Buchbeginn
Eines Tages kam mir Aglika schon an der Tür entgegen; sie stellte sich auf die Zehenspitzen – aber auch jetzt reichte sie nicht bis an mein Ohr – und bat mich, ich sollte mich zu ihr hinabbeugen. Dann blickte sie sich nach allen Seiten um und flüsterte geheimnisvoll: „Ich sag´s nur dir! Komm mal sehen, was ich gemalt habe!“
Aha, Aglika war also wieder in meinem Atelier gewesen und hatte sich natürlich über meinen Farbkasten hergemacht… Sie faßte mich bei der Hand, öffnete die Tür und blieb glückstrahlend stehen: „Sieh mal! Ist der nicht schön – der Unbekannte Held aus dem Märchen?“
Ich seufzte tief. Aglika hatte meine noch nicht vollendete Zeichnung übermalt. Ihr Werk sollte einen Menschen darstellen, aber es war ein höchst sonderbares Gebilde – seine Arme waren lang, länger als der Körper, seine Beine nur zwei dünne Striche, und seine Augen – seinen Augen erschienen so groß wie die Scheinwerfer eines Autos! In der einen Hand hielt er einen Stock. „Das ist das Schwert des Unbekannten Helden!“ sagte Aglika stolz, als ob sie meine Gedanken erraten hätte.
Ich brause leicht auf, gerate manchmal über die geringsten Kleinigkeiten in Zorn, doch diesmal wurde ich seltsamerweise nicht böse. Ich setzte mich hin und bemühte mich zu lächeln… doch es gelang mir nicht. Ich schüttelte nur betrübt den Kopf…
Illustrationen von Ivan Kirkov
Aus dem Bulgarischen übersetzt von Erika Moskova
Sofia-Press 1974
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