19 Mai 2020

Igor Newerly: Das Waldmeer - Im Reiche des Tigers



Als Igor Newerlys "Waldmeer" in Warschau erschien, wurde es vom lesefreudigen Publikum begeistert aufgenommen. Literaturkritiker entdeckten an diesem exotischen Buch verwandtschaftliche Beziehungen zum Romanschaffen des berühmten Verfassers von "Quo vadis". In der Tat legen die Turbulenz der Handlung, die Unverwechselbarkeit der Typen und der Vorrang des abenteuerlichen Moments solche Vergleiche mit Sienkiewicz nahe.
Der junge Pole Viktor, Zögling und Absolvent eines humanistischen Gymnasiums im Fernen Osten, ist so etwas wie ein moderner Robinson. Er wird nach der Matura in den mandschurischen Urwald verschlagen, lernt das Leben in der Wildnis, ein abwechslungsreiches Jägerdasein meistern. Nichtsahnend gerät er 1941 in das Spannungsfeld politischer Wirren, in die Auseinandersetzung zwischen den Japanern, die das Land besetzt haben, und chinesischen Kommunisten. Obwohl er als Opfer eines ominösen Verwechslungsspiels den japanischen Faschisten in die Hände fällt und ihre grausamen Methoden am eigenen Leibe erfährt, lehnt er es nach gelungener Flucht ab, sich für irgend jemand zu engagieren. Ihm sind seine Liebe zur schönen Chinesin Aschihe, die auf einsamem Posten auf Leuchtsignale von Kampfgenossen wartet, seine Romanze mit einer kapriziösen Arzttochter und die Jagd wichtiger. Aber die verstärkten Übergriffe der Japaner auf das Waldmeer, in das bisher nur ein ferner Widerhall der Ereignisse gedrungen war, die den Fernen Osten erschütterten, zwingen Viktor, mit seiner Geliebten einer kleinen Urwaldgemeinschaft beizutreten. In dieser bunt zusammengewürfelten Gruppe treffen sich die Menschen, die Viktors Weg auf vielfältige Weise gekreuzt und beeinflußt haben: der verkrachte russische Adlige und der leidenschaftliche Revolutionär, der chinesische Volksweise und die gebildete "höhere Tochter", Menschen, deren Geschichte an Dramatik dem Schicksal Viktors nicht nachsteht. Aber auch fortan bleibt Viktor ein vor allem auf sein eigenes Glück bedachter Außenseiter, glaubt nur an die Gesetze des Dschungels und an den Kampf ums Dasein, verhält sich also wie der Tiger Wang, dessen Geschichte leitmotivisch der des Haupthelden parallel läuft. Erst in letzter Minute helfen ihm der Einfluß der Freunde und die Nachricht vom Untergang, der allen droht, sein Mißtrauen und seine egoistische Indifferenz zu überwinden: damit trennt sich sein Weg von dem des Tigers.
Igor Newerly, geboren 1903, Verfasser einiger erfolgreicher und in viele Sprachen übersetzter Bücher, ist mit "Waldmeer" ein moderner und unterhaltsamer Entwicklungsroman gelungen.

Verlag Volk und Welt Berlin, 2. Auflage 1972
Aus dem Polnischen von Henryk Bereska
Mit einem Nachwort von Jutta Janke
Schutzumschlag: Eberhard Neumann


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