27 Juni 2020

Tadeusz Breza: Audienz in Rom



Der Held, ein junger polnischer Gelehrter, betritt die Ewige Stadt an einem Julitag des Jahres 1957. Rom erregt und fasziniert ihn, doch der Ankömmling ist nicht zu seinem Vergnügen hier. Wo das Oberhaupt der katholischen Kirche residiert, will er Recht suchen. Recht für seinen Vater, den juristischen Vertreter der Rota Romana in der polnischen Diözese Torun, der von seinem Bischof an der Ausübung seines Berufes gehindert wird. Man gewährt dem jungen Mann Audienz, denn er bringt glänzende Empfehlungen, und sein Vater hat Freunde hier. Man hört ihn an, schweigt, bedeutet ihm abzuwarten. Doch die Antwort bleibt aus. Er versucht es anderswo, Audienz folgt auf Audienz. Ergebnislos. Rom verliert seinen Glanz, die Denkmäler verlieren ihr Gesicht, der junge Mann wartet. Nur wenig helfen ihm Bekanntschaften in der römischen Gesellschaft die Zeit der Ungeduld verkürzen. Schon hat er alle Hoffnung fahrenlassen, als ihm unvermutet die positive Entscheidung des Falles gemeldet wird. Also hatte sein letzter verzweifelter Schritt – die Audienz beim greisen Kardinal – doch einen Sinn. Glücklich zieht er mit einem Lebemann durch römische Vergnügungsstätten und bereitet seine Heimreise vor. In letzter Minute – alle Vatikansbehörden sind leergefegt, die Beamten haben ihre Sommerferien angetreten – wird er gewahr, daß er einem Täuschungsmanöver zum Opfer gefallen ist. Die anderen waren stärker.

Tadeusz Breza äußerte in einem Interview zu seinem Roman: „Das Handlungsmotiv ist ein bequemer Vorwand, den Mechanismus und das Prinzip der vatikanischen Ämter selbst darzustellen. Ich betone den Begriff: Ämter. Der Vatikan ist nämlich der Prototyp des Amtes, das älteste aller bestehenden Ämter der Welt, das ohne Unterbrechung seit seiner Entstehung funktioniert…“
Und die „Nowa Kultura“ schrieb zu „Audienz in Rom“: „Wenn wir die Motive des Romans untersuchen, so fallen uns gewisse Ähnlichkeiten auf. Aber ja! Das erinnert doch sehr an Kafkas ,Schloß‘. Doch nur an eine Seite des Kafkaschen Romans. Brezas ,Urzad‘ ist das Schloß, ins Realistische transportiert. Breza hat die kahlen Strukturen Kafkas in ein klares historisches und soziales Gewand gekleidet. Und das entscheidet über die Wahrhaftigkeit des Bildes…“

Volk und Welt 1979
Titel der polnischen Originalausgabe: Urzad
Deutsch von Caesar Rymarowicz
ex libris

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