

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