18 Februar 2022

Eberhardt del' Antonio: Gigantum

Buchanfang

1. KAPITEL

Es war Sommer. Schwer lastete brütender Sonnenschein auf der Landschaft, versengte Felder und Wiesen und löste die Konturen der Gebäude in siedender Luft.

Auf goldreifen Kornfeldern wirbelten elektrische Mähdrescher hochauf flimmernden Staub, auf Landstraßen zogen eilende Lastkraftwagen dichte Staubfahnen hinter sich her, Waldstreifen warfen kühle Schatten, und Flüsse spiegelten gleißend das Sonnenlicht. Mensch und Tier stöhnten, gelähmt durch die drückende Hitze. Nur die Lerche trillerte, über den Feldern stehend, hell jauchzend in den lachenden Tag.

Hoch über ihr huschte, einen pfeifenden Schall nachschleppend, ein Düsenflugzeug dahin und warf einen Schatten, den die Bodenwellen grotesk verzerrten.

Hier oben spürte man die Schwüle nicht, die Klimaanlage der Flugzeugkabine bewahrte eine angenehme Temperatur.

Dennoch ließ das hitzeflimmernde Sommerbild Professor Schlichtmann, den einen der beiden Fluggäste, unbewußt nach dem Taschentuch greifen und sich die kantige Stirn von nicht vorhandenen Schweißtropfen befreien.

Belustigt ertappte sich der hochgewachsene Mann dabei, musterte mit flinken Augen verstohlen seinen Begleiter und steckte schnell das Tuch in die Tasche. Dr. Colmar, sein junger Assistent, hatte jedoch nichts bemerkt, er hielt die schweren Lider unter den starkwandigen Brillengläsern schläfrig gesenkt, sein Bewußtsein dämmerte in das Zauberreich der Träume hinüber.

Glückliche Jugend, dachte der Grauköpfige lächelnd, verschläft unbeschwert die Sorgen und geht dann mit neuer Kraft an die Lösung der Probleme heran. .....


Nachwort

Die Frage, was die Zukunft bringt, ist so alt wie die Fähigkeit des Menschen, über sein Leben nachzudenken. Ihr entspringt der Wunsch, einen Blick in kommende Zeiten zu werfen. Was hätte unsere Arbeit für einen Sinn, wenn sie nicht der Zukunft diente, wenn wir sie nicht als Steinchen im Mosaik der menschlichen Entwicklung betrachten wollten! Wie aber könnten wir in die Zukunft planen, wenn wir nicht versuchten, sie uns mit Hilfe der heutigen Erkenntnisse vorzustellen? Der Traum von heute das ist die Wirklichkeit von morgen.

Einem solchen Traum entspringt dieser Roman. Er erhebt keinen Anspruch darauf, daß alles, was in ihm geschildert wird, der künftigen Wirklichkeit entspricht. Es läßt sich heute, an der Schwelle des Atomzeitalters, noch nicht annähernd voraussagen, was uns die friedliche Verwendung der Energie des Atomkerns - der größten, die bisher vom Menschen entdeckt wurde - und was uns die Raketentechnik bringen wird. Es läßt sich aber schon heute erkennen, daß kein Gebiet des menschlichen Lebens von dieser technischen Umwälzung unberührt bleibt.

Der Roman enthält indessen auch utopische Elemente. Nach unsern heutigen Erkenntnissen wird es kein Mammutum geben, und ein Gigantum mit derart hoher Energieabgabe bei molekularer Reaktion ist ebenfalls utopisch. Das gleiche gilt für die Stoffe Atomoflor und Kosmonit und für die industrielle Herstellung von Kohlenstoff aus Wasserstoff. Auch auf die Kraftstofftabletten werden wir vermutlich verzichten müssen - es ist also nichts mit gefiltertem Elbwasser! Doch es ist bereits heute möglich, neue, in der Natur nicht vorkommende Elemente künstlich aufzubauen, wenn sie auch nicht stabil sind, sondern mit kurzen Halbwertzeiten zu uns bekannten, natürlichen Elementen zerfallen.

Die geschilderte Materialverfestigung und nahtlose Verbindung durch Molekülvernetzung mittels Gammabeschuß ist keine Utopie. Es gelingt heute, auf diesem Wege Kunststoffe durchsichtig, stahlhart und feuerbeständig wie Beton zu machen. Nach Charlesby wurde auch die Elastizität und die Festigkeit durch Gammabeschuß gesteigert (Schenk "An der Schwelle der letzten Dinge").

Die physikalischen und technischen Vorgänge wurden, um besser verständlich zu sein, zum Teil vereinfacht dargestellt.

Bei meiner Arbeit wurde mir von vielen Seiten Hilfe zuteil. Besonderen Dank schulde ich Herrn Werkleiter Georg Mosch, Meißen, für verständnisvolle Förderung (in der Industrie in diesem Maße leider noch ungewöhnlich), der ich vor allem die Zeit für die literarische Arbeit verdanke; Herren Gerhard Eichler, Zentralschule für kulturelle Aufklärung, Siebeneichen, Abt. wissenschaftlich-methodische Aufklärung, und Dr. med. Burkhard, Meißen, für fachliche Auskünfte in speziellen Fragen.

Dresden, Oktober 1956

Eberhardt del'Antonio

Verlag Das Neue Berlin, 4. Auflage 1960, 5. Auflage 1957


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