„Der Kaiser hat genickt!“ Diese Worte bestimmen den weiteren Lebensweg des 29jährigen Kepler. Er hat als Wissenschaftler bereits einen Ruf, als er als Opfer der konfessionellen Gegensätze sein Vermögen und seine Stellung in Graz verliert. Im Herbst des Jahres 1600 steht er hilfesuchend vor dem berühmten Astronomen Tycho Brahe in Prag und erfährt, daß es Brahe gelungen ist, Keplers Ernennung zu seinem Gehilfen beim Kaiser zu erwirken.
Die folgenden zwölf Prager Jahre Keplers, die entscheidenden in seinem Leben, stehen im Mittelpunkt des Romans von Johannes Tralow. Kepler, nach dem Tode Brahes zum kaiserlichen Mathematikus und Hofastronomen berufen, schreibt in der gewittrigen Atmosphäre am Vorabend des 30jährigen Krieges seine „Astronomia nova“, in der er seine beiden ersten Planetengesetze entwickelt. Er wird damit einer der Bahnbrecher des neuen, wissenschaftlichen Weltbildes.
Gestützt auf historische Forschungsergebnisse, entwirft Johannes Tralow in einer freien Romanhandlung ein packendes Bild von dem großen Astronomen und dem menschenscheuen Kaiser Rudolf II. Ein ganzes Zeitalter mit seinen Widersprüchen, erfüllt von politischen Machtkämpfen, religiösem Fanatismus, den Ausschweifungen der herrschenden Schichten, von Liebe und Haß, Kriegsgeschrei und wissenschaftlicher Pioniertat, ersteht vor den Augen des Lesers.
Buchanfang:
In der Mathematik ist der Plan für das Sein und Werden des Weltalls von aller Ewigkeit bis in alle Ewigkeit im voraus beschlossen...
Das war ein anspruchsvoller Satz, und der ihn sagte, war nur ein hagerer junger Mann, eher unter Mittelmaß als darüber. Eine schöne Stirn erhob sich freilich über dem blassen Gesicht mit den dunklen Augen und dem kleinen bartumrandeten Mund – aber Worte wie der soeben gesprochenen hätte man sich kaum von ihm versehen. Der Bart umschattete das Kinn, das vielleicht auf Kräfte des Willens hätte schließen lassen. Jedenfalls war er nötig, um dem Besitzer Autorität zu verleihen, was Talar und Barett des akademischen Lehrers allein nicht vermocht hätten. Der Autorität aber bedurfte Magister Kepler als Professor an der Landschaftsschule in Graz.
An diesem Frühsommertage des Jahres 1596 befand er sich freilich nicht in Graz, wo er eigentlich hätte sein sollen, sondern in der Pförtnerstube der Universität Tübingen. Außer ihm war nur noch der Torwärter Dürrenkofel zugegen. Ihn hatte Kepler ganz unbekümmert mit seinem Satz aufgescheucht. Freilich wäre dieser Satz allein schon neu genug gewesen, um unter den Mitgliedern eines Hohen Universitätssenats allerhand Verwirrung, ja Entsetzen hervorzurufen. Dürrenkofel jedoch wußte zu seinem Glück nicht so genau, welche Gedanken alt und welche neu, welche erlaubt und welche unerlaubt seien, und so befiel ihn keineswegs Entsetzen, vielmehr nur die Erwartung von Neuigkeiten, denen nachzujagen stets seine Lust war.
Selbst die Bedienten, die des Tübinger Stiftes Dielen fegten, waren noch stolz auf diese Hochburg des Evangeliums und deutscher Gelehrsamkeit. Darin jedoch, daß er nicht nur steinerne Mauern, nicht nur die Schalen bewachen, sondern auch etwas von dem Kern, dem wissenschaftlichen Getriebe erhaschen wollte, war Dürrenkofel eine Ausnahme.
Besonders hatte es ihm die Mathematik angetan. Schon vor Jahren war sie die Ursache einer achtungsvollen Freundschaft .....
Schutzumschlag: Gerhard Medoch
Verlag der Nation, Berlin
1. Auflage 1961
2. Auflage 1964
3. veränd. Auflage 1984
Bücher und Schriftsteller, die in der DDR gelesen wurden. Schaut bitte nicht nur danach, ob hier jeden Tag Beiträge auflaufen, nutzt diesen Blog auch wie ein Lexikon. Er ist ein Langzeitprojekt, da ist es sicherlich verständlich, wenn zwischendurch immer mal wieder pausiert wird. Sei es, um nicht die Lust daran zu verlieren, aber auch, weil die Beiträge auch regelmäßig vorbereitet werden müssen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Stöbern und Erinnern oder neu entdecken.
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