Buchanfang:
Mutti geht zur Arbeit
Lottchen Klinke brauchte nur über den Treppenflur zu gehen, dann war sie vor der Wohnungstür der Frau Heinefetter; denn Frau Heinefetter war die Nachbarin der Familie Klinke.
Jeden Morgen war es das gleiche: Lottchen stand oben auf dem Treppenflur und weinte. „Wann kommst du wieder, Mutti? Mutti, wann kommst du wieder?“ Sie schluchzte, und die Brötchen auf dem Teller, den sie in der Hand hielt, rutschten hin und her, und die Katze, die sie unter dem Arm hatte, mauzte.
Frau Klinke ging zu ihrer Arbeit. Sie war schon fast unten. Sie hatte es eilig; denn sie wollte nicht zu spät kommen. „Weine nicht, Lottchen“, rief sie hinauf. „Ich komme ja um fünf Uhr zurück – wie jeden Tag! Sei lieb, Lottchen, weine nicht.“
Dann öffnete Frau Heinefetter ihre Tür und nahm Lottchen in den Arm. Sie brachte sie in ihre Küche und tröstete sie. „Jetzt wird erst einmal gefrühstückt, Fräulein Klinke“, und sie hob Lottchen auf einen Küchenstuhl. Frau Heinefetter nahm eine Tasse mit warmer Milch vom Herd, stellte sie neben Lottchens Frühstücksteller und wischte ihr mit einem großen Taschentuch die Tränen von den Bäckchen. „Deine Mieze ist auch hungrig“, sagte sie, nahm die Katze und setzte sie auf die Erde.
Wenn die Katze ihren Brei von der Untertasse schleckerte und Frau Heinefetter sich neben Lottchen an den Tisch gesetzt hatte, griff Lottchen zu ihrem Brötchen und biß hinein. „Mutti kommt ja wieder!“ Sie seufzte noch einmal und beugte sich zu der Katze hinunter. „Du mußt fressen und artig sein.“ Und während sie ihre Milchtasse nahm, fragte sie: „Nicht wahr, Tante Heinefetter, Mutti kommt wieder?“ Und Frau Heinefetter nickte. „Ja, mein Kind, um fünf Uhr ist Mutti wieder hier.“
Lottchen spielt allein
Frau Heinefetter war eine alte Frau. Sie hatte ein rundes Gesicht, eine kleine, dicke Nase und liebe Augen. Ihr Gesicht hatte viele Runzeln, und ihr Haar war weiß. Sie war sehr klein.
„Warum bist du so klein?“ hatte Lottchen gefragt.
Aber Tante Heinefetter wußte das auch nicht. Sie erzählte Lottchen, daß sie früher, als sie noch jünger war, nicht ganz so klein gewesen sei. „Man wird kleiner, wenn man alt wird.“ Aber so groß wie Mutti war Tante Heinefetter nie gewesen; denn man wird nur ein bißchen kleiner, wenn man alt ist.
Lottchen ging jeden Morgen zu Frau Heinefetter und blieb dort, bis ihre Mutter wiederkam. Wenn Frau Heinefetter mit dem Aufräumen der Wohnung fertig war, nahm sie Lottchen mit zum Einkaufen. Sie gingen beide, Hand in Hand, langsam die Straßen entlang und sahen beim Bäcker, beim Fleischer, beim Gemüsemann und im Lebensmittelkonsum nach, was es Gutes zu essen gab. Lottchen nahm ein Henkelkörbchen, weil sie beim Tragen helfen wollte. Frau Heinefetter trug ihre große, lederne Tasche, die seit vielen Jahren zum Einkaufen diente; denn die Mutter von Frau Heinefetter hatte schon mit dieser Tasche eingekauft, so alt war sie. Man sah es ihr auch an.
Das Leder war vom vielen Gebrauch blank und am oberen Rand dünn und abgenutzt, und an drei Stellen war sie mit hellen Lederstücken geflickt.
Frau Heinefetter liebte ihre alte Tasche, und Lottchen konnte das gut verstehen.
„Eigentlich wollte ich heute Reis mit Backobst für uns kochen“, meinte Frau Heinefetter, als sie vor dem Gemüseladen standen. „Aber jetzt sehe ich hier die schönen Mohrrüben. Was denkst du, Lottchen?“
„Mohrrüben!“ rief Lottchen und hob das Körbchen in die Höhe. „Wir können ja morgen Reis essen. Die Mohrrüben passen in mein Körbchen.“ .....
Inhalt:
Mutti geht zur Arbeit .. .. .. .. 5
Lottchen spielt allein .. .. .. .. 6
Lottchen fällt in den Schnee .. .. .. .. 9
Lottchen will nicht in den Kindergarten .. .. .. .. 12
Die Waden müssen zusammenstoßen .. .. .. .. 15
Ob Lottchen mitfährt? .. .. .. .. 18
Lottchen will mitfahren .. .. .. .. 19
Glückliche Reise! .. .. .. .. 24
Lottchen versteckt sich .. .. .. .. 27
Verreist wird trotzdem .. .. .. .. 29
Der Zug fährt ab .. .. .. .. 30
Mathilde versteckt sich .. .. .. .. 33
Die Kinder üben Schleifenbinden .. .. .. .. 37
In der Kleinbahn .. .. .. .. 41
Die Ankunft in Bärenfels .. .. .. .. 42
Hier bleiben wir, solange es geht .. .. .. .. 44
Lauter Tiere aus Schnee .. .. .. .. 46
Der Bürgermeister hat einen Pferdeschlitten .. .. .. .. 48
Die Schlittenfahrt .. .. .. .. 50
Auch Lottchen rodelt .. .. .. .. 53
Eine Ansichtskarte an Karl .. .. .. .. 56
Draußen steht einer .. .. .. .. 58
Andere Kinder sind nicht schüchtern .. .. .. .. 62
Unsre Katz heißt Mohrle .. .. .. .. 65
Lottchen möchte in den Kindergarten .. .. .. .. 67
Übermorgen bringt dich die Mutti mit .. .. .. .. 70
Zeichnungen von Ingeborg Friebel
Für Kinder von 7 Jahren an
Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1953 [1.-30. Tsd.]
2. Auflage 1954
3. Auflage 1954
4. Auflage 1955 [61.-70. Tsd.]
5. Auflage 1957
6. Auflage 1959
7. Auflage 1960
8. Auflage 1961
9. Auflage 1964
10. Auflage 1966
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wichtiger Hinweis
Seit dem 25. Mai 2018 gilt auch in Deutschland die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Mit der Abgabe eines Kommentars erklärt Ihr euch einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und für Statistiken von Google weiterverarbeitet werden.
Beim Absenden eines Kommentars für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärt ihr euch ebenfalls einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) abgespeichert werden.