19 Juli 2021

James Fenimore Cooper: Lederstrumpferzählungen

In dem ersten Band – Der Wildtöter – begegnen uns zum ersten Male die beiden Hauptfiguren des Gesamtwerkes, nämlich der weiße Jäger Nathaniel Bumppo und der Mohikanerhäuptling Chingachgook, der von den Europäern die Große Schlange genannt wird. Als junge abenteuerlustige Menschen ziehen sie durch eine wilde unberührte Landschaft zum Otsego-See, den wir auch im vorletzten Band – „Die Ansiedler am Susquehanna“ – wiederfinden. Dort, in unmittelbarer Nähe des Otsego-Sees, hat James Fenimore Cooper (1789 bis 1851) den größten Teil seiner Jugend verbracht. Schon sehr früh erwachte in ihm die Liebe zu dem tapferen und edlen Volk der Indianer, mit dem er hier in nahe Berührung kam. Im „Wildtöter“ wird der Otsego-See Glimmerspiegel genannt.

Im zweiten Band – Der letzte Mohikaner – lernen wir Unkas, den Sohn der Großen Schlange, kennen. In seiner natürlichen Anmut und Unerschrockenheit wird der Sohn des Häuptlings, der durch den listigen Huronen Magua frühzeitig den Tod findet, besonders liebenswert geschildert. Dieser Roman wird vielfach als das Meisterwerk Coopers bezeichnet. Sicher ist, dass der Dichter darin die Wesensart der Indianer, ihre Sitten und Gebräuche und das Land, das ihnen einst gehörte, besonders lebendig beschreibt und dass er keine Zweifel darüber lässt, wie sehr er die grausamen Methoden der europäischen Kolonisten missbilligt, die die Ureinwohner des Landes immer tiefer in ungesunde und unfruchtbare Gebiete abdrängen.

Im darauffolgenden Werk – Der Pfadfinder – verlegt Cooper den Schauplatz der Handlung an den Ontario-See, den größten amerikanischen Binnensee. Diese Erzählung gab Cooper Gelegenheit, seine seemännischen Kenntnisse und Erfahrungen – er ist in seiner Jugend längere Zeit zur See gefahren – besonders fesselnd und anschaulich zu verwerten. Im „Pfadfinder“, wie auch in den beiden vorhergehenden Bänden, spricht der Dichter stets von zwei großen Gruppen der Indianer. Die eine umfasst das Volk der Delawaren oder Lenni-Lenape, zu dem auch der zu Coopers Lebzeiten bereits vollständig ausgerottete Stamm der Mohikaner rechnete. Ihnen, den Delawaren und Mohikanern, gehört seine ganze Liebe und Achtung. Die zweite Gruppe besteht aus den mit den Franzosen verbündeten Huronen, die verächtlich als Mingos und Feiglinge bezeichnet und von den edlen Indianern gehasst und verfolgt werden. Diese scharfe Trennung, die historisch nicht ganz begründet sein dürfte, hat ihre Ursache vermutlich darin, dass Cooper, der englischer Abstammung ist, in den Kämpfen zwischen Engländern und Franzosen um die Macht in Nordamerika gefühlsmäßig für die Rechte der Engländer eintrat. Beide Parteien hatten durch Betrug und Lüge indianische Stämme für ihre Kriegszüge angeworben und für ihre selbstsüchtigen Zwecke missbraucht. So leisteten die Delawaren Kriegsdienste für die Engländer und die Huroren für die Franzosen, was übrigens geschichtlich auch nicht immer genau zutrifft.

Für den vierten Band – Die Ansiedler am Susquehanna – wählte Cooper ein ganz anderes Thema als bisher. Er schildert die Besiedlung des Otsege-Gebietes durch Europäer aus verschiedenen Nationen. Sowohl der schon betagte Lederstrumpf wie auch der greise Chingachgook, von dem wir in dieser Erzählung endgültig Abschied nehmen müssen, werden durch den Haupthelden, den Richter Temple, stark in den Hintergrund gedrängt. Dieser Marmaduke Temple, der wesentliche Züge von Coopers Vater trägt, wird als ein rechtschaffener, von Engländern abstammender und in Amerika geborener Mann geschildert, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, neue Siedlungen zu gründen und für eine gerechte Gesetzgebung zu sorgen. Gleichzeitig ist er bemüht, Ungerechtigkeiten gegen die Ureinwohner des Landes zu verhüten. Aber Richter Temple bildet eine Ausnahme unter den Ansiedlern, denn die meisten sind recht zweifelhafte Existenzen, die verschwenderisch mit dem Reichtum des Landes umgehen und Nutzen aus dem Unglück der Indianer ziehen.

Im letzten Band – Die Prärie – tritt wieder die Hauptfigur der ersten drei Erzählungen, der weiße Jäger Nathaniel Bumppo, auch Wildtöter, Falkenauge und schließlich Lederstrumpf genannt, in den Mittelpunkt der Handlung. Noch einmal wird dem Leser das leidvolle Schicksal der Indianer vor Augen geführt. Schauplatz dieser Erzählung ist die weite Steppe westlich des Mississippi, des größten amerikanischen Stromes. Sinn und Aufgabe der „Lederstrumpferzählungen“, nämlich die Indianer zu schildern und das ihnen durch die Weißen zugefügte Unrecht anzuprangern, wird auch in dieser Erzählung wieder sehr deutlich.

„Die Prärie“ ist die letzte jener fünf Indianergeschichten, die unter dem Sammelnamen „Lederstrumpferzählungen“ in die Weltliteratur eingegangen sind.


Wenn sich Cooper auch in vielen seiner Anschauungen nicht von den Vorurteilen seiner Zeit und seiner Umgebung freimachen konnte, so hat er doch das Schicksal der Indianer, die er über alles liebte und achtete, schon frühzeitig in seinen Romanen aufs tiefste beklagt, und mit großer Anteilnahme wird jeder seiner Leser die Geschehnisse in den „Lederstrumpferzählungen“ verfolgen.


„Der Wildtöter“ – Erster Band, 4. Auflage (1. Auflage 1956)

„Der letzte Mohikaner“ – Zweiter Band, 3. Auflage (1. Auflage 1956)

„Der Pfadfinder“ – Dritter Band, 2. Auflage (1. Auflage 1956)

„Der Ansiedler“ – Vierter Band, 2. Auflage (1. Auflage 1956)

„Die Prärie“ – Fünfter Band, 2. Auflage (1. Auflage 1956)


Der Kinderbuchverlag, Berlin
Zeichnungen von Alfred Will

 

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