06 Januar 2024

Valeri Powoljajew: Igor und Irina

In einer eisigen Winternacht im hungergepeinigten Leningrad zur Zeit der Blockade beginnt die Liebe zweier junger Menschen. Ihre gemeinsame Zeit ist kurz bemessen, und keiner der beiden weiß, ob diese Liebe eine Zukunft hat.

Buchanfang:
Wenn er zurückblickte, so merkte er, daß er jede Minute, jeden Augenblick seines Lebens ausschließlich an einen einzigen Menschen gedacht hatte an seine Mutter, an die grauhaarige alte Frau mit dem gütigen Antlitz und den klaren aufmerksamen Augen dort in Leningrad. Er hatte an sie gedacht, selbst als er den Befehl des Kompaniechefs erhielt, jene flache, von Geschossen, Granaten, Minen und Kugeln aufgewühlte Höhe zu nehmen, die eine so nichtssagende Bezeichnung hatte, bestehend aus drei Ziffern mit Komma und einer Null dahinter. An dieser Höhe hatten sich schon zwei Kompanien die Zähne ausgebissen. Und alles vergeblich. Er hatte an die Mutter gedacht, als er tief gebückt, mit dem Kopf fast die Erde berührend, die Beine fühllos, dicht am Körper verkrampft, in der schwarzen, hallenden Nacht in den Kampf ging und sein Zug ihm folgte; selbst als er eine Ladung Blei, die ihm zwei Rippen brach, aufs Fell gebrannt bekam, hatte er an sie gedacht. Er dachte immerfort an sie, nicht weil er ein Muttersöhnchen oder eine Treibhauspflanze war, die, unversehens in grimmigen Frost geraten, sich nun voller Sehnsucht an Vergangenes erinnerte. Nein, er liebte einfach seine Mutter wie, nun wie sich selbst. Wobei er sich persönlich gar nicht liebte, für sich hatte er eher Spott übrig, zuweilen verhöhnte er sich gar und fand das ganz normal. Er sorgte sich um die Mutter, wie sie dort lebte in der kalten, vom Hunger gepeinigten Stadt, ob sie wenigstens ein bißchen Brennholz hatte, um sich in der kleinen dunklen Wohnung zu erwärmen, ob sie überhaupt ein Stückchen Brot hatte? Seine Mutter bedeutete ihm alles – Freude und Schmerz, .......

Titel des russischen Originals: Игор и Ирина
Ins Deutsche übertragen von Thea-Marianne Bobrowski
Illustrationen von Ruth Kotsch

Verlag Neues Leben, Berlin
Reihe: Neue Edition für junge Leute

1. Auflage 1988 

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