21 Juli 2021

Vera Thies: Ungarische Liebesbriefe aus fünf Jahrhunderten

„Männer sind von Natur aus mißmutig, also auch beim Briefeschreiben. Und erst recht beim Schreiben von Liebesbriefen. Machen ihnen Freude oder Schmerz das Herz weit, dann entströmt diesem Herzeleid. Es ist, als geleite sie die Liebe zu ihrer Mutter zurück. Sie reagieren schon verdrießlich und ungeduldig, wenn sich eine Antwort einmal verspätet, sie wollen alles zugleich und augenblicklich. Eines unterbliebenen Lächelns wegen greifen sie nach der Feder wie nach einem rettenden Strohhalm, und man atmet auf: Welch ein Glück, daß ihre Hand auf dem Tisch nicht zufällig das Papiermesser oder den Dolch gefunden hat. Frauen nehmen das alles verständnisvoller hin. Sie wissen, die Liebe ist nur ein Vorwand, eine gute Gelegenheit zu maßlosem Ausbruch oder Überschwang. Nach einigen beruhigenden Worten gehen sie sogleich zum Wesentlichen über…“

So meditierte Gyula Illyés, jahrzehntelang herausragende Gestalt der ungarischen Gegenwartsliteratur, bereits 1938 über die Gattung des Liebesbriefes. Natürlich ist diese weit mehr als nur Gegenstand heiterer Betrachtung. Der Band enthält 90 Beiträge großer Männer und kluger Frauen, deren Namen auf die eine oder andere Weise in die Geschichte ihres Landes eingegangen sind. Aus ihren sehr persönlichen Bekenntnissen sprechen nicht nur die tiefsten und schönsten Regungen des menschlichen Herzens, sondern ebenso die Anteilnahme am Wohl und Wehe des Volkes, das Engagement für das Schicksal der Nation.

Rütten & Loening Berlin, 1989

 

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