Leseprobe
Kapitän gesucht
Er sah über die Schulter, als ich näher trat. Als ich in gehöriger Schußweite war, begrüßte er mich mit einem markerschütternden: „Wo sind Sie die ganze Zeit gewesen?“
Da es ihn nichts anging, ließ ich den Schuß völlig unbeachtet. Ich sagte nur, ich hätte gehört, daß ein Kapitän für ein Schiff gebraucht würde, und da ich ein Segelschiffmann sei, hätte ich gedacht, ich könnte mich melden…
Er unterbrach mich: „Zum Teufel! Sie sind der richtige Mann dafür – und wenn es zwanzig andere gäbe. Doch keine Sorge. Alle haben Angst zuzugreifen. Das ist es nämlich.“
Er war ganz entrüstet. Ich sagte harmlos: „So? Warum wohl, Sir?“
„Warum?“ fauchte er. „Angst vorm Segeln. Angst vor der weißen Mannschaft. Zuviel Mühe. Zuviel Arbeit. Zu lange draußen hier. Im Liegestuhl faulenzen, das gefällt ihnen besser. Hier sitze ich mit der Kabeldepesche des Generalkonsuls, und der einzige, der für den Posten in Frage kommt, ist nirgends zu finden. Ich dachte schon, auch Sie wollten sich drücken…“
„Es hat nicht lange gedauert, bis ich hier war“, bemerkte ich ruhig.
„Sie haben immerhin einen guten Namen hier“, knurrte er wütend, ohne mich anzusehen.
„Es freut mich sehr, das von Ihnen zu hören, Sir“, sagte ich.
„Ja, aber Sie sind nicht da, wenn Sie gebraucht werden. Das ist es. Ihr Stewart da hätte es nicht gewagt, eine Nachricht von diesem Amt nicht auszurichten. Wo zum Teufel haben Sie heute denn so lange gesteckt?“
Ich lächelte freundlich auf ihn herab, und er schien sich zu besinnen und bat mich, Platz zu nehmen. Er erklärte nun, daß der Kapitän des britischen Schiffes in Bangkok gestorben sei und der Generalkonsul ihm gekabelt habe, er solle einen fähigen Mann hinschicken, der das Kommando übernehmen könne.
Seiner Meinung nach war offenbar nur ich der Mann dafür.
Der junge Kapitän in „Die Schattenlinie“ übernimmt mutig das Kommando über ein Segelschiff und meistert die schwere Aufgabe allen Widrigkeiten zum Trotz.
Das Eindringen der Weißen ins Innere Afrikas und das Ende des Agenten Kurtz, von dem die Wildnis und das Böse Besitz ergriffen haben, stehen im Mittelpunkt von „Herz der Finsternis“.
Verlag Volk und Welt Berlin, 1984
Roman-Zeitung 410
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