12 Juni 2022

Olov Svedelid: Als vermißt gemeldet

Leseprobe

Die Wahl
"Wir müssen was zu unserer Rettung unternehmen." Ein Stimmengewirr war die Antwort. Einer der Kleinsten, Henry, sagte, er wolle nach Hause. "Halt die Klappe", sagte Ralph mit unbeteiligter Stimme. Er hob das Muschelhorn hoch. "Ich glaub, wir brauchen einen Anführer, dann geht das besser."
"Einen Anführer! Ja, einen Anführer!"
"Das mache ich am besten", sagte Jack mit ganz selbstverständlicher Anmaßung", "ich bin Kapitelsänger und Klassensenior. Und ich kann das hohe C singen."
Erneutes Stimmengewirr. "Also gut", sagte Jack, "ich..." Er zögerte. Der Dunkelhaarige, Roger, gab endlich seine Zurückhaltung auf. "Am besten, wir stimmen ab. Wir wählen unseren Anführer."
"Au ja! Los, wir stimmen ab!"
Eine Wahl, das war wie ein Spielzeug, fast so unterhaltend wie das Muschelhorn. Jack versuchte aufzubegehren, aber die Versammlung leitete jetzt nicht mehr der allgemeine Wunsch nach einem Anführer, man wollte Ralph einfach als Anführer ausrufen. Keiner hätte dafür einen Grund anzugeben vermocht; Intelligenz hatte bisher nur Piggy bewiesen, und die offensichtliche Führerpersönlichkeit war Jack. Aber wie Ralph so dasaß, umgab ihn etwas Ruhiges, das ihn aus den anderen heraushob; weiter sprach für ihn sein anziehendes Äußeres; und hinter ihm stand, zwar unausgesprochen, aber umso wirksamer, die Zauberkraft des Muschelhorns. Er hatte geblasen, er hatte auf der Plattform auf sie gewartet mit dem zerbrechlichen Ding auf den Knien, er war etwas ,Besonderes'.
"Der mit der Muschel!" - "Ralph! Ralph!" - "Der mit dem Trompetendings soll den Anführer machen!"
Ralph gebot mit der Hand Schweigen. "Also gut. Wer stimmt für Jack?" Mißmutig hoben die vom Chor die Hand. "Wer stimmt für mich?" Alle, außer den Jungen vom Chor und Piggy, reckten sofort die Hände in die Höhe. Dann hob Piggy widerwillig die Hand.

Verlag Volk und Welt Berlin, 1976
Roman-Zeitung, Heft 8/1988 (Nr. 461)
Aus dem Schwedischen von A. O. Schwede

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