27 Juni 2020

Max Frisch: Homo faber



"Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Ich sehe den Mond über der Wüste von Tamaulipas - klarer als je, mag sein, aber eine errechenbare Masse, die um unseren Planeten kreist, eine Sache der Gravitation, interessant, aber wieso ein Erlebnis?"
Walter Faber - Ingenieur aus der Schweiz und auf allen Kontinenten im Dienste der UNESCO tätig - hält sein eigenes Leben wie die Welt für errechenbar, für formbar nach dem Kalkül der Technik. Doch ausgerechnet ihm werden ein Nylonfaden im Rasierapparat und eine notlandende Superconstellation zu modernen Schicksalsgöttern. Liebe und Tod, Grunderlebnisse jedes Menschen, öffnen Faber die Augen über sich selbst und die Welt, in der er lebt.
Max Frisch ist keineswegs ein Zivilisationsgegner. Sein Homo faber ist sympathisch; Fabers technische Leistung verlangt uns Achtung ab, weil sie auf Veränderung und Besserung bedacht ist. Doch wer über Mittel und Werkzeug den Menschen und das Leben vergißt, kommt mit sich selbst nicht zurecht, denn leben heißt auch erleben können, und gerade dies ist Walter Faber verwehrt. Die Frau, die er einst verließ, weil sie nicht in sein Kalkül paßte, sagte es ihm unverblümt: "Manie des Technikers, die Schöpfung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält, nichts mit ihr anfangen kann, Technik als Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen."
Max Frisch setzte sich mit diesem 1957 geschriebenen Roman nicht gegen einen technikbesessenen Menschen zur Wehr, sondern klagte eine Gesellschaft an, die, unfähig, Technik als Mittel zum Leben zu nutzen, Experten züchtet und Menschen zerstört.

Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1973
Mit einem Nachwort von Ursula Roisch
EVP 7,20

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