08 Februar 2023

Wera Mutaftschiewa: Spielball zwischen Kirche und Thron

3. Mai 1481. Die Kunde vom Tod des mächtigen Sultans Mehmed eilt durch die Lande, bis hin zu den Söhnen des Herrschers, die als Statthalter in weit entfernten Provinzen des Reiches regieren: zu Bajesid, dem älteren, beim Volke verhaßten, der seine Häßlichkeit hinter Schlauheit verbirgt, und zu dem "im Purpur geborenen" Dschem, dem beliebten und begabten Dichter und Beschützer der Musen. Umgehend hat sich Bajesid des Thrones bemächtigt. Und nach dem Gesetz der Osmanen wird das Reich nicht geteilt, nur einer kann Sultan sein, alle anderen Brüder werden umgebracht. Doch kampflos will Prinz Dschem sein Leben nicht lassen, er sucht Verbündete in Rumelien. Auf dem Wege dorthin bittet er bei den Johannitermönchen auf Rhodos um Schutz. Dieser Schritt wird ihm zum Verhängnis: nie mehr kann er den Klauen der katholischen Kirche entrinnen. Der Papst versucht, Dschem an die Spitze eines Kreuzzuges gegen die Türken zu stellen, die weltlichen Herrscher Europas feilschen jahrelang miteinander, jeder will den Prinzen als Geisel und Trumpf in seine Hand bekommen. Ungeheure Bestechungssummen werden für ihn geboten, zahllose Verbrechen seinetwegen begangen. Prinz Dschem, der einstmals strahlende Held, wird zum Spielball zwischen Kirche und Thron.

Im Vorwort steht zu lesen:
Die Zeugen dieser Geschichte haben längst das Zeitliche gesegnet, aber bei den heutigen gerichtlichen Ermittlungsmethoden ist es nicht schwierig, die Toten reden zu lassen, wenn es sich um einen bedeutenden Fall handelt. Sie werden die Aussage kaum verweigern, denn sie berührt das alles nicht mehr. Das einzige, was sie zu befürchten haben, ist die Verurteilung durch die Historie. Doch ein solchen Urteil schadet niemanden, da es in Abwesenheit gefällt und bedingt ausgesprochen wird.

Rütten Loening 1980
buchclub 65

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