21 September 2020

Gerda Böttcher (Hg.): Die fliegende Perücke - Anekdoten und Episoden rund um Theater und Film


Ein Wort voraus...
"Eine Sammlung von Anekdoten ist für den Weltmann der größte Schatz, wenn er sie an schicklichen Orten ins Gespräch einzustreuen weiß", meinte schon der vielzitierte Goethe, dieses Stiefkinds der Literatur gedenkend, das, von den Großen der Antike abgesehen, in der Vergangenheit nur wenige große Väter hatte: neben Goethe, Hebel, Kleist, in neuerer Zeit Brecht, Weiskopf...
Neben der politischen und geschichtlichen Anekdote - die auch heute noch den ersten Platz einnimmt - hat sich die Anekdote des Alltags herausgebildet. Sie beleuchtet gesellschaftliche Zustände, befaßt sich mit menschlichen Schwächen, Kapriolen und Kapricen im Berufsleben, in unserem Fall mit der Kunst des Theaters und des Films und ihren Jüngern.
Spontan, zufällig, mitten aus dem Leben gezeugt, verachtet die Anekdote den Schreibtisch des Poeten, dem nur die nachträgliche Fixierung bleibt. Das menschliche Miteinander, die gesellige Runde, häufig der Stammtisch sind ihr Ursprung, und doch hat sie literarische Ambition, Gattungsbewußtsein, indem sie sich scharf abgrenzt vom nackten Witz oder dümmlichen Kalauer. Freilich, oft genug entzündet sie sich an der komischen Situation, dem Kuriosum, vielleicht auch an der Schrulle, immer aber zielt sie darüber hinaus auf ein Wesentliches, erhellt schlaglichtartig Persönlichstes, Menschlichstes. In vielfach enger Verbindung von Dichtung und Wahrheit, oft nur Wahrscheinlichkeit, möchte sie doch als Dokument genommen werden, als Dokument von Zeit, Mensch und Milieu. So verlebendigt sie trockene Historie, dürre Biographie, und das ist ihre künstlerische und gesellschaftliche Legitimation...

Henschelverlag Berlin, 1980
Illustrationen: Horst Schrade

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