17 September 2021

Franz Fühmann: Der Jongleur im Kino oder Die Insel der Träume – Erzählungen

In einem Zyklus von vier Erzählungen wird Kindheit heraufgerufen, böhmische Kindheit um die Wende der zwanziger und dreißiger Jahre in einer kleinstädtischen Honoratiorenfamilie, in deren zerrüttetem Innern sich Führer und Reich schon einzunisten beginnen, bevor diese selbst noch drohend heranrücken.

Der Junge aber, sensibel und vereinsamt, eingesponnen in Spiel und Einbildungskraft, erfährt ein erstes Mal bei der Austreibung der Großmutter, daß das kindliche Ich mit seinem Traum und Spiel der höheren Gewalt der Eltern und einer gräßlichen Wirklichkeit unterworfen wird, auch wenn diese die eigentliche Unnatur bildet. Und er erfährt es ein andermal beim Indianergesang unter der Aufsicht des Herrn Kaplan und ein drittes Mal, als er den Jongleur im Kino erlebt, den bewunderten Künstler, der vor dem satt feixenden Publikum elend kapituliert, damit es sich am Traumkitsch des Lichtspiels erfreue. Schließlich aber nach dem letzten Flug, einem letzten Höhenflug aus Naivität und Phantasie, der mit einer Sturzlandung auf dem Boden der Tatsachen endet, weiß er um den Preis seiner Unschuld, wie er den Eltern begegnen muß.

Eine Rückschau in kunstvoller Prosa, die aber mehr ergibt als das Bild einer verleideten Kindheit, nämlich das, was der Untertitel ironisch ankündigt: „Studien zur bürgerlichen Gesellschaft“.

VEB – Hinstorff Rostock 1970

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