22 November 2021

Wilhelm Raabe: Stopfkuchen


Wilhelm Raabe (1831-1910) hielt "Stopfkuchen" (1891) für sein bestes Werk. Die gedankliche Dichte und atmosphärische Ausstrahlung prädestinierten diesen Roman zu einem weltliterarischen Ereignis. Die Resonanz auf sein Erscheinen war vor 90 Jahren indes recht kümmerlich. Den Zugang zum Werk des späten Raabe fand eigentlich erst die Nachwelt; dabei erreichte er gerade im Spätwerk seine erzählerische Höhe.

Zum 150. Geburtstag Wilhelm Raabes bot sich eine Einzelausgabe des Romans an, in dem der Dichter sein "wirklich subjektives", also persönlichstes Buch sah. Wie in einer Nußschale konzentriert, entwirft Raabe hier sein poetisches Kontrastbild zur wilhelminischen Gesellschaft, nicht in eine Idylle entfliehend, sondern in ständiger Tuchfühlung mit der Realität, in ständiger Auseinandersetzung mit ihr, aber auch im Bewußtsein des Gefährdetseins. Raabes Inselidylle hat nicht nur die Funktion der Poesie- und Humanitätsbewahrung, sondern auch der aggressiven Provokation gegen die Zeitmisere. Dabei vermag es der Dichter nicht abzuwehren, daß diese Misere selbst auf den Inselboden vordringt und die Idylle teilweise deformiert und desillusioniert: Resignation und realistische Sehweise fallen zusammen. In "Stopfkuchen" strebte Raabe eine Symboldichte und spezifische poetische Atmosphäre an, die neben Storms Stimmungsintensität zu den erstaunlichsten Kunstwagnissen jener Epoche zählen. Das macht diese "See- und Mordgeschichte" noch heute zu einer Lektüre, die den Leser reich beschenkt entläßt.

Union Verlag Berlin, 1. Auflage 1981
Nachwort: Siegfried Rentzsch
Illustrationen: Klaus Ensikat
DDR 10,80 M

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