04 August 2023

Klaus Beuchler: Nach Babylon im Böhmerwald

„Prag ist der schönste Edelstein in der steinernen Krone der Welt“, sagt Jan zu Tim. Beide haben eine weite Reise hinter sich: Sie führte die Jungen über die alte Münzpräge-Stadt Jáchymov in das weltberühmte Karlovy Vary, und sie lernten den Industriegiganten Sokolov und das malerische Städtchen Cheb kennen. Doch auch das Urlaubsziel Babylon inmitten der schattigen Tannen des Böhmerwaldes läßt Tim und Jan Neues und Schönes in unserem Nachbarland ČSSR entdecken. Und in Domažlice, der altehrwürdigen Stadt der Choden, erleben sie die weltbekannte tschechische Gastfreundschaft.

Aus dem Buch
Was ist eigentlich eine Grenze ...
... fragt Tim Jan am nächsten Morgen, als das Gespann das freundliche Städtchen Oberwiesenthal im Erzgebirge passiert und einen bewaldeten Berg hinauf und hinunter prescht.
Kilometerstein links und Kilometerstein rechts. Zurück bleibt der Fichtelberg, vorn rückt sein tschechoslowakischer Bruder, der Klinovec, heran. Und immer noch ist nicht die schraffierte Linie aus dem Autoatlas zu sehen.
„Eine Grenze ist wie die Tür zwischen zwei Nachbarwohnungen“ erklärt Jan. „Verstehen sich die Nachbarn gut, ist zu jeder Stunde Besuchszeit. Kommen sie nicht mit einander aus, sitzt der Riegel fest im Schloß.“
Die Schranke an der Straße, Schlagbaum genannt, ist hochgezogen Vor einem weißen Strich muß die Trophy halten.
„Kontrolle“, sagt Jan und fährt Tim aufgeregt an: „Hast du deinen Ausweis endlich zur Hand?“
Tim hält einem Mädchen in Zolluniform seine „Identifikation“ entgegen. Ein Offizier in Steingrau nimmt sie ab und blättert sie durch:
„Ich wünsche dir viel Vergnügen, Tim.“
Jan, der nicht so gut davonkommt, weil er die Zolldeklaration erst in der linken Tasche seiner Jacke, dann in der rechten Tasche sucht und sie schließlich im Ausweis findet, faucht Tim an: „Spiel dich bloß nicht auf!“ Dann gibt er Gas und fährt um ein Haar jemand um, der sich mit beschwörender Geste vor dem Beiwagen aufgebaut hat – jenseits des weißen Striches. Dieser Jemand sieht wie Vater Wollschläger aus. Nur die Uniform gibt zu erkennen, daß man diesem Herrn Wollschläger nun in einem anderen Land begegnet.
„Dobrý den“, sagt der Mann freundlich. Er tippt mit dem Finger leicht an den lackierten Mützenschild, über dem eine Kokarde mit einem prankenschwingenden Löwen zu erkennen ist.
„Dobré jitro“, antwortet zur stillen Bewunderung Tims der große Jan. Daraufhin blickt der Mann auf die Uhr und sagt mit einem Auflachen im gemütlichsten Deutsch der Welt: „No ja. Die achte Stunde. Dann ist Guter Morgen schon besser als Guter Tag. Und wohin, bitte sehr, wollen Sie mit dem kleinen Menschen reisen?“
Jan zeigt den Scheck der tschechoslowakischen Gewerkschaften.
„Babylon!“ Der freundliche Mann stößt einen lustigen Pfiff aus. „Ich bin von nebenan, aus Domažlice. Und wenn Sie dort den Kollegen Hrzuva treffen, grüßen Sie ihn von mir. Das ist nämlich mein Bruder. Ein Chode, wie er im Buche steht.“

Inhalt
Mittags gibt es Knödel ..... 4
Was ist eigentlich eine Grenze ..... 6
Sterntaler ..... 11
Ein Schloß für einen Sprudel ..... 13
Wasser und Feuer ..... 17
Bobíček ..... 24
Wallensteins Tod ..... 22
Das alte Babylonien ..... 27
In einem Faß ..... 34
Domažlice am Flüsschen Zubřina ..... 38
Prag ist der schönste Edelstein ..... 44
Eine tschechische Sage ..... 53
Zahlen-Daten-Wissenswertes ..... 57

Illustrationen von Bernhard Nast
Für Leser von 8 Jahren an

Der Kinderbuchverlag Berlin

1. Auflage 1979
2. Auflage 1982
3. Auflage 1986
4. Auflage 1988

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