23 Juli 2021

Juan Goytisolo: Das Fest der anderen


 „Solange ich lebe, habe ich keiner Fliege etwas zuleide getan. Aber ich war damals wahnsinnig und wußte nicht, was ich tat.“ Gebannt lauscht Pipo dem Mörder Gorilla, seinem einzigen Freund, der ihm das Geheimnis seines Lebens anvertraut und ihm die nächtliche Welt des Abenteuers erschließt. Und gebannt schaut das Mädchen Piluca auf die zehnjährige Pira in Absatzschuhen, die im Elendsviertel der Stadt in bunten Farben das Scheinschloß ihres Vaters in Rom beschreibt. Doch die Trauminsel, auf die sich diese Kinder der Armut flüchten, hat nur kurze Zeit Bestand. Das Zaubergespinst zerreißt, und eine jämmerliche Wirklichkeit öffnet ihnen die Augen. Die lebenshungrige Pira fällt auf der Suche nach ihrem legendären Vater einem Lustmörder zum Opfer, und Pipo, der in aller Unschuld der Polizei in die Falle geht, verrät seinen Freund und liefert ihn ins Zuchthaus. Während das Märchenreich der Kinder zerbricht, und sich der Glaube an eine reine Welt als Illusion erweist, wird in der Welt der Erwachsenen – im Franco-Spanien unserer Tage – der Glaube als Lebenselixier verkauft und mit Prunk und Pomp ein sogenannter Weltkongreß des Glaubens gefeiert: das Fest der anderen.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1964

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