25 September 2023

Gisela Steineckert: Einfach Zuneigung – 22 Beispiele in Prosa

„Gesichter in meinem Spiegel“ hieß der erste Porträtband Gisela Steineckerts. Was sie dort begann, setzt dieser Band fort: Aus flüchtiger Begegnung oder dauernder Auseinandersetzung entstehen Überlegungen zum Tun und Lassen der Mitmenschen, zu den eigenen Ansprüchen und denen anderer, entstehen einfühlsame Zeichnungen von Lebensläufen und -haltungen und oftmals herausfordernde Gedanken zur Kunst und zu Fragen des Alltags. Was die Texte über die Malerin Frida Kahlo und den Autor Charles Bukowski, über die Antifaschistin Marischa und die in der Not lebensklug gewordene Theresia, über das Scheitern einer jungen Liebe und gar ein „Abendbrot bei Nachbars“ eint, ist die selbst im Widerspruch noch von Verständnis und Zuneigung getragene Sicht.

Buchanfang
Marischa, meine Liebe
Es war ein fast unerträglich heißer Sommer, und ihm folgte „der schönste September, an den ich mich erinnern kann“. Freilich war es auch ein Sommer voll der beängstigenden Nachrichten, auf die hin manche das Notwendigste einpackten, um sich in das Innere des polnischen Landes zurückzuziehen, weg von der Grenze. Die Familie Wollenberg war es gewohnt, mit einem gewissen Unbehagen zu leben. Als Atheisten gehörten sie nicht zu den gläubigen Juden, hatten nicht teil an deren Zusammenhalt, aber Juden blieben sie für die katholischen Mitbürger dennoch. Marischa, die Tochter des Zollangestellten, wäre in der Schule gern geblieben, wenn die Religionsstunde begann, nicht wegen der Belehrung, sondern wegen der Gemeinschaft. Für ein kleines Mädchen war es fast zu viel des Mutes, daß sie nach dem Willen des Vaters jedesmal aufstehen und gehen mußte.
Dafür war es zu Hause warm, ein gutes Zuhause. In jenem Jahr war Marischa eben achtzehn Jahre alt geworden, da fühlt man sich bei guten Verhältnissen den Eltern noch nahe wie ein Kind, das Herz ist befaßt mit allerlei Händeln und Träumen und der Kopf voll von Gedanken an die eigene Zukunft. Es war herauszufinden, was man aus einem Abitur, den eigenen Gaben und der Anregung durch Literatur, unter anderem Majakowski, Ehrenburg, wohl machen kann.
Zukunft, Hoffnungen, Träume, damit hat ein junger Mensch ausreichend zu tun. Marischa hatte zwei Geschwister, den kleinen Bruder und den älteren, der wegen seiner Zugehörigkeit zur KP Polens schon Jahre im Zuchthaus hatte zubringen müssen. Eben war er entlassen worden, er emigrierte bei Ausbruch des Krieges in die Sowjetunion. .....

Inhalt
Marischa, meine Liebe ....... 5
Ein Moment ....... 16
Raimund und Susanne ....... 19
Selma Meerbaum-Eisinger ....... 24
Die alten Frauen ....... 31
Theresia ....... 41
Warum ich keine Märchen schreibe ....... 49
Schönhauser Allee ....... 59
Bożena ....... 76
Drei Atemzüge Zeit ....... 82
Herbert, 54, Betriebsökonom ....... 85
Ein Paar ....... 90
In meiner Erinnerung ....... 98
Leutnant J. B. ....... 106
Hermann und Lenchen in E. ....... 111
Ich habe mich ihm zugewandt ....... 120
Charles Bukowski ....... 126
Gäste ....... 134
Folgen ....... 142
Lieber Herr K. ....... 145
Es kam alles ganz plötzlich ....... 156
Zugfahrt ....... 161

Schutzumschlag und Einband: G. Ruth Mossner

Verlag Neues Leben, Berlin

1. Auflage 1986
2. Auflage 1987
3. Auflage 1989

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