28 August 2025

Jutta Schlott: Früh und spät

Klappentext:
„Für jeden der Jungen lag neben dem Frühstücksbrettchen und dem Mitnehmebrot eine kleine Tafel Schokolade. Die Mutter hatte einen Zettel geschrieben, daß sie ihnen einen schönen Tag wünsche und daß die Kinder sie heute morgen bitte schlafen lassen möchten, sie sei sehr müde.
Im Flur zog Sven den kleinen Bruder an. Er machte es morgens lieber selber, weil Gustav immer trödelte. ‚Tschüs Olaf’, sagten sie, und Sven ließ die Tür ins Schloß fallen. Olaf mußte in der Küche noch den Frühstückstisch abräumen. Das Geschirr stellte er neben die Spüle. Den Abwasch erledigte die Mutter, wenn sie Spätschicht hatte.“

Manches hat sich verändert in der Familie Roland, seit sie aus Borna in eine mecklenburgische Stadt übergesiedelt ist. Leicht fällt das Eingewöhnen in die neuen Lebensbedingungen niemand. Olaf, dem sensibelsten der drei Jungen, wird es besonders schwer ... Es gibt Tage, da steht es nicht gut mit der Familienharmonie.

Buchanfang:
DONNERSTAG
Das Versäumnis
Es war März, Mitte März, aber der Winter war zurückgekommen. Zwei Tage lang fielen dicke, feuchte Flocken; jetzt lag der Schnee in grauen Häufchen schmuddelig und pappig an den Straßenrändern. Auf den Fahrbahnen und Wegen war er, kaum hingeweht, gleich zertaut oder zertreten worden.
Es nieselte, und der Junge stellte sich in den ersten Eingang des Häuserblocks oberhalb der Böschung.
Es war halb fünf oder kurz danach, er hätte es gewußt, ohne zur Säule mit der Digitaluhr zu sehen, denn die Möwen und Krähen hatten schon in großen Schwärmen krächzend und kreischend den allabendlichen Flug zu ihren Schlafplätzen begonnen. Stets flogen sie zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung. Man hätte Uhr und Kompaß nach ihnen stellen können. Der Junge hatte noch nie so viele Möwen gesehen wie in dieser Stadt. In Borna gab es überhaupt keine.
Zu den Füßen des Jungen, an der Haltestelle, kamen in schnellem Wechsel aus beiden Richtungen die Straßenbahnen an.
Die meisten Leute liefen, ohne nach links und rechts zu sehen, die gewohnten Wege. An diesem diesigen, nebligen Spätnachmittag schienen sie alle in Grau gekleidet. Manchmal leuchtete das Tuch einer Frau oder der Anorak eines Kindes farbig auf.
Der Junge hatte keine Sorge, die Mutter nicht zu erkennen. Sie trug Schal und Käppi in einem kräftigen Orange, ....

Schutzumschlag, Illustrationen: G. Ruth Mossner
Für Leser von 10 Jahren an

Der Kinderbuchverlag, Berlin
1. Auflage 1982
2. Auflage 1983
3. Auflage 1984

Inge von Wangenheim: Die Entgleisung

Buchinfo

Thüringen Ende der 70er Jahre, in einem verschlafenen Nest entgleist ein Güterwagon. Der Inhalt, der bald darauf im Ort 'versickert', besteht aus Porno-Magazinen für den Westen. Klar, dass die DDR-Staatsmacht die ebenso moralgefährdenden wie devisenbringenden Hefte wieder zurückhaben will. Doch das ist nicht so einfach … Inge von Wangenheims 1980 erschienene Satire hat jetzt bestimmt schon Kultstatus.


Buchbeginn

In der Mitte des breiten Urstromtals zwischen Saalfeld und Jena liegt Groß-Naschhausen.
Eine Perle thüringischer Siedlungs-Kleinkunst, eingefaßt in sanfte Bergketten, wechselvoll gestaltete Talsichten, freundliche Hänge, deren terrassenförmige Anordnung auf der Südseite noch heute den einstigen Weinanbau verrät. Wer hierher kommt, sei es durch Zufall oder mit Plan, erlebt jene feine, durchkultivierte Natur, die uns Goethe bewußtgemacht hat. Es lohnt also, hierher zu kommen.

Mitteldeutscher Verlag, 1980

Inge von Wangenheim: Hamburgische Elegie

Leseprobe

Was immer ein Mensch in seinem späteren Leben begründet oder bekämpft, gewinnt oder verliert, besitzt oder verwirft - es geschieht im Hinblick auf das Bezugssystem, das er in der Kindheit und Jugend annahm, um von ihm geprägt zu werden.

Die Forschung hat nie versäumt, die ausgezeichnete Bildung zu preisen, die sich der junge Lessing auf St. Afra erworben habe, vernachlässigte dabei aber die erst von Paul Rilla vollzogene notwendige Einschränkung, die sich mir aus eigener Erfahrung geradezu aufdrängt in der simplen Frage: Wie denn? Tausende Auserwählte sind durch St. Afra durchgegangen, aber nur ein einziger Lessing ist dabei herausgekommen.

Mitteldeutscher Verlag, 1981

25 August 2025

Waltraud Ahrndt: Atempause

Buchinfo

Monika Altmann braucht Zeit zur Besinnung. Zusammen mit dem zwanzig Jahre älteren Peter Willke ist sie in eine kleine Stadt im Norden gefahren. Aber wie soll es weitergehen? Wird Monika jetzt, da sie endlich eine Aufgabe im Kinderheim findet, den eigenen Sohn zurücklassen beim Vater in der Stadt? Sie war es doch, die für den Jungen sorgte, die erfüllt lebte, solange Reiner sie ganz brauchte. Die plötzliche Flucht der Mutter löst in dem Vierzehnjährigen Erschütterungen aus, denen er bei allem erwachenden Selbstbewußtsein nicht gewachsen ist. Den Eltern nicht mehr vertrauend, begibt sich der Junge auf die Suche nach dem "Richtigen".
Monika muß sich bald entscheiden, nicht zwischen zwei Männern, wohl aber für ein Leben, das sowohl ihrer Mütterlichkeit als auch ihren beruflichen Ansprüchen Raum gibt.


Buchbeginn

Sie waren in diese kleine Stadt gefahren, und es war wie eine Flucht. Doch daran dachten sie zuerst nicht. Zuerst genossen sie alles. Der Himmel tiefer blau als anderswo. Herber Duft von frischgemähtem Rasen. Auf dem Bahnhofsvorplatz zwei kleine Jungen, die aßen Kirschen aus einer Tüte, daß ihre Wangen sich blähten. Monika Altmann und Peter Willke sahen sich an. "Komm", sagte er schnell.
Der Fluß. Die Brücke. Das Geländer ist neu, dachte Peter Willke. Das alte war aus Holz gewesen, rissig, gefleckt. Doch wie eh und je lagen rötlich schimmernde Steine im flachen, eiligen Wasser.

Mitteldeutscher Verlag Halle-Leipzig
1. Auflage 1978 

24 August 2025

Inge von Wangenheim: Professor Hudebraach

Buchinfo
Inge von Wangenheim hat in allen ihren Romanen die großen, menschenverändernden Probleme unserer Zeit zum Gegenstand ihrer literarischen Anliegen gemacht. Diese Bücher wurden viel diskutiert und erregten das Interesse breitester Leseschichten. In diesem Roman gestaltet sie die Liebe zwischen der Dozentin für Politökonomie Toni Berger und dem Kernphysiker Hudebraach, der nach zehnjähriger Tätigkeit in der Sowjetunion in die DDR zurückkehrt.
Beide Menschen stehen im Herbst ihres Lebens, begegnen einander wider Willen im Thüringer Wald und erkennen in schönen Oktobertagen von völlig verschiedenen sozialen und ideologischen Aspekten her die wahre Größe ihrer gemeinsamen moralischen und gesellschaftlichen Verantwortung vor ihrem Vaterland. Ihre reife und ernste Liebe lehrt sie tiefer und nachdrücklicher, als die Theorie es vermag, zueinander zu finden und den unlöslichen Zusammenhang ihres Wirkens in der Gesellschaft zu erkennen.

Buchbeginn
"Der Wissenschaft haben Sie gehorcht, liebe Frau Berger - jetzt gehorchen Sie der Natur!" Der Professor lächelte zwar, aber sein Blick war besorgt. "Sie haben nur eine Aufgabe: gesund zu werden. Jegliche Arbeit, Anspannung und Unruhe sind verboten. Sie brauchen Entspannung, Ruhe, Schlaf und Sauerstoff. Gehen Sie für zwei, drei Monate in unseren thüringischen Wald! Der ist jetzt ein besserer Arzt für Sie als ich."
Toni wollte ihren Dank an die Wissenschaft des Professors in Worte fassen und war doch betroffen. Zwei, drei Monate in einem Wald bedeuteten, so schien es ihr, eine unerlaubt lange Pause. War sie wirklich so krank? Was würden die Genossen sagen?

Mitteldeutscher Verlag, 1961



 

Inge von Wangenheim: Das Zimmer mit den offenen Augen

Buchinfo

Eine ehemalige Fürstenresidenz im Thüringischen, in der die Traditionen der Vergangenheit mitunter noch beängstigend lebendig sind, eine Kleinstadt in anmutiger Umgebung, ein Schloß, in dem einst Goethe oft zu Gast war, das Kunstfaserwerk mitten in dem lieblichen Tal, der Burggasthof der Rethas, die Professorenwohnung der Steffens - das sind die unterschiedlichen Schauplätze dieses Romans. Vor ihrem Hintergrund entwirft die Autorin ein vielfältiges Spiegelbild von zehn Jahren komplizierter menschlicher Entwicklung im östlichen deutschen Staat. Gudrun Retha erkennt, daß die letzte Heldentat ihres Bruders, des Ritterkreuzträgers, nichts war als selbstmörderische Flucht, die neuen Tod veranlaßte. Diese Erkenntnis verhilft ihr zur Klarheit und Entscheidung über ihre Position, sie belastet zugleich aber aufs neue ihre Beziehungen zu Dr. Steffen, dem leitenden Mitarbeiter im Kunstfaserwerk, dessen bürgerliche Ehe zerbricht. Erst in der Auseinandersetzung mit Oskar Becker, der im Werk zäh die Kunst des Regierens und Leitens erlernt, begreift er sein Maß notwendiger Verantwortung. Unbelastet von der Vergangenheit aber vermag die junge Generation, Christine Retha und das Umsiedlerkind Daniel Schlicht, ihre Probleme zu lösen.


Leseprobe

Die Männer seiner bereits aufgeriebenen Einheit, die den Rückzug der Division über den Fluß gedeckt hatten, befanden sich in diesem Augenblick der Auflösung nicht in einem natürlichen Zustand. Sie trachteten, über den Fluß zu kommen, gleich den anderen, denen es noch gelungen war, und hielten ihren Kommandeur, der Anstalten machte, auf dem Platz zu verharren, in einem sehr landläufigen Sinne für "übergeschnappt".

Mitteldeutscher Verlag Halle

 

23 August 2025

Werner Steinberg: Zwischen Sarg und Ararat

Cover der 4. Auflage
Einbandtext:
Seit mehr als sechs Jahrzehnten eingeschlossen in die sterndurchfunkelte Schwärze des Alls, reist eine Gruppe Menschen äonenfernen Weiten entgegen. Unbekannte Formen des Lebens in anderen Sonnensystemen unserer Galaxis zu erkunden – so lautete der Auftrag, mit dem „Messenger“ dereinst von der Erde aus gestartet worden war. Längst schon ist eine zweite Generation geboren und herangewachsen; sie kennt die irdische Heimat nicht und wird sie nie erblicken. Das Gesetz, dem diese Menschen nach dem Willen ihres Kommandanten Ulf Seitz unterworfen sind, ist von unerbittlicher Härte. Nur als Rädchen und Schräubchen sollen sie funktionieren, damit – wann? wo? warum? – ein Gebot erfüllt werden kann, das immer mehr zur inhaltsleeren Formel gerinnt. Doch in einer zugespitzten Konfliktsituation flackert Widerstand auf. Dem verachteten Buckligen Silvio Montalvo und anderen dämmert, daß hier Inhumanes geschieht: ein großes menschliches Ziel verkehrt sich in sein Gegenteil. Da bietet die unverhoffte Landung auf einem erdähnlichen Planeten Gelegenheit, sich in tätiger Auseinandersetzung mit der rätselhaften Umgebung neu zu bewähren, zurückzufinden in ein sinnvolles Dasein. Mannigfache Fährnisse und Abenteuer – von Werner Steinberg zu spannungsvollen Szenen verdichtet – erwarten die Raumfahrer, und am Ende steht die Einsicht, daß sie alle ganz anders werden leben und handeln müssen als bisher.
  
Buchanfang:
Als Maria Perrault aus dem Tiefenschlaf erwacht, ganz allmählich, als schlendere sie ziellos durch die Gänge des Raumschiffs, erfüllt sie ein unendliches Wohlgefühl. Das kennt sie von den vorausgegangenen Untersuchungen her: Es ist die ungewohnte Empfindung der Schwere, hervorgerufen durch die zarten elektrischen Ströme, die ihren Körper durchpulsten. Doch langsam erlischt das; sie spürt die behutsamen Berührungen der Hände Nikolai Stukalows, des Oberarztes, der die Instrumenten-Kontakte löst; im gleichen Maße wird sie wieder zu der schwebenden Feder, die sie ihr ganzes Leben lang war, wie alle die Menschen um sie her.
Unwillkürlich heben sich ihre Lider. Das erste, was sie erblickt, ist ihr Bauch – er erscheint ihr wie ein Gebirge von Bauch, obgleich er nur zart gewölbt ist. Da weiß sie wieder: Es ist das Kind, in drei Monaten wird sie es gebären.
In ihrem Blickfeld taucht das Gesicht Stukalows auf, ein füllwangiges Gesicht mit ernsten, ruhigen Augen. Zu ihm hat sie mehr Vertrauen als zu Emilio Diop, dem greisen Chef; der jedoch trägt die Verantwortung, er wird die Geburt betreuen. Maria Perrault sucht nach einem Zeichen, einem Augenzwinkern Stukalows vielleicht, dem sie entnehmen könnte, wie die Untersuchung verlaufen ist; aber ein solcher vertraulicher Hinweis bleibt aus, muß ausbleiben, wie sie weiß, denn die Gesetze des Raumschiffs verbieten das, und die Gesetze, die von der ersten Besatzungsgeneration anerkannt wurden, sind unerbittlich, und auch jetzt, in der zweiten Generation, werden sie streng eingehalten.
Nun ist sie hellwach. Sie stößt sich von ihrem Lager ab und beginnt sich anzukleiden. Dabei schweifen ihre Blicke durch den Operationssaal. Auch da gibt es kein tröstliches Zeichen:

Einband: Werner Hahn

Cover der 1. bis 3. Auflage

Greifenverlag zu Rudolstadt

1. Auflage 1978
2. Auflage 1981
3. Auflage 1984
4. Auflage 1988












weitere Ausgaben


Reihe:
Roman-Zeitung 359; 1980/2

Umschlag: Klaus Müller

Verlag Volk und Welt, Berlin
1. Auflage 1980