18 Juni 2023

Alexej Pissemski: Die Geldheirat

Alexej Pissemski war eine der schillerndsten Figuren des literarischen Lebens seiner Zeit. Er, der Adelssproß aus verarmtem Hause und studierte Mathematiker, vereinte die genaue Kenntnis des patriarchalisch geprägten Dorfmilieus und den analytischen Scharfblick des Naturwissenschaftlers mit einem verknappten literarischen Stil. Nach seinem Debüt mit der Erzählung "Nina" im Jahr 1848 fand er schnell Kontakt zu den führenden Literaten und publizierte bald in den angesehensten Zeitschriften des Landes. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde er von der Literaturkritik mitunter höher bewertet als Turgenjew und Gontscharow. Tschernyschewski bezeichnete die Erzählung "Ist sie schuldig?" als bestes Werk des Jahres 1855. Doch dem schnell erworbenen Ruhm Pissemskis war keine Dauerhaftigkeit beschieden. Schon in den sechziger Jahren drängte ihn seine unentschlossene Haltung zur weiteren gesellschaftlichen Entwicklung Rußlands an den Rand auch des literarischen Geschehens. Sein umfangreiches Spätwerk blieb weitgehend unbeachtet.
Mit "Ist sie schuldig?" und "Die Geldheirat" werden zwei Erzählungen vorgestellt, die neben seinem bekanntesten Werk, dem Roman "Tausend Seelen", Pissemskis literarisches Renommee begründeten. In beiden Werken sind es junge Frauen, deren enttäuschtes Sehnen nach Liebe und Geborgenheit den Konflikt mit gesellschaftlichen Grundstrukturen heraufbeschwört. Ökonomische Zwänge führen in den moralischen Ruin, bringen noch bestenfalls "überflüssige Menschen" hervor, die Erfüllung emotionaler, geistiger Bedürfnisse bleibt den Menschen versagt. Mit gnadenloser Härte seziert Pissemski die Morbidität der russischen Adelsgesellschaft am Vorabend der Bauernreform.

Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
1. Auflage 1989
bb-Reihe Nr. 641

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